Grüne und CDU im Interview: „Sorge, dass Bad Salzuflen ein Freilichtmuseum wird“

Bad Salzuflen. Ein Klimaschutzkonzept wollen sie und einen ausgeglichenen Haushalt: CDU und Grüne haben sich vorgenommen, Bad Salzuflen in den kommenden fünf Jahren als Koalitionspartner im Rat gemeinsam zu gestalten. Zu tun gibt es nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden Volker Heuwinkel (CDU)und Robin Wagener (Grüne) genug. Per Videoschalte haben sich die beiden Politiker den Fragen unserer Redaktion gestellt.

Herr Heuwinkel , Herr Wagener , ist die schwarz-grüne Koalition eine politische Liebesheirat oder eine Vernunftehe?

Volker Heuwinkel: Es ist eine Vernunftehe, aber es könnte Liebe daraus werden. Herr Wagener und ich kennen uns lange und haben viele Gemeinsamkeiten festgestellt.

Robin Wagener : Es gibt ja immer zwei Seiten: Passt es inhaltlich und kommen die Personen miteinander klar? Das ist wichtig für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Auf beiden Ebenen sind wir ganz gut zusammengekommen.

Welches in der Koalitionsvereinbarung formulierte Ziel ist für Sie jeweils das Wichtigste und welches wollen Sie zuerst umsetzen?

Wagener : Nachhaltigkeit. Wir wollen ambitioniert an unsere Stadt herangehen und das nicht nur für ein paar Jahre. Wir möchten für die Stadt endlich ein Klimaschutzkonzept umsetzen, an dem wir uns auch nach fünf Jahren vom Wähler messen lassen.

Heuwinkel: Wir wollen den Gesundheitsstandort voranbringen. Ich finde es gut, dass der Bürgermeister als Idee schon den Gesundheitscampus genannt hat, da können wir mit der Nähe zur medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld und unseren Rehakliniken punkten.

Wie soll dieser Gesundheitscampus genau aussehen?

Heuwinkel: Das ist erstmal ein Arbeitstitel, man muss schauen, wie man den mit Leben füllt.

Wagener : Wir müssen sehen, welche Partner wir dazu holen, die das Ganze ausgestalten können.

Als möglichen Standort für den Gesundheitscampus nennen Sie in der Koalitionsvereinbarung die Parkstraße. Zuletzt wollte die Verwaltung dort ein urbanes Gebiet etablieren, das viele Optionen bietet – zum Beispiel Wohnen, aber auch die Ansiedlung von Gewerbe. Wie passt das zusammen?

Heuwinkel: Gar nicht. Das wird nicht funktionieren. Die Geräuschkulisse wäre überhaupt nicht kompatibel mit dem Kurgebiet. Wir müssen aus Sicht des Staatsbades schauen, was dort sinnvoll ist. Wir brauchen eine neue Idee wie den Gesundheitscampus, um den Stillstand an der Parkstraße aufzubrechen.

Mit anderen Worten wollen Sie die ganzen Planungen nun beerdigen und wieder von vorne anfangen...

Heuwinkel: Das urbane Gebiet ist einfach eine Grundlage, um neue Planungen einzuleiten und uns vom Kursondergebiet zu lösen. Wenn wir jetzt zum Beispiel ein Hotel dort entwickeln könnten oder eine Klinik, die dorthin passt, bräuchten wir über eine Wohnbebauung vielleicht gar nicht nachzudenken.

Es hat eine europaweite Ausschreibung für den seit Jahren leerstehenden Fürstenhof gegeben. Was ist daraus geworden?

Heuwinkel: Es laufen seitens des Staatsbades Gespräche mit Interessenten.

Mit einem oder mit mehreren?

Heuwinkel: Das ist ein laufendes Verfahren. Ich nehme an und hoffe, dass bald ein Ergebnis auf dem Tisch liegt.

Kommen wir noch mal etwas genereller zur Koalitionsvereinbarung: Unser Eindruck ist, dass sie einen deutlich grünen Stempel trägt. Am Ende wird es aber darauf ankommen, was umgesetzt wird. Wenn alles nach Plan läuft, sitzen Sie, Herr Wagener , aber ab Oktober im Bundestag. Ist Bad Salzuflen nur ein Sprungbrett?

Wagener : Bad Salzuflen ist und bleibt meine Heimat. Ich mache hier seit über 20 Jahren Politik. Das Ratsmandat würde ich auch gerne weiter wahrnehmen. Aber ich kann noch nicht einschätzen, ob sich das zeitlich mit einem Bundestagsmandat vereinbaren lässt.

Herr Heuwinkel , welche Teile der Koalitionsvereinbarung tragen denn eine klare CDU-Handschrift?

Heuwinkel: Wir sind eine Partei, der Wirtschaft wichtig ist, deshalb setzen wir uns für Gewerbegebiete ein. Und natürlich steht ein ausgeglichener Haushalt über allem. Ohne ihn werden wir unsere anderen Ziele nicht verwirklichen können.

Wagener : Es war bei der Erarbeitung des Koalitionsvertrags übrigens nicht so, dass jede Partei ein Kapitel geliefert hat, sondern das Erarbeiten war der spannende Teil. Auch von der CDU sind zum Thema Klima tolle Vorschläge gekommen.

Wenn das Gewerbegebiet Leopoldshöher Straße weiterentwickelt werden soll, schreit die grüne Seele aber nicht Hurra, oder?

Wagener : Nicht jeder einzelne Punkt entspricht unserer Traumvorstellung davon, was wir für die Stadt umsetzen würden, wenn wir die absolute Mehrheit hätten.

