Detmold/Augustdorf. Als sich Adolf Hitler am 20. Juli 1944 mit Benito Mussolini in seinem Hauptquartier zeigte, war das der letzte Beweis für das Scheitern des Attentats auf Hitler. Wenig bekannt ist, dass Mussolini am Tag zuvor in Augustdorf war.
Fotos vom 19. Juli 1944 zeigen den italienischen Diktator, der damals nur noch Chef der Marionettenregierung der Republik von Salò war, mit großem Stab im Sennesand. Es gibt sogar ein Bild, auf dem Mussolini einem Jungen am Bahnhof Sennelager ein Autogramm gibt. Wie ist es dazu gekommen?
Dies arbeitet derzeit ein Kreis engagierter Laien und Profihistoriker unter Federführung von Ingrid Schäfer in Detmold auf. Die Forschergruppe des Vereins "Freundeskreis Vittore Bocchetta - non dimenticare" untersucht die vielfältigen Spuren deutsch-italienischer Beziehungen in der Region während des Nationalsozialismus. Dabei sind sie auf Mussolinis Visite in der Senne gestoßen.
Auf dem Truppenübungsplatz wurde 1944 eine neue italienische Infanterie-Division, die Division "Littorio", für Mussolinis faschistischen Rumpfstaat Repubblica Sociale Italiana (RSI) ausgebildet. "Nach langen Verhandlungen hatte Hitler Mussolini vier Divisionen zugestanden, die dieser eigenverantwortlich einsetzen konnte", erläutert Ingrid Schäfer. Eine davon war die "Littorio"-Division, die später nach Erkenntnissen der Detmolder Historiker gemeinsam mit der SS-Panzerdvisioin "Leibstandarte Adolf Hitler" in Cuneo eingesetzt war, wo es im November 1944 zu einem Massaker kam.
Gemeinsam mit seinem Marschall Rodolfo Graziani, dem Außenminister seiner RSI und dem Botschafter sah Mussolini auf der damaligen Schießbahn "Augustdorf" (heute Schießbahn B) eine Übung mit schweren Waffen und Flugzeugen, dann paradierte die Truppe vor ihrem "Duce", bevor Mussolini in den Zug stieg, der ihn in die "Wolfsschanze" nach Ostpreußen bringen sollte. So beschreibt es Uwe Piescek in dem 1992 erschienenen Buch "Truppenübungsplatz Senne" (Bonifatius Verlag Paderborn). Dort wurde Mussolini am Nachmittag des 20. Juli erwartet. Genau um 12.42 Uhr zündete die Bombe von Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Ihr Ziel erreichte sie nicht.
Ingrid Schäfer hat einen Zeitzeugen befragen können, der bei der italienischen Division in der Senne war. Gianfranco Gibertoni aus Carpi (gestorben am 1. Januar 2006) hatte ihr berichtet, dass er zum Militärdienst eingezogen worden sei. Es sei für ihn eine Frage des Gehorsams gewesen, zur Armee zu gehen. Von Novara aus führte sein Weg per Zug nordwärts bis Detmold, von dort zu Fuß weiter zum Nordlager (heute Rommel-Kaserne) in Augustdorf, wo er am 6. Mai 1944 eintraf. Er erinnerte sich, dass er sogar Ausgangsscheine erhielt, um ins Detmolder Kino gehen zu können.
Nur wenige Kilometer entfernt in Stukenbrock vegetierten zur gleichen Zeit italienische Militärinternierte (IMI), die nicht mehr für die Faschisten kämpfen wollten, gemeinsam mit russischen Kriegsgefangenen unter schlimmsten Umständen dahin. Auch diesen Teil der Geschichte arbeiten die Detmolder auf.
Mussolini im Exil
Nachdem die Alliierten in Sizilien gelandet waren, wurde Mussolini im Juli 1943 als Regierungschef Italiens abgesetzt und festgenommen. Marschall Pietro Badoglio schloss mit den Alliierten einen Waffenstillstand. Daraufhin besetzten deutsche Truppen Italien und befreiten Mussolini im September 1943 aus seiner Haft. Er installierte in Norditalien die Repubblica Sociale Italiana, auch Republik von Salò genannt, ein von Hitler abhängiges faschistisches Regime. Mit den eigenen Divisionen wollte er aber offenbar demonstrieren, dass er noch eigenständig handeln könne und Partner an der Seite der Deutschen war.
(Quellen: Recherchen der Detmolder Historiker und Wikipedia).