Augustdorf. „Die Grundlage unserer Gemeinschaft ist in Apostelgeschichte 2,42 beschrieben: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brechen des Brotes und in den Gebeten", sagt Thomas Voss. In der Christlichen Gemeinde am Inselweg (CGaml) wird die Bibel noch wörtlich ausgelegt, wie Voss, Matthias Heising und Ingo Krause vom Leitungsgremium betonen.
Die freikirchliche Brüdergemeinde sieht ihre Wurzeln im England des frühen 19. Jahrhunderts und in der deutschen Erweckungsbewegung um 1850. „Wir nennen uns Brüdergemeinde, weil wir keine hierarchische Struktur haben, sondern als Gemeinde eigen- und selbstständig sind", erklärt Krause. Deshalb gehöre man auch keinem Bund und keiner Dachorganisation an. Gleichwohl bestehen enge Kontakte zur Christlichen Verlagsgesellschaft Dillenburg, die genau wie CGamI, auf eine „sehr enge Schriftauslegung" Wert legt, wie Horst-Dieter Mellies, Beauftragter für Weltanschauungsfragen bei der Lippischen Landeskirche erklärt.
Eine kleine Gemeinschaft
Die Christliche Gemeinde am Inselweg (CGamI) hat circa 120 Mitglieder. Der Gottesdienstbesuch liegt nach eigenen Angaben bei knapp 90 Prozent. 1989 wurde die Gemeinde in Augustdorf gegründet, die Mitglieder trafen sich zunächst in gemieteten Räumlichkeiten. 2003 erstand die CGamI das Haus, das seitdem als Versammlungsstätte dient.Das bestätigen auch die drei Leiter, die betonen, dass ihre Glaubensgemeinschaft die Bibel nicht historisch-kritisch interpretiere, sondern wörtlich. „Die Bibel ist das Wort Gottes", so Krause. Aus diesem Grund gebe es auch keinerlei Sakramente bei den wöchentlich stattfindenden Gottesdiensten. „Wir feiern zwar Abendmahl, das wir aber als Gedächtnismahl verstehen", erklärt Heising. Auch glaube die Gemeinde an das allgemeine Priestertum, wonach jeder Gläubige ein Heiliger und Priester sei.
Sehr umtriebig ist die kleine Gemeinde, die 1989 gegründet wurde und keine Kindertaufe kennt, in den Angeboten. So gibt es einen Mütter-Kind-Kreis, Sonntagsschule, Jungschar, Teenie- und Jugendkreis. Auch finden wöchentliche Bibel-, Gebetsstunden und Hauskreise statt.
In den Gottesdiensten wird gesungen und musiziert. Im Chor wirkt auch Davina Sturm mit. Die 27-Jährige ist von Geburt an bei der Gemeinschaft. Sie steht nach eigenen Angaben ganz hinter ihrer Glaubensrichtung. „Ich bin aus Überzeugung hier", so die vierfache Mutter, die es schön fände, „wenn man mehr die Gemeinsamkeiten aller Christen sehen könnte, anstatt die Unterschiede".
Auf die Familie wird in der CGamI sehr viel Wert gelegt, sie gilt als Keimzelle des privaten und des öffentlichen Lebens. In der Gemeinde ist es keine Seltenheit, dass Mitglieder drei und mehr Kinder haben. Für Krause ist das auch nicht verwunderlich. Für ihn besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen religiösen Gruppen, die der Bibel einen hohen Stellenwert einräumen, und Kinderreichtum.
Ein Zusammenhang, den auch Professor Dr. Heinrich Schäfer sieht. Der Religionswissenschaftler lehrt an der Universität Bielefeld und erklärt: „Gerade Freikirchen verstehen unter dem Begriff der Familie häufig eine bürgerliche Kleinfamilie, deren Ursprung von der Bibel hergeleitet wird."
Aus diesem Verständnis entspringt bei der CGamI auch die Überzeugung, dass sowohl gelebte Homosexualität als auch Ehebruch Sünde sind. Das führe dazu, dass Mitglieder, die fortwährend in dieser Sünde lebten, vom Abendmahl ausgeschlossen würden, bis sie Buße zeigten und ihren Lebenswandel bereuten. Es gehe dabei aber nicht um Diskriminierung, denn „zum Gottesdienstbesuch sind diese herzlich willkommen", erläutert Voss.
„Diese Einstellung gegenüber Homosexualität ist in Freikirchen häufiger anzutreffen", erklärt Horst-Dieter Mellies, der betont, dass zwischen CGamI und der Landeskirche bisher keinerlei Kontakte auf ökumenischer Ebene bestehen. Etwas, worin die Gemeinde nach Aussagen von Voss momentan auch keine Notwendigkeit sieht.
Gleichwohl legen er und die anderen Leiter Wert auf die Feststellung, dass sich ihre Gemeinschaft nicht als allein selig machende Kirche sieht, also keinen Exklusivitätsanspruch habe. Die Gemeinde, die sich ausschließlich über freiwillige Spenden der Mitglieder finanziert, ist auch in der Arbeit mit Flüchtlingen aktiv. „Seit Beginn der Flüchtlingskrise bieten wir in unseren Räumlichkeiten einen Integrations- und Deutschkursus an und sind Ansprechpartner für die Ausländerbehörde, helfen bei Übersetzungen oder dem Gang zu Behörden", erläutert Matthias Heising.
Trotz aller Aktivitäten betonen die drei Leiter der Gemeinde, dass es nicht entscheidend sei, welcher Konfession man angehöre. Voss ist überzeugt: „Wichtig ist, dass das Wort Gottes nicht zu kurz kommen darf, egal wo."