Juso-Chef fordert Nachtbus von Bad Salzuflen nach Bielefeld

Bad Salzuflen. Henri Manuel Bögeholz wollte eigentlich mit dem Rad zum Interview in die Redaktion kommen, allerdings hatte er einen Platten, wie der 20-jährige Vorsitzende der Bad Salzufler Jusos erzählt. Daher habe er sich bringen lassen. Zurück will er mit dem Bus fahren. Der Öffentliche Nahverkehr vor Ort ist dem Nachwuchspolitiker ein Anliegen, aber auch über die SPD macht er sich Gedanken und natürlich über das Coronavirus.

Herr Bögeholz , wir haben jetzt 14 Uhr. Wie oft haben Sie sich heute schon die Hände gewaschen?

Henri Manuel Bögeholz : Erst gerade habe ich das von Ihnen bereit gestellte Desinfektionsmittel genutzt. Ich würde sagen, heute mindestens zehn Mal.

Corona ist das alles beherrschende Thema. Sind sie zufrieden, wie die Politik versucht, die Krise in den Griff zu bekommen?

Bögeholz : Ich denke, dass Gesundheitsminister Jens Spahn einiges verschlafen hat. Der erste Coronavirus-Fall ist Ende Januar aufgetreten, trotzdem hat er nicht zur Absage von Karnevalsveranstaltungen geraten. Mit dem Fachministerium hinter sich hätte er den Ernst der Lage durchaus eher einschätzen können.

Sie studieren an der Universität Bielefeld Jura. Welche persönlichen Auswirkungen hat die Krise auf Sie?

Bögeholz : Alle Veranstaltungen des Universitätslebens sind abgesagt, und auch der Lesesaal ist dicht. Nur da kann man online auf die wissenschaftlichen Aufsätze zugreifen, die man benötigt, wenn man sich nicht eine teure private Lizenz kaufen will. Ich habe meine Hausarbeit allerdings bereits abgegeben, insofern bin ich von den größeren Auswirkungen nicht betroffen. Ich arbeite als wissenschaftliche Hilfskraft an der Jura-Fakultät momentan eigentlich aus dem Homeoffice heraus. Da muss sich noch zeigen, wie das funktioniert.

Um Ansteckungsgefahr zu vermeiden, haben die Stadtwerke vorerst den Ticketverkauf in den Stadtbussen eingestellt und kommen damit einem Vorschlag der Jusos schon relativ nah, der auch von der SPD-Fraktion unterstützt wird. Sie fordern ein kostenloses Ticket für Schüler der Klassen 5 bis 13. Glauben Sie, dass sich perspektivisch im Rat eine Mehrheit findet?

Bögeholz : Wir werden uns im Wahlkampf dafür stark machen! Bislang bekommen Schüler nur ein Ticket, wenn sie eine gewisse Kilometerzahl von der Schule entfernt wohnen. Zu ihren sonstigen Aktivitäten wie Sport, Musikunterricht oder zivilgesellschaftlichem Engagement werden sie von ihren Eltern gefahren. Das verursacht Emissionen und Verkehr.

Was halten Sie von einem generell kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, wie er beispielsweise von Vertretern von Fridays for Future gefordert wird?

Bögeholz : Das begrüße ich. Wir brauchen die Verkehrswende weg vom Individualverkehr hin zum ÖPNV. Anders werden wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen. Deshalb setzen wir uns in Bad Salzuflen auch für mehr Park-and-Ride-Angebote und Fahrradparkhäuser ein. In unserem Nachbarland Luxemburg sehen wir übrigens, dass ein kostenloser Nahverkehr politisch möglich ist.

Weiter bringen Sie einen Nachtbus nach Bielefeld ins Spiel. Die Verwaltung hat das vor einiger Zeit schon mal durchgerechnet und befunden, dass sich das nicht lohnt – auch weil zu wenig Leute das Angebot wahrnehmen würden.

Bögeholz : Fast alle Angehörige meiner Generation aus Bad Salzuflen haben schon mal die Erfahrung gemacht, nachts aus einem Club in Bielefeld zu kommen und dann an der Bushaltestelle zu stehen, um festzustellen, dass in jedes umliegende Kaff ein Nachtbus fährt – nur nicht nach Bad Salzuflen. Für ein solches Angebot muss man Geld in die Hand nehmen, das ist uns schon klar. Ohne solche Angebote wird es aber nicht funktionieren, junge Menschen in Bad Salzuflen zu binden und zu halten. Und das ist natürlich ein Ziel, das wir als Jusos verfolgen.

Konkret schlagen Sie auch eine Verbindung des Anruf-Sammel-Taxis (AST) zur Bielefelder Stadtbahnhaltestelle in Altenhagen vor...

Bögeholz : Da die Eurobahn nicht besonders pünktlich ist, halten wir die Verbindungen nach Bielefeld für ausbaufähig. Lockhausen liegt direkt neben dem Bielefelder Stadtteil Altenhagen, ist allerdings weder mit Bus noch Bahn direkt an Bielefeld angebunden. Das wollen wir mit dem Anruf-Sammel-Taxi-Angebot ändern.

Die SPD stellt derzeit in Bad Salzuflen den Bürgermeister. Sind Sie zufrieden mit der Arbeit von Dr. Thomas?

Bögeholz : Alles in allem ja.

Was würden Sie besser machen?

Bögeholz : Das ist eine schwierige Frage. Von der Seitenlinie aus betrachtet, kann man immer viel besser machen, aber die Grundrichtung stimmt. Es wird viel vorangebracht. Das sollte auch in der kommenden Ratsperiode so bleiben.

Die Jusos haben traditionell ein kritisches Verhältnis zur Mutterpartei, das gilt offenbar nicht für Sie.

Bögeholz : Als Jusos müssen wir schon politischer Innovationsmotor unserer Partei sein, aber grundsätzlich halten wir mit der SPD zusammen.

Was ist denn momentan die größte Schwäche der SPD?

Bögeholz : Selbstverneinung. Keine Partei in Deutschland mäkelt so sehr an sich rum wie die SPD, dabei hat sie in der Koalition in Berlin viel vorangebracht, beispielsweise beim Klima.

Könnten Sie sich vorstellen, die Politik zum Beruf zu machen?

Bögeholz : Mein Ziel ist erst mal die erste juristische Staatsprüfung, später werde ich weitersehen.

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