Bielefeld. Die Pfunde purzeln, die Kraft nimmt zu: Tobias Klüter hat Butterbrote und Chips gegen Äpfel und Möhren getauscht. Seitdem fallen die Kilos. Zehn Kilogramm hat er in den vergangenen vier Monaten bereits verloren. Das dürfte sich langfristig auf seinen Geldbeutel auswirken, hofft der 36-Jährige.
Denn: Klüter arbeitet zwar als Gesamtschullehrer. Verbeamtet ist er aber nicht – aufgrund gesundheitlicher Probleme: „Mein Body-Mass-Index ist zu hoch", sagt Klüter. Das teilte ihm die Bezirksregierung Detmold nach seinem Referendariat mit – und lehnte seinerzeit die Verbeamtung ab. Vor einigen Monaten gab sich Klüter einen Ruck: Er will es erneut versuchen – abnehmen und fitter werden. „Ich habe viel ausprobiert, und jetzt eine tolle Lösung für mich gefunden", sagt Tobias Klüter.
„Es gibt drei Kernvoraussetzungen für eine Verbeamtung", sagt Matthias Lückemeier, Personalverwalter bei der Bezirksregierung Detmold: Lebensalter, ein sauberes Führungszeugnis und Gesundheit. Die Altersgrenze liegt in NRW bei 42 Jahren – seit Januar 2016. Änderungen gibt es auch bei den gesundheitlichen Voraussetzungen: „Früher war ein BMI von 35 ein Ausschlusskriterium. Das änderte das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2014. Seitdem sei ein erhöhter BMI allein kein Ausschlusskriterium mehr. „Liegen keine Auffälligkeiten beim Stoffwechsel wie Diabetes oder Bluthochdruck vor, ist reines Übergewicht kein Ausschlussgrund mehr", so Lückemeier.
Wenn in der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesamtschule im Bielefelder Stadtteil Stieghorst der Pausengong ertönt, packt er mittlerweile Möhren, Kohlrabi und Äpfel aus seiner Tupper-Box.
Das allein reiche aber nicht aus: Zwischendrin trinkt Klüter einen Eiweißdrink. „Gegen das Hungergefühl." Abends isst er mit seiner Frau und den drei Kindern „ganz normal". „Dann gibt es auch schon mal Fischstäbchen und Kartoffelbrei."
Toll sei das Gefühl, alte Hosen vom Dachboden zu holen. „Die passen mir jetzt wieder." Im Gegensatz zu den XL-Shirts: „Viele sind mir mittlerweile deutlich zu groß", sagt Klüter.
Wenn es die Zeit zulässt, joggt er dreimal pro Woche jeweils rund sechs Kilometer. Beim Hermannslauf müssen die Teilnehmer allerdings die fünffache Strecke zurücklegen. Ein harter Brocken für ihn. Dennoch wird Klüter am 24. April mit dabei sein. Die Anmeldung steht. „Aus der Nummer komme ich jetzt nicht mehr raus", sagt er. Ein wenig mulmig sei ihm dennoch. „Eigentlich hätte ich die Trainingsstrecke längst verlängern müssen." Bei drei Kindern fehlte ihm aber abends oft die Zeit.
Größter Antrieb seiner Diät sei aber die Chance auf den Beamtenstatus. „Natürlich macht es viel aus, wenn ich dadurch mehr Geld für meine Familie habe."
Ein angestellter Lehrer erhalte zwischen 500 bis 700 Euro weniger pro Monat als sein verbeamteter Kollege, sagt Rainer Lummer. Der Sprecher der Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer in NRW(SchaLL) nennt das „ein Unding". Die monatliche Differenz läppert sich: „Am Ende eines Arbeitslebens sind das hochgerechnet rund 200.000 Euro. Die Summe eines Einfamilienhauses", sagt Lummer. Großen Einfluss habe die Verbeamtung auch für die Zeit danach. Klüter: „Eine Pension ist einfach deutlich lukrativer als eine Rente."
Dieses System hält der Familienvater Klüter für genauso „fragwürdig" und „unfair" wie einen passenden Body-Mass-Index (BMI), der für eine Verbeamtung immer noch von Bedeutung sei. „Es gibt keinerlei Studien, die bestätigen, dass der BMI eine medizinische Grundlage darstellt." Klüter glaubt, dass Lehrer eher wegen psychischer Erkrankungen aus dem Schuldienst ausscheiden könnten – nicht aber wegen Übergewichts. „Der BMI ist halt einfach zu benennen."
Die Waage unter Klüters Füßen zeigt aktuell 85 Kilogramm. Grünes Licht für die Verbeamtung. Eigentlich. Den Amtsarzt will er aber noch nicht aufsuchen: „Ich habe zurzeit noch erhöhten Blutdruck", sagt er. Auch der Harnsäurespiegel im Blut sei leicht erhöht. „Das dürfte ich aber bald in den Griff bekommen."
In der Zwischenzeit freut sich Klüter umso mehr über die positiven Reaktionen in seinem Umfeld. Vor allem seine Schüler würden ihn häufig auf seinen kleineren Bauch ansprechen. „Die sind total ehrlich. Ihr Lob freut mich also ganz besonders."