Kritik und Lob für schwarz-grüne Koalitionsvereinbarung in Bad Salzuflen

Bad Salzuflen. Die Koalition von CDU und Grünen hat sich für die kommenden fünf Jahre viel vorgenommen. Wie berichtet, sieht die Vereinbarung der Koalitionäre unter anderem die Einrichtung eines Gesundheitscampus vor, den Ausbau von Radwegen und mehr Platz für Gewerbe. Bei allem wird der ökologische Aspekt betont. Uneingeschränkten Beifall gibt es von Umweltinitiativen und aus der Wirtschaft trotzdem nicht. Die LZ hat einige Vertreter befragt.

Petra Quandt (Bürgerinitiative Giftmülldepo-Nie ): Die Bürgerinitiative hat sich von Beginn an gegen ein Gewerbegebiet an der Leopoldshöher Straße eingesetzt. Entsprechend skeptisch sieht Petra Quandt, dass die Koalition an dem Plan festhält und das Areal vom Landesverband Lippe erwerben will. &bdquo;Wir sind gespannt auf Lösung des Spagats zwischen der Berücksichtigung der neuen Schutzansprüche der Anwohner und dem Wunsch, (...) neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen." Die Initiative begrüße aber, dass ein Bürgerdialog angekündigt werde und nicht mehr über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden solle.

Klaus Henning Wulf (Geschäftsführer Ninkaplast ): Der Chef des Küchenzulieferers findet in der Koalitionsvereinbarung grundsätzlich viele positive Aspekte, hält einiges aber für überambitioniert. &bdquo;Ob man im Bereich Parkstraße tatsächlich einen Gesundheitscampus von überregionaler Bedeutung und als Ausgangspunkt für Firmengründungen etablieren kann, wage ich zu bezweifeln." Bielefeld als Oberzentrum sei mit der medizinischen Fakultät und einer guten Förderlandschaft für Start-Up-Unternehmen für Interessenten da sicher attraktiver. &bdquo;Man sollte die Kirche im Dorf lassen", sagt Wulf und stattdessen versuchen, die Dauerprobleme der Stadt pragmatisch zu lösen, beispielsweise den Leerstand Fürstenhof. &bdquo;Bevor er noch Jahre lang weiter vor sich hin gammelt, sollte man dort attraktiven Wohnraum schaffen." Wulf findet gut, dass sich die Koalition beim geplanten Bau der B 239 n zurückhaltend gibt. &bdquo;Ich denke auch, dass man die bestehende Trasse optimiert und nicht mit aller Gewalt eine neue Strecke forciert." Der Unternehmer begrüßt, dass die Koalition Gewerbegebiete entwickeln will, merkt aber an, dass diese Ziele auch unter dem vorherigen Bürgermeister kundgetan wurden – allerdings ohne greifbares Ergebnis. Wulf erwartet, dass sich der neue Bürgermeister bei der Wirtschaftsförderung aktiv einbringt. &bdquo;Er muss das mit Leben füllen, die Koalition kann da nur flankieren."

Andreas Reibchen (Geschäftsführer Messezentrum): Der Unternehmer stellt fest, dass die Koalitionsvereinbarung eine deutlich grüne Handschrift trage. &bdquo;Die Ziele sind hehr, aber schwer umsetzbar", so Reibchen. So könne man eine Klimaneutralität bis 2030 höchstens auf Bundesebene durchsetzen, aber wohl nicht lokal. Stattdessen sollte sich die Koalition seiner Ansicht nach auf das vor Ort Machbare konzentrieren. &bdquo;Dazu gehört ein Stadtmarketing, das den Namen verdient und nicht auf ein Budget von 25.000 Euro runtergespart wurde", so Reibchen. Nur so und nicht mit einem &bdquo;Leerstandsmanagement", wie in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen, könne man Leerstand bekämpfen. Grundsätzlich findet er starre Absprachen von Mehrheiten auf kommunaler Ebene nicht sinnvoll: &bdquo;Wenn man alles vorab abspricht, braucht man keinen Rat mehr." Stattdessen sollten Entscheidungen sachbezogen getroffen werden und alle Parteien die Chance haben, Mehrheiten für gute Ideen zu finden.

Harald Kohls (BUND): Die Ortsgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland kritisiert, dass weite Teile der Koalitionsvereinbarung zu ökologischen Fragestellungen sehr allgemein gehalten seien. Der Mitgründer der Ortsgruppe, Harald Kohls, und weitere Mitstreiter fragen sich unter anderem, wie ernst gemeint die Ankündigung ist, dass die bessere Nutzung bereits ausgewiesener Wohn- und Gewerbegebiete Vorrang habe vor Neuausweisungen, wenn auf der anderen Seite das Ziel vom mehr als 30 Millionen Euro Gewerbesteuern pro Jahr ausgegeben werde (zuletzt waren es zwischen 28 und 30 Millionen Euro, die Red.). Auch den angestrebte Ausbau von Wohnraum sehen die Umweltschützer kritisch: &bdquo;Eine Initiative zur besseren Verteilung des vorhandenen Wohnraums erscheint uns viel sinnvoller." Grundsätzlich sei der allgemeinen Zielsetzung von CDU und Grünen zwar zuzustimmen. Aber: Die Radverkehrsinfrastruktur müsse engagierter ausgebaut werden. &bdquo;Alle bisherigen Pläne dazu sind unzureichend."

"Gratulation an die Grünen" Ein Kommentar von Sven Kienscherf

Zunächst muss man wohl den Grünen gratulieren. Die Koalitionsvereinbarung mit der CDU trägt deutlich ihre Handschrift. Die Fraktion scheint also gut verhandelt zu haben, ist sie mit 12 Sitzen im Vergleich zur CDU (21 Sitze) doch der deutlich kleinere Partner. Irritierend beim Lesen ist, dass die aktuelle Corona-Krise mit keinem Wort erwähnt wird, und das, obwohl die möglichen Folgen nicht nur über Gastronomen, Einzelhändlern und Hoteliers wie ein Damoklesschwert hängen. Stattdessen denken die Koalitionäre über einen elektrobetriebenen Shuttleservice von den Parkplätzen in die Innenstadt nach.

Überhaupt stellt sich die Frage, wo das Geld für solche Projekte realistischerweise herkommen soll. Ob sich alles über Fördergelder finanzieren lässt, die sie verstärkt einwerben wollen? Darüber, dass sparsames Haushalten angesagt ist, sind sich die Partner jedenfalls einig. Ob die Eintracht bei kontroversen Themen wie dem umstrittenen Gewerbegebiet Leopoldshöher Straße hält? Die Wähler der Grünen werden andere Erwartungen haben als die der CDU. Man darf auf die erste Bestandsaufnahme gespannt sein, die für Dezember angekündigt ist.

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