Düsseldorf. Dutzende britische Firmen haben sich nach Einschätzung der IHK Düsseldorf während der Brexit-Debatte ein zweites Standbein in Nordrhein-Westfalen aufgebaut. Allein im Rheinland stieg die Zahl der im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Kapitalbeteiligung aus Großbritannien um 21 Prozent auf 1.116 Firmen.
Allerdings warnt der Geschäftsführer der IHK Düsseldorf davor, diesen Anstieg überzubewerten. „Wir sehen nicht, dass Unternehmen mit wehenden Fahnen Großbritannien verlassen", sagt Felix Neugart. Zunächst gehe es britischen Firmen eher um Optionen für die weitere Entwicklung als gleich um hohe Investitionen in NRW oder viele neue Arbeitsplätze. „Ich sehe nicht, dass flächendeckend Anlagen in Großbritannien abgebaut werden und Unternehmen komplett weggehen. Häufig stehe vor allem im Fokus, ein zweites Standbein im EU-Binnenmarkt aufzubauen, um für alle Herausforderungen des Brexits gerüstet zu sein.
"Dieser Schritt ist nur logisch"
Diese Taktik ist aber keine ausschließlich britische. Auch deutsche Unternehmen sorgen vor und bauen Standbeine in Großbritannien auf. Und zumindest hier gibt es genaue Zahlen für Ostwestfalen-Lippe: "In den vergangenen drei Jahren haben zehn hiesige Unternehmen eine Niederlassung oder Produktionsstätte in Großbritannien gegründet", sagt Jörg Deibert, Sprecher der Industrie und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld.
Außerdem hätten 50 Unternehmen entschieden, Import-/Export-Beziehungen nach Großbritannien aufzunehmen, so dass die Gesamtzahl dieser Firmen in OWL aktuell bei 450 stehe. "Derzeit haben wir außerdem 10 Unternehmen in OWL, hinter denen eine britische Muttergesellschaft steht."
Überraschend ist diese Entwicklung in Deiberts Augen nicht. "Firmen, sowohl britische als auch deutsche, sind flexibel. Und vor diesem Hintergrund ist der Schritt, sich schon mal präventiv im europäischen Binnenmarkt niederzulassen oder eine Niederlassung in Großbritannien zu gründen, nur logisch", so Deibert.
Mehrkosten von 200 Millionen Euro
Grundsätzlich trifft und betrifft der Brexit viele Unternehmen in OWL. Firmen wie Dr. Oetker oder Schüco sind auf der Insel erfolgreich, ebenso wie sämtliche Küchenunternehmen, darunter Nobilia, Häcker oder Poggenpohl. Das Exportvolumen aller OWL-Unternehmen nach Großbritannien beläuft sich nach IHK-Angaben auf eine Milliarde Euro.
Den größten Risikofaktor für ihre Geschäfte sehen die Unternehmen im drohenden Mehraufwand bei der Zollbürokratie. Der Brexit wird nach Schätzungen des stellvertretenden IHK-Hauptgeschäftsführers Harald Grefe zu einem zusätzlichen Aufwand von circa 18 Millionen Zolldokumenten führen. Nach konservativer Schätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) wird allein das Ausfüllen von Zolldokumenten Mehrkosten in Höhe von etwa 200 Millionen Euro verursachen.