Kreis Minden-Lübbecke (mt). Diesmal ist der Wolf ein Pappkamerad, das Schaf aus Plastik - immerhin, der Schutzzaun ist echt. Als am 28. Dezember in Stemwede ein Schaf mit tiefen Bisswunden gefunden wurde, waren es echte Tiere, die aufeinandertrafen. Einen knappen Monat später lag der DNA-Beweis vor: Der Wolf ist in den Kreis Minden-Lübbecke zurückgekehrt, rund 170 Jahre nachdem der letzte seiner Art in Nordrhein-Westfalen erlegt wurde. Grund genug für den Landesbetrieb Wald und Holz, zu einer Pressekonferenz einzuladen, um über die Maßnahmen zu informieren, die nun besonders zum Schutz von Weidetieren ergriffen werden.
Denn während die Rückkehr des Wolfs von vielen Menschen begrüßt wird, bläst dem Tier auch Gegenwind um die Schnauze. Der Konflikt zwischen Schafzüchtern und dem Raubtier ist wohl so alt wie die Schafzucht selbst. Und war er auch für mehr als hundert Jahre aus den Köpfen der meisten verschwunden, kehrt er doch nun mit alter Schärfe zurück. Erst am Dienstag legte ein erzürnter Schafzüchter aus dem Kreis Vechta vor dem niedersächsischen Umweltministerium in Hannover ein totes Schaf ab, das vermutlich von einem Wolf gerissen wurde. Er wollte so auf immer häufigere Attacken aufmerksam machen. Mehr als 40 sollen es gewesen sein.
Ortrun Humpert, Vorsitzende des Schafzuchtverbandes NRW, schlägt da deutlich gemäßigtere Töne an: "Generell setzen sich die Schafzüchter für die Erhaltung der Artenvielfalt ein. Da können wir natürlich nicht sagen, wir wollen den Wolf nicht haben, denn er ist ja auch ein Teil dieser Vielfalt." Trotzdem sieht sie in dem Rückkehrer eine Bedrohung für die wirtschaftliche Existenz vieler Schäfereien. "Das macht uns natürlich Sorgen", sagt sie.
Rund 50 Betriebe mit mehr als 20 Schafen gab es 2010 im Kreis Minden-Lübbecke, insgesamt hielten sie 3.422 Tiere. Eine große Zahl weiterer Schafhalter mit weniger als 20 Tieren sind in der Statistik nicht erfasst. Im Landesdurchschnitt machen die Schäfer mit wenigen Tieren etwa drei Viertel der Betriebe aus.
Um im Falle eines Risses, der einem Wolf zugeschrieben wird, oder einer Wolfssichtung schnell zu helfen, hat der Landesbetrieb Wald und Holz zwei Herden-Schutzsets angeschafft. 400 Meter elektrischer Zaun, ein elektrisch geladenes Band oben, dass Übersprungversuche des Wolfes verhindern soll, sowie eine Fotofalle gehören dazu.
"Der Wolf lernt schnell", sagt Horst Feldkötter, für den Kreis Minden-Lübbecke zuständiger Wolfsberater. "Wenn er gut und leicht an seine Beute gekommen ist, versucht er das in der Regel auch noch ein zweites und ein drittes Mal." Der Zaun baut ebenfalls auf das Lernvermögen des Tieres. "Wenn der da einen ordentlichen Schlag bekommen hat, kommt er wahrscheinlich nicht wieder." "Besteht der Verdacht eines Wolfsrisses, wird der Wolfsberater zurate gezogen, der dann die weiteren Schritte veranlasst", sagt der Stemweder Revierförster Norbert Schmelz, bei dem das Set gelagert wird. "Das Herden-Schutzset wird dann etwa vier bis fünf Tage zur Verfügung gestellt, um eine Wiederholung zu verhindern. Danach muss sich der Besitzer wieder selber darum kümmern, seine Herde zu schützen."
Für Ortrun Humpert reicht das aber nicht. Denn zum einen setzt das Notfallset erst dann an, wenn in der Regel bereits ein Schaf dem Wolf zum Opfer gefallen ist. "Die Problematik besteht darin, dass wir unsere Tiere schlecht schützen können, weil wir nicht wissen, wann er kommt und wo er kommt", sagt die Verbandsvorsitzende, die selber eine Schäferei betreibt. Zum anderen wird auch nur das gerissene Tier vom Land ersetzt. Doch hat ein Wolf die Herde angegriffen, sind die Schäden in der Regel viel höher. Das zeigen die immer wieder vorkommenden Vorfälle mit wildernden Hunden, die manchmal zum Ausbruch ganzer Herden führen.
"Im besten Fall sind dann nur die Zäune kaputt. Im schlimmsten Fall stehen die Tiere hinterher auf der Autobahn." Oft seien die verstörten Herden über Wochen nicht mehr durch die Hunde zu leiten, manchmal käme es zu Totgeburten nach solchen Attacken. Sie fordert deshalb eine weitere Unterstützung durch das Land bei nötigen Präventionsmaßnahmen. Neue Zäune seien nötig, die übersprung- und untergrabungssicher sein müssten. Die immer wieder aufzustellen dauere aber deutlich länger, als dies bei herkömmlichen Zäunen der Fall sei. Der Bundesverband der Schafzüchter hat in den letzten Wochen einen Forderungskatalog erstellt, der den zuständigen Behörden und Ministerien bundesweit zugestellt wurde.
Für Norbert Möller, Schäfer aus Stemwede, steht fest: Er macht zunächst weiter wie bisher. Schon jetzt sind seine Tiere durch Elektrozäune geschützt - allerdings sind die nicht so hoch wie der Wolfsschutz. "Wir haben immer wieder Probleme mit wildernden Hunden", sagt er und bleibt pragmatisch: "Wir werden sehr stark darauf achten, dass wir viel Strom auf den Zäunen haben."