Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Detmolder findet mysteriöse Karte und ein verschollenes Flugzeug

Benjamin Marquardt

  • 0
Die Überreste einer britischen Mosquito, ein schneller Tagbomber und Nachtbomber sowie Aufklärer der englischen Royal Air Force (RAF). - © Bernhard Preuss
Die Überreste einer britischen Mosquito, ein schneller Tagbomber und Nachtbomber sowie Aufklärer der englischen Royal Air Force (RAF). (© Bernhard Preuss)

Detmold/Horn-Bad Meinberg. Wurden alliierte Flieger im Zweiten Weltkrieg über Deutschland oder dessen besetzten Gebieten abgeschossen und retteten sich mit dem Fallschirm, hatten sie zwei Möglichkeiten: sich gefangen nehmen lassen – oder sie versuchten eine abenteuerliche Flucht, um zurück nach Großbritannien zu gelangen.

Für diesen Zweck trugen sie hochwertig detaillierte, auf Seide gedruckte Fluchtkarten bei sich. Genau so eine bekam ein Hobbyhistoriker aus Detmold, der aus Schutzgründen für seine umfangreiche Sammlung anonym bleiben möchte, vor fast 20 Jahren angeboten. Er erinnert sich: "Das war 1999. Ein Herr aus Detmold sprach mich an, ob ich nicht an mehreren Gegenständen, die in Bezug zum Infanterie-Regiment 55 standen, interessiert sei."

Anstoß: Die seidenen Karten brachten einen Detmolder Hobbyhistoriker auf die Spur eines abgestürzten Flugzeuges. - © Bernhard Preuss
Anstoß: Die seidenen Karten brachten einen Detmolder Hobbyhistoriker auf die Spur eines abgestürzten Flugzeuges. (© Bernhard Preuss)

Im Zuge dieses Gesprächs wurde ihm auch eine seidene Karte aus dem Zweiten Weltkrieg angeboten. "Das machte mich aber noch nicht neugierig", erinnert er sich weiter. "Im Verlauf des Krieges waren etliche Flugzeuge in Lippe abgestürzt, wahrscheinlich stand sie zu einem dieser Vorfälle in Verbindung." Als militärisch interessierter Sammler erwarb er die Karte dennoch zusammen mit den Gegenständen aus dem Nachlass des 55er-Soldaten.

Dann packte ihn die Neugier

Sieben Jahre später wurde die Aufmerksamkeit des Detmolder Hobbyhistorikers erneut auf eine seidene Karte gelenkt – vom selbem Mann wie schon 1999. "Seine Schwester starb 2006. In deren Nachlass tauchte die zweite Karte auf", berichtet der Detmolder. Der Mann erzählte zudem, dass die Karte aus dem Jahr 1944 stammt, wahrscheinlich vom Absturz eines amerikanischen B-17-Bombers. Anhand einiger Details erkannte der Sammler jedoch, als er beide Karten verglich, dass sie britischen Ursprungs sein müssten. "Da packte mich die Neugier. Nun wollte ich den Ursprung der beiden Karten ergründen", erzählt er.

Sogleich machte er sich daran, die örtlichen Archive nach einem Absturz zu durchforsten. "Doch es gab keinen Absturz in dem Gebiet zu dieser Zeit. Die Sache war mysteriös", berichtet der Hobbyhistoriker. Also beschloss er, genauer zu suchen.

Als erstes überlegte er sich dabei, welchen Schulweg ein etwa zehnjähriges Mädchen (das Alter in dem die Verstorbene gewesen sein könnte, als sie die Karte fand) durch den Wald der Egge von Schlangen in Richtung Horn nehmen würde und wo es dabei auf eine Absturzstelle stoßen könnte. Dann suchte er mit alten Karten und Luftaufnahmen bei Google Maps nach auffälligen Stellen.

