Marie-Christine Ostermann: „Die AfD ist gefährlich für unsere Wirtschaft“

Frau Ostermann, seit April vertreten Sie die familiengeführten Unternehmen in Deutschland. Wie erleben Sie derzeit das gesellschaftliche Klima?

Marie-Christine Ostermann: Ich erlebe eine aggressive, manchmal frustrierte Stimmung im Land. Wir haben seit einiger Zeit große Probleme: Das Wachstum geht runter, Investitionen sehen wir überwiegend im Ausland. Gleichzeitig steigen aber die Lebenshaltungskosten, auch wenn die Inflation zuletzt abgeflacht ist. Die Menschen in Deutschland machen sich Sorgen um ihre Zukunft.

Sie waren mal Landesschatzmeisterin der FDP in Nordrhein-Westfalen. Reagiert die Ampelkoalition in Berlin angemessen auf diese Zukunftssorgen?

Bislang hat sie die Sorgen der Menschen nicht ernst genug genommen. Sie hat auch nicht die Probleme gelöst. Die Arbeitnehmer fragen sich, warum immer weniger Netto vom Brutto übrigbleibt. Sie fragen sich, wie man die steigende Miete zahlen soll, geschweige denn ein Eigenheim. Man fragt sich, wie hoch die Sozialversicherungsbeiträge steigen. Man fragt sich, ob wir angesichts der vielen Migranten genug Schul- und Kitaplätze haben. Die Ampelkoalition ist in all diesen Fragen überfordert.

Sie leiten in Hamm einen Großhandel mit 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, viele haben eine Zuwanderungsgeschichte. Was glauben Sie, warum wird gerade so hitzig über Migration gestritten?

Die Stimmung ist negativ umgeschwappt, weil immer mehr Menschen ins Land kommen und erst mal gar nicht arbeiten dürfen. Sie müssen von unseren Sozialversicherungsgeldern und unseren Steuerzahlungen leben. So entstand der Eindruck der Überforderung. Wer jetzt einwandert, darf zumindest schneller einen Job annehmen als bisher. Das entschärft die Situation ein wenig, aber für all die zusätzlichen Menschen werden keine Wohnungen gebaut und keine neuen Lehrer eingestellt – das verschärft den ohnehin bestehenden Mangel am Wohnungsmarkt und bei der Bildung.

In der Logistik werden händeringend Arbeitskräfte gesucht.

Dem Bäckerhandwerk oder den produzierenden Unternehmen geht es ähnlich. Ich habe in meinem Unternehmen zugewanderte Männer und Frauen kennengelernt, die arbeiten und sich etwas aufbauen wollen. Sie sind fleißig und wollen ihren Beitrag leisten.

Wie wirkt sich die negative Stimmung im Land auf potenzielle Fachkräfte aus?

Hochqualifizierte Fachkräfte im Ausland jubeln nicht unbedingt bei dem Gedanken, nach Deutschland zu kommen. Sie sehen, dass die Stimmung negativ aufgeladen ist. Die AfD hat hohe Umfragewerte – eine Partei mit rechtsradikalen Protagonisten. Die AfD steht für Ausgrenzung und Abschottung, sie ist gefährlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Müssen sich die konservativen Parteien schärfer von der AfD abgrenzen?

Die Parteien der Mitte müssen konkret auf die Sorgen der Menschen reagieren. Darum sollte es gehen. Und wir sollten aufhören, alles zu vermengen: Zum einen ist es für die Zukunft dieses Landes von großer Bedeutung, eine weltoffene Willkommenskultur zu erzeugen, um ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Sie zahlen Steuern und tragen zu den Sozialversicherungen bei. Was die Asylfrage angeht, muss die Regierung endlich von gut gemeint auf gut gemacht umschalten. Es hat viel zu lange gedauert, bis auf die Überforderung der Kommunen und Landkreise ernsthaft reagiert wurde.

Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit kulturell bedingten Konflikten um?

Ich bin grundsätzlich nah dran an der Belegschaft. Es gab auch bei uns schon Situationen, in denen sich Mitarbeiter gemobbt fühlten. Sobald soziale Spannungen auftreten, gehen wir sofort dazwischen, suchen das Gespräch, zeigen Führung und Haltung.

Was sagen Sie in diesen Gesprächen?

Manchmal weisen wir darauf hin, dass in unserem Land gewisse Spielregeln gelten, dass niemand aufgrund des Geschlechts oder der Herkunft benachteiligt wird. Wir machen klar, dass Anstand und Mitmenschlichkeit in unserem Haus vorherrschen. Das ist unsere Kultur. Jeder geht hier vernünftig miteinander um. Wer das nicht beherzigt, ist bei uns falsch.

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