Doppelinterview zur Entwicklung eines Gesundheitscampus in Bad Salzuflen

Bad Salzuflen . Wie geht es mit dem Staatsbad weiter? Wie soll sich der Gesundheits- und Tourismusstandort entwickeln? Der neue Bürgermeister Dirk Tolkemitt will zusammen mit der 1. Beigeordneten Melanie Koring und vielen weiteren Mitstreitern einen Gesundheitscampus im Kurzentrum entwickeln. Doch was ist das genau, was und wer steckt dahinter? Im Doppelinterview geben Koring und Tolkemitt im Kurhaus Antworten.

Frau Koring, Herr Tolkemitt, wir sitzen hier im Kurhaus zusammen. Was hat das mit dem Gesundheitscampus zu tun?

Dirk Tolkemitt : Das Kurhaus ist quasi der südliche Ausgangspunkt und damit ein Teil des Gesundheitscampus. Wir denken den Campus geografisch vom Kurhaus bis zum städtischen Bauhof hinter der VitaSol-Therme, sowie vom Landschaftsgarten ganz im Norden bis hin zum Kurpark. Da gehören alle Immobilien wie das Kurhaus, die Konzerthalle oder das Kurtheater mit rein. Alles hängt mit allem zusammen.

Melanie Koring : Aber wir denken auch den Wohnmobilhafen in der Flachsheide, das Sophienhaus, den Fürstenhof oder das leerstehende Grundstück der ehemaligen Klinik am Kurpark mit. In den vergangenen Jahren hat man das Kurort-Areal nie in der Gänze betrachtet. Wir wollen das gesamte Quartier zum Gesundheitscampus entwickeln.

Was ist konkret an Vorbereitungen passiert für den Gesundheitscampus?

Tolkemitt : Wenn wir mal mit dem Kurhaus anfangen: Dieses Areal wollen wir zu einem Veranstaltungs- und Tagungszentrum entwickeln. Die Grundsatzentscheidung ist im Rat gefallen, Mitte des Jahres wollen wir eine Konzeption vorlegen, dann könnten wir schon 2022 mit der Ertüchtigung des Ensembles anfangen. Wir als Stadt wollen als Ankermieter mit unseren politischen Tagungsprozessen einziehen, um Raum im Rathaus zu schaffen. Später wollen wir das Kurhaus aber auch anderen Nutzern zugänglich machen. Denn für größere Tagungen gibt es in der Stadt bislang einfach keinen geeigneten Raum. Wir müssen das Kurhaus wiederbeleben, sonst verfällt es. Außerdem kann für große Kongresse die Konzerthalle mitgenutzt werden.

Und darüber hinaus?

Tolkemitt : Darüber hinaus sind wir in intensiven Gesprächen mit den Reha-Kliniken im Ort und der Uni Bielefeld, auch mit dem Klinikum Lippe laufen bereits Abstimmungsprozesse. Aber die Entwicklungsphase dauert natürlich. Schauen wir nur auf den leer stehenden Fürstenhof. Ob der mit der vorhandenen Bausubstanz überhaupt entwickelbar ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Da müssen wir auch realistisch bleiben.

Sie sprechen den Fürstenhof an. Genauso wie die riesige Brachfläche der ehemaligen Klinik am Kurpark und dem inzwischen wieder leer stehenden Sophienhaus läge er mitten im Gesundheitscampus. Kann das Projekt überhaupt funktionieren, solange sich an dieser zentralen Stelle nichts tut?

Tolkemitt : An der Stelle wird sich erst etwas tun, wenn das Drumherum stimmt. Und dabei spielt auch der Bereich um das &bdquo;VitaSol" mit dem geplanten Thermenhotel eine Rolle.

Inwiefern?

Tolkemitt : Die Therme verzeichnete vor Corona eine deutliche Zunahme von Tagestouristen. Steht erst das geplante Thermenhotel, hätten wir eine Belebung an diesem Ende der Stadt. Gleichzeitig ist übrigens auch das DRK dabei, das Gelände des Sophienhauses zu überplanen. Auch das wird sich auf die Attraktivität des ganzen Quartiers auswirken.

Es gibt also jemanden, der sich für das Sophienhaus interessiert?

