Oerlinghausen / Detmold. Die Nutzung und Produktion alternativer Energien ist in aller Munde. Viele Kommunen machen sich Gedanken, welche Innovationen sie auf diesem Sektor schaffen können. Die Stadt Oerlinghausen hat sich an die Spitze des Fortschritts gesetzt. Seit längerem schon wird ein Drittel ihres Energiebedarfs von einem modernen Holzheizkraftwerk produziert. Doch um diese Einrichtung gibt es jetzt Zoff. Die Detmolder Staatsanwaltschaft ermittelt. Sie verdächtigt zwei ehemalige Amtsträger der Vorteilsannahme.
"Wir setzen auf einen Trend, den andere erst entdecken. Die Entscheidung, dieses Kraftwerk zu bauen, war wirtschaftlich richtig und auch unter Umweltgesichtspunkten sinnvoll", sagt Oerlinghausens ehemaliger Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Blome. Er gilt als einer der Väter des Projektes.
Zusammen mit der Brechmann Beteiligung GmbH aus Bielefeld und dem Holzlieferanten Heinz-Josef Rodehut aus Hövelhof gründeten die Stadtwerke Oerlinghausen im November 2004 die Holzheizkraftwerk Oerlinghausen GmbH. Im Dezember 2005 konnte die Anlage, die pro Jahr rund 4.000 Megawattstunden Strom produziert, ans Netz gehen. Die für den Bau notwendige Investition von rund 4 Millionen Euro wurde mit einem staatlich geförderten Darlehen in Höhe von 2,4 Millionen Euro finanziert. Zudem wurden Fördermittel und Eigenkapital in Höhe von 600.000 Euro bereitgestellt. Über ein Mezzanine-Darlehen (s. Kasten) in Höhe von 850.000 Euro hatten private Kapitalgeber die Möglichkeit, sich am Holzheizkraftwerk zu beteiligen.
Ex-Führungskräfte im Visier der Staatsanwaltschaft
Auch zwei damalige Amtsträger sollen diese Möglichkeit genutzt haben – allerdings nicht offen und für die Öffentlichkeit erkennbar, sondern als stille Gesellschafter. Dabei handelt es sich zum einen um den ehemaligen Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Blome sowie um den ehemaligen Fachbereichsleiter für Umwelt und Energie beim Kreis Lippe, Helmut Diekmann. Beide Männer sind mittlerweile im Ruhestand. Diekmann wurde Ende 2010 mit Applaus aus seinem Amt verabschiedet, bei Blome geschah dies im Frühjahr 2012.
Doch jetzt stehen die beiden früheren Führungskräfte im Visier der Detmolder Staatsanwaltschaft. Wie ein Sprecher der Behörde auf Anfrage bestätigte, wird gegen sie wegen Vorteilsannahme (§ 331 Strafgesetzbuch) ermittelt. Bis zum Abschluss des Verfahrens werde es aber noch einige Zeit dauern, sagt Oberstaatsanwalt Ralf Vetter.
Angeblich sollen die stillen Beteiligungen den Investoren eine Rendite von 15 Prozent bringen – 7,5 Prozent fest und 7,5 Prozent abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Holzheizkraftwerkes. "Ich war angestellter Geschäftsführer und als solcher der Gesellschafterversammlung verpflichtet", sagt Blome. "Ich war kein politischer Beamter. Von der Gesellschafterversammlung bin ich immer einstimmig entlastet worden." Dass das Holzheizkraftwerk ein derartiger Erfolg werden würde, haben alle gehofft, aber bei der Gründung konnte das niemand vorhersehen.
Beide bestreiten energisch
Entscheidend ist aber, ob die Beschuldigten "für die Dienstausübung" einen Vorteil angenommen oder gar gefordert haben. Nur dann hätten sie sich strafbar gemacht. Beide bestreiten das energisch. "Ich bin Bürger dieses Landes und darf mich an einem solchen Holzheizkraftwerk beteiligen", sagt Diekmann. Er habe mit der Anlage in Oerlinghausen "genehmigungsrechtlich nichts zu tun gehabt" und könne wegen seiner privaten Beteiligung "auch keinen Konflikt" erkennen. Er habe diese Form der dezentralen alternativen Energiegewinnung unterstützen wollen.Und Peter Blome argumentiert: "Damals in das Holzheizkraftwerk zu investieren, stellte für Privatpersonen ein erhebliches Risiko dar. Ich stand allerdings zu 150 Prozent hinter dem Projekt und war vom Erfolg überzeugt. Im Übrigen kann ich als Privatmann mit meinem Geld machen, was ich will." Ob er sich beteiligt hat, wollte Peter Blome nicht bestätigen.
Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen, weil die Oerlinghauser Bürgermeisterin Ursula Herbort der Staatsanwaltschaft Mitteilung über nach ihrer Ansicht geschehene Unregelmäßigkeiten machte. Herbort begrüßt die Ermittlungen. "Ich muss in jedem Fall die nachhaltigen und langfristigen Interessen der Stadtwerke und nicht jene von Privatpersonen im Blick haben", sagte sie auf Anfrage. Dieses sei ihre "gesetzliche Pflicht."
Herbort ist nicht unumstritten
Die parteilose Juristin Herbort regiert in Oerlinghausen allerdings keineswegs unumstritten. Reinhard Wollny, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke Oerlinghausen GmbH (GV), erinnert sich an eine Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses im Dezember 2011, in der der damalige Vorsitzende der GV im Zusammenspiel mit der Bürgermeisterin ein Szenario von Fehlverhalten Blomes entwickelte. Er, so Wollny weiter, habe dann die Vermutung geäußert, dass Herbort sich an Blome rächen wolle. "Dieser Vorwurf kam nicht von ungefähr", sagte Wollny im Gespräch mit dieser Redaktion. "Mir gegenüber hat die Bürgermeisterin in einem Gespräch im Frühjahr 2011 gesagt, dass sie Blome hasse."Am Landgericht Detmold hat Herbort am 2. Oktober 2014 unter dem Aktenzeichen 6 047/14 eine Feststellungsklage gegen die Stadtwerke Oerlinghausen GmbH eingereicht. Die Klage betreffe "zahlreiche Gesellschafterbeschlüsse vom 3. September 2014, die auch das Holzheizkraftwerk beträfen, sagte Landgerichtssprecherin Anke Grudda. Herbort stehe auf dem Standpunkt, dass die Beschlüsse "nichtig" seien. Die Kammer für Handelssachen müsse entscheiden.
Da auch die GV Klarheit über ihre Beschlüsse haben wollte, die zum Beispiel auch die Entlastung Blomes und die Tantiemen für 2012 regeln, wandten sich mehrere Vertreter der GV an die Kommunalaufsicht des Kreises. Nach einer Stellungnahme der Bürgermeisterin schreibt die Kommunalaufsicht am 29. Oktober: "Ich weise darauf hin, dass ich die vorgetragene Rechtsauffassung der Bürgermeisterin hinsichtlich der Gesellschafterversammlung . . . in keiner Weise teile." Und weiter: " . . . Diese Rechtsauffassungen sind von hier nicht ansatzweise nachzuvollziehen; zum Teil ist das genaue Gegenteil des Vortrags der Bürgermeisterin rechtlich richtig."