Und tatsächlich: Ein Baumbestand erschien ihm anders als der Rest. "Ich suchte die Stelle auf und nach kurzer Zeit schon fand ich eine deformierte Patronenhülse, die nur zu der Bordmaschinenkanone eines Flugzeugs gehören konnte", erinnert sich der Detmolder. Kurze Zeit später stieß er auf ein Aluminium-Stück mit Kopfnieten, das zur Beplankung eines Flugzeugs gehören konnte. Dann tauchten Stücke mit eingepressten Holzfragmenten auf.

Die Identifikation des Flugzeuges

Die Überreste einer britischen Mosquito, ein schneller Tagbomber und Nachtbomber sowie Aufklärer der englischen Royal Air Force (RAF). - © Bernhard Preuss
Die Überreste einer britischen Mosquito, ein schneller Tagbomber und Nachtbomber sowie Aufklärer der englischen Royal Air Force (RAF). (© Bernhard Preuss)

"Zu Hause recherchierte ich, in welchem Flugzeug des Zweiten Weltkriegs Holz verbaut war. Da kam ich schnell auf die Mosquito." Über die Kennzahlen und Prägungen vieler Fundstücke konnte er den Verdacht weiter erhärten. Auf andern Wrackteilen prangte die Zahl "1943", die auf das Produktionsjahr des Flugzeugs verwies. Weitere Fundstücke deuteten auf die Produktionsjahre 1942 und 1944 hin. Das bewies, dass die Maschine frühestens 1944 abgestürzt war.

Doch die Maschine durfte es eigentlich gar nicht geben. Niemand konnte ihm sagen, wie und warum das Flugzeug in den lippischen Wald gekommen war. Unterstützung erhielt er vom 2016 verstorbenen Ortschronisten von Schlangen, Heinz Wiemann. Doch Zeitzeugenaufrufe in der LZ und im Schlänger Boten blieben leider erfolglos.

Den Durchbruch brachte dann ein Freund des Finders, der im Detmolder Staatsarchiv eine bis dahin unbearbeitete handschriftliche Notiz eines Horner Polizisten aus dem Jahr 1945 fand. Dort hieß es, dass kurz vor Mitternacht am 17. März 1945 ein Fahrzeug der deutschen Wehrmacht auf der B1 von einem Flugzeug beschossen worden war. Weiter hieß es in der Notiz, dass der Bürgermeister von Horn 25 Minuten später einen Flugzeugabsturz in der Nähe des Ortes meldete.

Am Morgen des 18. März 1945 hätte dann Klarheit geherrscht, dass es sich um eine Maschine der Royal Air Force (RAF) handelte. "Das zweimotorige Flugzeug war mit voller Wucht in den Wald geprallt und war zerschellt, die Besatzung tot", resümiert der Finder aus der Meldung im Archiv.

Eine Reise nach Großbritannien

Beruflich musste der Detmolder kurze Zeit später nach Großbritannien. "Dort besorgte ich mir die Verlustlisten der RAF, die als Fachliteratur veröffentlicht sind. Zunächst nahm er sich nur die Listen des Bomber-Kommandos vor – und fand nichts. Erst ein britischer Freund brachte ihn auf die richtige Spur. "Da die Mosquito auch als Nachtjäger eingesetzt wurde, konnte ein Hinweis auch in den Listen des Jäger-Kommandos verzeichnet sein."

Tatsächlich: Unter dem 17. März 1945 gab es einen Eintrag, dass eine Mosquito der 605. Staffel mit der Typenbezeichnung PZ 343 "B" vermisst wurde. Ein Abgleich mit der Typenbezeichnung auf den gefundenen Wrackteilen bewies: Reste dieser Maschine hatte er im Wald gefunden.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.

Kommunalwahl-Abo

Angebot zur Kommunalwahl

5 Wochen Lippische Landes-Zeitung lesen -
gedruckt UND digital!

Jetzt bestellen
Kommunalwahl-Abo