Domrémy in Detmold: Vom Jubel zur Forderung nach dem Scheiterhaufen

Detmold. Für Giselher Klebe stand die Oper im Zentrum seines Schaffens. Anlässlich seines 100. Geburtstags würdigt die Hochschule für Musik ihren langjährigen Kompositionslehrer mit der halbszenischen Aufführung des Zweiakters &bdquo;Das Mädchen aus Domrémy“.

Die Handlung der Oper erzählt die Geschichte der Jeanne d´Arc, die gegen Ende des Hundertjährigen Krieges die französischen Truppen zu einem entscheidenden Sieg gegen die englischen Invasoren bei Orléans führte.

Das einfache Hirtenmädchen im Fokus Anders als Schiller, nach dessen Historiendrama &bdquo;Die Jungfrau von Orléans“ der Komponist gemeinsam mit seiner Frau Lore das Libretto einrichtete, legt Klebe den Fokus allerdings weniger auf die Freiheitskämpferin und französische Nationalheldin; ihn interessiert das einfache Hirtenmädchen aus der lothringischen Provinz, das durch eine Vision auf die Weltbühne geworfen wird und am Ende an den damit einhergehenden Widersprüchen zerbricht.

Bei Schiller findet Johanna den Heldentod mit wehender Fahne auf dem Schlachtfeld; Klebe hingegen bezieht sich auf überlieferte Akten des Inquisitionsprozesses, als dessen Ergebnis Johanna, wie historisch überliefert, auf dem Scheiterhaufen endet.

Ungewöhnlich ist die Instrumentierung des Werks. Das Orchester besteht aus vier Klavieren, Cembalo, Harfe und einer ansehnlichen Batterie an Schlaginstrumenten. Bläser und Streicher fehlen. Die Klaviere werden zudem häufig ebenfalls perkussiv eingesetzt, sodass das Melodische weitgehend dem Sängerensemble vorbehalten bleibt.

Herbe Klanglichkeit, variantenreich gestaltet Das führt zu einer insgesamt eher herben Klanglichkeit, die Klebe aber sehr variantenreich zu gestalten weiß. So entstehen etwa im Unisono mit Klavieren und Cembalo oder Vibrafon unerwartete Obertonstrukturen. Minimale Unterschiede im Anschlag sind offensichtlich kein Mangel der Ausführung, sondern vom Komponisten bewusst einkalkulierte Farbschattierungen.

Dabei agieren die Instrumentalisten trotz der großen Entfernung auf dem Podium mit erstaunlicher Präzision. Das ist auch ein Verdienst der beiden Dirigenten Daniele Costa im ersten Teil und Jakob Boudgoust im zweiten. Das Sängerensemble erweist sich als stimm- und ausdrucksstark, allen voran Franziska Roggenbuck, die der Titelfigur auch in der halbszenischen Darbietung dramatische Tiefe zu verleihen weiß.

Dong Eun Seo gibt einen schöngeistigen und empfindsamen Karl VII; als Bischof von Beauvais wird er im zweiten Akt zu Johannas unnachgiebigem Richter. Der Oratorienchor Detmold repräsentiert das Volk, das anfangs der Retterin zujubelt und am Ende den Scheiterhaufen fordert.

Für die Detmolder Aufführung wurde das abendfüllende Werk auf gut 70 Minuten gekürzt. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Proportionen des Stückes. Den Inhalt der ausgelassenen Passagen fasst Sprecherin Dorothea Geipel mit eindringlichen Texten zusammen, dennoch hätte man gerne erlebt, wie Klebe Johannas Verwandlung beim Anblick Lionels in Klänge gesetzt hat.

So liegt ein großes Gewicht auf dem Inquisitionsprozess mit Mark Grishin und Jongdoo Back als Ankläger mit donnernder Stimme, bei dem Johannas Angst und Menschlichkeit schonungslos offengelegt werden.

Begeisterter Applaus im gut besuchten, aber nicht ausverkauften Konzerthaus belohnt eine eindringliche, nicht alltägliche Aufführung.

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