Tolkemitt : Genaueres müsste das DRK erläutern. Das Rote Kreuz fühlt sich dem Standort nach wie vor verbunden und ist in Gesprächen mit Investoren die eine Idee für eine mögliche Entwicklung des Grundstückes haben. Und auch die Idee mitgehen, das gesamte Quartier zu entwickeln.

Also könnte sich derjenige, der sich beim Sophienhaus engagieren will, auch vorstellen, sich bei der ehemaligen Klinik am Kurpark und dem Fürstenhof einzubringen?

Tolkemitt : Sich zumindest intensive Gedanken um eine Quartiersentwicklung an dieser Stelle zu machen, ja.

In welche Richtung könnte diese Entwicklung gehen?

Tolkemitt : Stichwort Forschung im Reha-Bereich: Wir möchten beispielsweise mit der medizinischen Fakultät der Uni Bielefeld zusammenkommen. Dafür brauchen wir Reha-Einrichtungen, die Forschung betreiben – die Salzetalklinik tut das beispielsweise schon in kleinem Rahmen. Wir müssen hier jetzt Kontakte herstellen und uns vernetzen. Wenn es gelingt, Bad Salzuflen attraktiv für wissenschaftliche Exzellenz zu machen, könnte hier die Keimzelle einer außeruniversitären Forschungseinrichtung wie Fraunhofer oder Helmholtz entstehen.

Aber ursprünglich war ja die Idee, im Bereich der ehemaligen Klinik am Kurpark ein Hotel anzusiedeln, dafür ist immerhin eine europaweite Ausschreibung gelaufen. Ist das Thema vom Tisch?

Tolkemitt : Im Moment halte ich den Markt für ein reines Hotel an der Stelle für schwierig, für Investoren ist das aktuell kaum vorstellbar.

Koring : Wünschenswert wäre es auf jeden Fall, auch wenn an der Therme ein neues Hotel entstehen wird.

Tolkemitt : Am Ende dürfen wir nicht nur auf diese drei Grundstücke schauen, sondern müssen Investoren eine Geschichte präsentieren, wie alles miteinander zusammenhängt.

Wie steht es um das Thema Wohnen im Bereich Parkstraße?

Tolkemitt : Ich glaube, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen müssen. Ohne eine Wohnnutzung auf dieser großen Fläche werden wir sie nicht bespielen können.

Teile des Rates wünschen sich vor allem Sozialwohnungen...

Tolkemitt : Das lernt man doch schon bei Monopoly: Parkstraße und soziales Wohnen schließen sich aus. Soziales Wohnen muss es nicht überall geben. Vielmehr müssen wir uns die Frage etwa nach Betreuungseinrichtungen für Kinder stellen, wenn Menschen in diesem Bereich arbeiten sollen.

Wenn man das alles so hört, da wird sich planungsrechtlich aber einiges tun müssen, oder? Schließlich steht im aktuellen Bebauungsplan noch &bdquo;kurortspezifische Nutzung".

Tolkemitt : Das wird so nicht bleiben können, denn sonst wären nur Kliniken oder Beherbergungsbetriebe zugelassen. Wir müssen das Thema Wohnen mit einstreuen, aber auch Praxen, Büros oder Forschungsräume zulassen wollen. Vermutlich wird es keinen Sinn machen, einen einzigen großen Bebauungsplan für das gesamte Gebiet zu machen. Stattdessen könnten wir eventuell an einigen Stellen mit vorhabenbezogenen Plänen arbeiten – mit einer vernünftigen Nutzung, die nicht nur auf das Kursondergebiet abhebt. Aber diese Nutzung, die müssen wir uns als allererstes überlegen.

Im Hoffmannspark existiert bereits ein großes Facharztzentrum. Gibt es Ideen, das in den Gesundheitscampus mit einzubeziehen?

Tolkemitt : Inhaltlich brauchen wir den Campus zum einen für die Reha-Kliniken – sowohl für stationäre als auch für ambulante Angebote. Im Hoffmannspark befindet sich viel Know-how im fachärztlichen Bereich und vor allem größere Praxiseinheiten. Eine dort eventuell vorhandene Weiterbildungsbefugnis würde auch auf den Campus ausstrahlen können. Dann könnte umgekehrt das Wissen, das sich auf dem Campus ansiedelt, auch dorthin weitergegeben und das Thema Gesundheit inhaltlich gemeinsam weitergedacht werden. Es geht um einen ganzheitlichen gesundheitlichen Ansatz. Und der Nukleus soll auf dem Campusgelände liegen.

