Bad Salzuflen. Das Schlichten liegt Thomas Kortfunke (63) im Blut. Als Kind hat er schon zwischen seinen beiden Geschwistern vermittelt, als Schüler sich für Schwächere stark gemacht. Und wenn zwischen seinen drei mittlerweile erwachsenen Töchtern ein Konflikt zu lösen war, dann war Papa genau der Richtige dafür. „Ich versuche immer, dass alle zufrieden sind. Das steckt so in mir drin", sagt er. Kein Wunder, dass Thomas Kortfunke inzwischen auch ganz professionell Streit schlichtet: Seit 1. Juli ist er Schiedsperson für Bad Salzuflen und soll in dieser Funktion Streitigkeiten außergerichtlich beilegen.
„Meine Familie meinte, das wäre was für mich, weil das genau meinem Naturell entspricht und ich doch so ein ausgeglichener Mensch bin", sagt Kortfunke. Auch viele Freunde hätte ihm dazu geraten. Am letzten Tag der Bewerberfrist – quasi auf den letzten Drücker – gab er seine Unterlagen ab. Und wurde prompt vom Rat ins Amt gewählt.
Ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht
Kortfunke hat an diesem Vormittag in sein gemütliches Einfamilienhaus eingeladen. Im Obergeschoss hat er sein Büro, im Wohnzimmer döst Hund „Filou" unter dem Klavier. Aufgewachsen ist Kortfunke in Bad Salzuflen, bis 1998 hat er das Bauunternehmen der Familie geführt. Anschließend arbeitete er als freiberuflicher Bauingenieur, ist bis heute in der Branche tätig. Privat ist er Mitglied im Rotary Club, in der FDP und sitzt als stellvertretendes Mitglied im Bauausschuss. Und: Er war in den 1990ern acht Jahre lang als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Detmold tätig.
Aktuell arbeitet er nur noch halbtags, will ein wenig kürzer treten, bis er in ein paar Jahren ganz in den Ruhestand geht. Da macht ihm das Schiedsamt jetzt allerdings einen kleinen Strich durch die Rechnung. „Das nimmt doch mehr Zeit in Anspruch, als ich gedacht hätte", sagt er. Dabei sollte das Amt für ihn eigentlich nicht zum gefühlten Zweitjob werden.
Routine muss sich erst noch einstellen
Aber Thomas Kortfunke ist keiner, der einfach hinschmeißt. Er will die fünf Jahre in jedem Fall durchziehen. Und ist aktuell dabei, sich in seine neue Tätigkeit einzuarbeiten. „Die Unsicherheit legt sich hoffentlich mit der Zeit", sagt er. Er brauche einfach erstmal die nötige Routine für den Job.
Nach der Wahl hat er seinem Vorgänger mal über die Schulter schauen dürfen, sich eingelesen. Im September hat er zudem eine eintägige Schulung in den wichtigsten Grundlagen erhalten – auch, wenn er da schon mehr als zwei Monate im Amt war und die ersten Fälle längst auf dem Tisch lagen. Die habe er dann eben „nach Gefühl" bearbeitet.
Darunter bislang: eine leichte Körperverletzung, eine Beleidigung. Ansonsten die Klassiker: Nachbarschaftsstreitigkeiten. Grünschnitt, Wegerecht und Co. – es sind viele Dinge, über die sich Nachbarn in die Haare kriegen. Aber Thomas Kortfunke hat durchaus auch Verständnis. „Oft gibt es eine Vorgeschichte", sagt er. Das aktuelle Problem sei dann nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe.
Keine schlechte Bilanz
Sein anfängliches Vorgehen „nach Gefühl" hat ihm in jedem Fall keine allzu schlechte Bilanz beschert: Von insgesamt 20 Fällen, die bislang bei Kortfunke auf dem Tisch gelandet sind, laufen zehn noch. Bei fünf konnte er eine Einigung erzielen, bei fünf musste er eine „Erfolglosigkeitsbescheinigung" ausstellen. Heißt: Diese Streithähne sehen sich vor Gericht wieder. Ein guter Schnitt? Nicht für Kortfunke. „Ich habe einen höheren Anspruch", sagt er und grinst.
