Detmold/Höxter. Wilfried W., einer der beiden Verdächtigen des Mordfalls in Höxter, wird von dem Detmolder Anwalt André Pott verteidigt.
Herr Pott, wie groß ist die Herausforderung, als Strafrechtler für einen mutmaßlich zweifachen Mörder die Verteidigung zu übernehmen?
Andre Pott: Es ist sicherlich der bisher größte und bedeutendste Fall in meinem bisherigen Arbeitsleben. Die Vielzahl der Ereignisse, Taten, Motive, handelnder oder betroffener Personen hat einen Umfang angenommen, der selten vorkommt. Da ist schon an dem riesigen, bundesweiten Medieninteresse zu erkennen. Fernseh- und Radiostationen, Magazine und Zeitungen geben sich bei mir die Klinke in die Hand.
Alle Augen werden in Zukunft auf Sie gerichtet sein, speziell, wenn der Prozess beginnt. Haben Sie Sorge vor Fehlern?
Pott: Ich habe keine Angst vor der Herausforderung, ich würde es eher als Respekt vor dieser Aufgabe bezeichnen. Hätte mich das Mandat vor acht Jahren als noch junger Strafverteidiger getroffen, würde ich vermutlich anders denken. Außerdem stehen mir fünf weitere, erfahrene Kollegen aus unserer Kanzlei hilfreich für Gespräche und Beratung zur Verfügung.
Wie kam es zu dem Auftrag, Wilfried W. zu verteidigen?
Pott: Seine Mutter hat für ihren jetzt in Untersuchungshaft sitzenden Sohn einen Strafverteidiger gesucht, hat sich klug gefragt, und dann wurde mir das Mandat übertragen.
Sie konnten Ihren Mandanten inzwischen einmal in der Justizvollzugsanstalt besuchen. Wie hat der Mensch, dem ein Doppelmord vorgeworfen wird, auf Sie gewirkt?
Pott: Ich habe mich ihm als sein Rechtsvertreter vorgestellt, ihm erläutert, welche Schritte ich gehen werde und ihm empfohlen, keine weiteren Aussagen gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gutachtern zu machen. In den Medien wurde er bisher als ein Machtmensch dargestellt, der alle Fäden in der Hand hielt und der letztlich Bestimmer über Leben und Tod war. Ich habe bei meinem ersten Besuch genau das Gegenteil erlebt. Mein Mandant zeigte sich ruhig und kontrolliert. Er machte auf mich keinen herrischen oder befehlshaberischen Eindruck.
Wie war seine mentale Verfassung?
Pott: Er machte einen sehr gefassten Eindruck. Das mag daran liegen, dass er die Haftsituation bereits kennt. Er kennt diese Situation. 1995 wurde er zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Es gibt andere Mandanten, die drehen durch, stehen unter Schock oder sind ganz cool.
Was hat er Ihnen zu den eigentlichen Taten erzählt?
Pott: Es war nur ein Einstiegsgespräch, das wir führten. Es wurden keine Details erörtert, wir sind nicht tief in die Sache eingestiegen. Es war ihm wichtig, noch einmal jegliche Mitschuld an den Verbrechen sowie alle Vorwürfe, die seine Ex-Frau bei ihrem Geständnis gegenüber der Polizei gegen ihn erhoben hat, von sich zu weisen.
Glauben Sie Ihrem Mandanten, zumal Vernehmungen eines Opfers in Berlin ergaben, dass auch Wilfried W. Gewalt ausgeübt hat?
Pott: Ich glaube, es ist zu früh für eine Rollenverteilung bei Angelika W. und Wilfried W.. Ich glaube nicht, dass die Ex-Frau nur eine Opferrolle hatte. Es ist unzutreffend, dass alle Geschehnisse zu Lasten meines Mandanten gehen. Man könnte sicherlich auch spekulieren, ob Angelika W. nicht in irgendeiner Weise bei den Vorkommnissen mitgewirkt hat. Es bleibt abzuwarten und bleibt spannend, was Zeugen aussagen, wer wie mitgewirkt hat, welche Rollenverteilung es gab.
Wie sind Sie mit Ihrem Mandanten verblieben?
Pott: Ich habe ihm gesagt, dass ich mich weiter in die Materie einarbeiten werde, Akten und Vernehmungsprotokolle studieren werde, was sehr zeitintensiv ist. Glücklicherweise haben wir in diesem Strafverfahren kurze Wege. Dokumente wurden per Kurier transportiert, Telefonate mit der Staatsanwaltschaft liefen problemlos.
Immer wieder fragen Menschen, wie sich ein Strafverteidiger für ein solches Mandat hergeben kann, einen mutmaßlichen zweifachen Mörder zu verteidigen?
Pott: Unser Beruf ist es, Rechtsbeistand zu leisten. Jeder hat ein Recht auf anwaltliche Verteidigung. Ich glaube, das wesentliche bei dieser Aufgabe ist, sich mit keinem Mandanten zu verbrüdern und sich mit dessen Sache nicht gemein zu machen. Ich muss immer eine sachliche Distanz haben. Das Schlimmste für einen Mandanten sind aufbauende Worte des Verteidigers. Mein Mandant muss wissen, wie es weitergeht und was auf ihn zukommt.
Können Sie sich erklären, warum die Ex-Frau von Wilfried W. in ihrem Geständnis jegliche Schuld auf Ihren Mandanten schiebt?
Pott: Ich kann mir das Motiv für diese Aussagen nicht erklären. Ich kann sie auch nicht bewerten oder beurteilen. Vielleicht wollte sie reinen Tisch machen und für sich auf ein günstiges Urteil hoffen.