Heuwinkel: Als Realpolitiker weiß ich aber auch, dass es mit dem Gewerbegebiet dort nichts wird, wenn wir nicht die Bürger mit einbinden.

Die schwarz-grüne Koalition hat sich einiges vorgenommen, bis hin zum elektrisch betriebenen Shuttle in die Innenstadt. Wie wollen Sie das alles angesichts der angespannten Haushaltslage finanzieren?

Heuwinkel: Wir möchten unsere Einnahmen verbessern, wir wollen über 30 Millionen Euro Gewerbesteuer einnehmen. Daran werden wir uns auch messen lassen. Außerdem müssen wir schauen, ob sich womöglich der Einzelhandel beteiligt oder die Stadtwerke und das Staatsbad.

Uns hat gewundert, dass die Corona-Krise in Ihrer Koalitionsvereinbarung gar nicht vorkommt. Glauben Sie nicht, dass zum Beispiel der Einzelhandel andere Probleme hat als einen Shuttleservice?

Wagener : Wir haben eine Koalitionsvereinbarung über fünf Jahre geschlossen und wollten kein Papier, das sich nur mit dem aktuellen Problem beschäftigt. Die Corona-Krise müssen wir bearbeiten und das tun wir auch. Langfristig müssen wir aber sehen, dass wir die Innenstadt so aufstellen, dass sie ein attraktives Angebot macht. Und das wollen wir mit den Einzelhändlern gemeinsam angehen.

Heuwinkel: Meine Sorge ist, dass Bad Salzuflen sonst irgendwann ein Freilichtmuseum wird, in dem es nur noch Gastronomie gibt. Aber was Corona betrifft, waren wir vielleicht auch etwas zu optimistisch. Wir hatten beim Verfassen des Koalitionsvertrags gedacht, dass die Pandemie bis Ostern vorbei sein würde.

Das Staatsbad häuft immer noch bis zu vier Millionen Euro Defizit pro Jahr an. Wie soll es da weitergehen?

Wagener : Es gibt naturgemäß Aufgaben, bei denen leichter Einnahmen erzielt werden können als bei anderen. Wir müssen den Gesundheitsstandort so aufstellen, dass er für die Stadt insgesamt etwas Gutes abwirft und uns nicht die Bilanz einer einzelnen GmbH anschauen.

Wie zu vernehmen war, gibt es Pläne, die künftige Staatsbad-Geschäftsführung als Beigeordneten im Verwaltungsvorstand der Stadt mit den Ressorts Tourismus, Gesundheit und Kultur zu platzieren. Was soll das bewirken?

Heuwinkel: Die Kommunikation zwischen Staatsbad und Verwaltung hat in der Vergangenheit nicht funktioniert. Man könnte darüber nachdenken, mit dem Posten dort eine Schaltstelle zu schaffen.

Herr Wagener , die Grünen denken jedenfalls über einen Beigeordneten nach, der ihnen nahe steht. Sollten Sie nicht erst mal mit Sacharbeit überzeugen, bevor Sie sich um Posten kümmern?

Wagener : Wir haben uns viel vorgenommen, was wir an Sacharbeit umsetzen wollen. Ein Teil wird im Rat umgesetzt, ein Teil aber auch in der Verwaltung. Da ist uns natürlich auch der grüne Blick wichtig. Ein Posten muss aber immer Sinn machen und finanzierbar sein.

Bezahlbarer Wohnraum ist ein weiteres Thema in der Koalitionsvereinbarung. Mit dem kompletten Kauf der ehemaligen Britensiedlung von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ( BIMA ) hätte man in größerem Maß bezahlbaren Wohnraum schaffen können. Die Stadt hat das damals nicht gemacht, maßgeblich auf Betreiben der CDU.. .

Heuwinkel: Ich glaube, so schlecht entwickelt hat sich das Thema nicht. Die BIMA hat zugesagt, dass sie dort selbst etwas entwickeln will und nicht an irgendwelche Finanzhaie verkaufen möchte.

Passiert ist dort nach wie vor nichts.. .

Heuwinkel: Das stimmt.

Herr Heuwinkel , Ihre Koalition mit der SPD ging während der vergangenen Ratsperiode in die Brüche. Was wollen Sie diesmal besser machen?

Heuwinkel: Vielleicht war das Konkurrenzdenken zu groß und die Kommunikation nicht gut genug. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man gar nicht genug kommunizieren kann.Wagener: Finde ich auch.

Große Harmonie also...

Heuwinkel: Bisher noch. Schauen wir mal, wie es sich entwickelt (lacht).

Politiker sind seit mehr als 20 Jahren in der Lokalpolitik aktiv Robin Wagener mischt seit 1998 mit Unterbrechung für die grüne Ratsfraktion in Bad Salzuflen mit. Seit 2016 ist er Mitglied des Landesvorstands der Grünen Nordrhein-Westfalen. Außerdem ist er Mitglied des Kreistags und stellvertretender Landrat des Kreises Lippe. Der 40-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er arbeitet als Richter am Sozialgericht in Detmold. Wagener engagiert sich zudem in der Kirche und macht Karate.

Volker Heuwinkel engagiert sich seit 1999 für die CDU in der Kommunalpolitik, seit 2009 ist er Vorsitzender der Ratsfraktion seiner Partei. Der 55-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Heuwinkel ist Fachanwalt für Familienrecht sowie Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Gemeinsam mit seiner Frau geht er in seiner Freizeit gerne Tanzen, zudem stemmt er Gewichte.

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