Aktuell sind in Bad Salzuflen sieben Hausarztstellen unbesetzt. Kann der Campus auch hier ansetzen?

Tolkemitt : Wir brauchen hierfür ein Raumangebot. Im Moment ist Bad Salzuflen die Kommune mit der kleinteiligsten Praxisstruktur – keine andere Kommune in der Region hat so viele Ein-Mann- oder Ein-Frau-Praxen im hausärztlichen Bereich. Dabei sind Praxisgemeinschaften die Zukunft der Medizin. Hier müssen wir Angebote machen, damit sich insbesondere Hausärzte bei uns niederlassen. Für sie müssen wir unsere Stadt attraktiv machen.

Koring : Der Campus soll am Ende kein Wettbewerbsangebot oder Konkurrenz zu bestehenden Strukturen sein, sondern eine Ergänzung.

Zurück zum Tourismus – Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, die Marke von einer Million Übernachtungsgäste im Jahr zu knacken vor Corona waren es rund 860.000. Kommen da auch die Ortsteile zum Zug?

Tolkemitt : Da wir das Themenfeld Tourismus aus der Staatsbad GmbH ausgliedern und wieder bei der Stadt ansiedeln, werden wir die Ortsteile künftig mitdenken. Stichwort Papenhausen mit der Naturheilkunde, das Umweltzentrum Heerser Mühle, aber auch die Hotellerie außerhalb der Kernstadt. Das müssen wir alles in eine Konzeption mit einbeziehen.

Und dann soll sich auch noch die Gesetzgebung ändern. Künftig könnten ambulante Kuren wieder als Pflichtleistung der Krankenkassen gelten...

Tolkemitt : Wir müssen den Menschen zeigen, warum sie statt in die Berge oder an die See nach Bad Salzuflen kommen sollten. Dafür brauchen wir auch Angebote in der Fläche. Und wir müssen uns auf neue Klientel, was das Alter angeht, einstellen. Und: Auch die Zahl der Tages- und Wochenendtouristen steigt nun mal.

Koring : Hier kommt wieder das Kurhaus ins Spiel. Damit wollen wir künftig auch Kongress- und Tagungstouristen anlocken, was wiederum zu höheren Übernachtungszahlen führt. Wir sprechen also nicht mehr nur von der klassischen Kur.

Stichwort Wohnmobilstellplatz Flachsheide. Da ist aber auch noch Luft nach oben, oder?

Tolkemitt : Wenn das Thermenhotel kommt, könnten wir die aktuell brachliegende Parkpalette nebenan wieder zum Parken reaktivieren. Das hätte den Charme, dass man den Wohnmobilstellplatz nicht angehen müsste. Und natürlich wäre ein weiterer Ausbau und eine Ertüchtigung über die aktuellen Investitionen hinaus schön. Das kann man auf jeden Fall noch besser machen.

Aktuell wird ein dritter Beigeordneter gesucht. Was hat der künftig mit dem Gesundheitscampus am Hut?

Tolkemitt : Wir brauchen jemanden, der sich Vollzeit um dieses Projekt kümmert und den Gesundheitscampus schwerpunktmäßig angeht. Die Hauptaufgabe des Menschen, den wir suchen, ist, den Gesundheitsstandort Bad Salzuflen weiterzuentwickeln. Diese Idee muss für die gesamte Stadt betrachtet werden und nicht nur für dieses eine Campus-Areal. Wir hoffen, dass wir dafür ab Herbst jemanden haben.

Persönlich Dirk Tolkemitt ist 56 Jahre alt, verheiratet und hat drei Söhne. Er lebt in Kalletal-Stemmen. Seit 2007 war er Kämmerer und 1. Beigeordneter in der Alten Hansestadt Lemgo, seit November 2020 ist er Bürgermeister von Bad Salzuflen. Melanie Koring ist 39 Jahre alt, ebenfalls verheiratet und lebt in Lemgo. Seit gut dreieinhalb Jahren ist sie Kämmerin und 1. Beigeordnete in Bad Salzuflen, zuvor war sie vier Jahre lang Kämmerin in Oerlinghausen. Davor hat sie bereits mit Dirk Tolkemitt bei der Stadt Lemgo zusammengearbeitet. Beide sind Mitglied der CDU.

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