Aber ihm ist auch klar: Es klappt einfach nicht immer. „Manchmal ist auch gar keine Bereitschaft da, sich zu einigen." Trotzdem zahlt es sich schon mal aus, dran zu bleiben. In zwei Fällen hat Kortfunke sogar einen zweiten Gesprächstermin anberaumt.
Er fungiert dabei immer als Moderator, versucht, ein Gespräch zwischen den Parteien zu ermöglichen, das möglichst frei von Emotionen ist. Er lotet aus, wo es Kompromisse geben könnte. Mit Erfolg: Im ersten Fall ist es doch noch zu einer Einigung gekommen. „Und der zweite Fall ist auf einem guten Weg", freut er sich. Ob er diesen Aufwand allerdings auch langfristig wird betreiben können, das sei mal dahingestellt.
Bürokratie frisst viel Zeit
Ein bis zwei Tage pro Woche sitzt er aktuell an seinen Fällen. Was die meiste Zeit frisst: die Bürokratie. Über jede verwendete Briefmarke muss Kortfunke Buch führen. Das dauert. Aber auch, weil es in Bad Salzuflen so viele Fälle zu schlichten gibt, würde er sich Unterstützung in Form einer zweiten Schiedsperson wünschen – aktuell gibt es lediglich eine Vertretung. Auch sein Vorgänger hatte das bei der Stadt schon ins Gespräch gebracht, allerdings ohne Erfolg.
„Würde ich noch Vollzeit arbeiten, würde ich das gar nicht schaffen", ist sich Kortfunke sicher. Die Stadt will das nun neu prüfen (siehe Kasten). Thomas Kortfunke hofft, dass hier ein Umdenken stattfindet – seien doch im Vergleich auch im kleineren Lemgo zwei Streitschlichter im Einsatz.
Apropos Wünsche: Thomas Kortfunke will unbedingt noch einen Lehrgang in Mediation besuchen, um Techniken zu erlernen, wie er ein Gespräch optimal führt. Und: Ein eigenes Büro, um auch mal eine Sprechstunde oder ein vertrauliches Gespräch mit den Antragsstellern führen zu können, das wäre gut. Aktuell hat er dafür keine Räumlichkeiten, muss sich für jeden Gesprächstermin einen Sitzungssaal im Rathaus reservieren lassen.
Eine sinnvolle Tätigkeit
Trotz kleinerer Hürden hat Kortfunke die Entscheidung für das Amt bislang nicht bereut. Im Gegenteil: Er ist sich sicher, dass das, was er da tut, einfach Sinn macht. „Wir sind dafür da, die Gerichte zu entlasten", sagt er. „Und ich tue etwas für die Allgemeinheit." Zudem gestalte er mit seiner Arbeit das Leben der Betroffenen ein wenig erträglicher. „Niemand muss sich am Ende in den Armen liegen. Aber eine friedliche Koexistenz muss möglich sein", sagt er. Sein Ziel ist daher immer, einen Kompromiss zu finden.
Das wird er auch an diesem Nachmittag wieder versuchen, der nächste Gesprächstermin steht an. Es ist – wie so oft – eine Nachbarschaftsstreitigkeit. Ob er eine Einigung erzielen wird? Kortfunke ist zuversichtlich. „Sonst bräuchte ich das ja gar nicht machen", sagt er und grinst.
Thomas Kortfunke darf auf Unterstützung hoffen
18 Schlichtungsverfahren sind in Bad Salzuflen 2019 gelaufen, 2020 waren es 14. Aktuell steht Schiedsmann Thomas Kortfunke in 2021 schon bei 20 Fällen, die er selbst betreu. Drei hat noch sein Vorgänger abgearbeitet.
Theoretisch könnte das Gemeindegebiet in mehrere Schiedsamtsbezirke mit jeweils einer zuständigen Schiedsperson eingeteilt werden, teilt die Stadt auf Nachfrage mit. „Die Möglichkeit, einen zweiten Bezirk einzurichten, gibt es."
Die fünfjährige Amtszeit der Stellvertreterin von Thomas Kortfunke läuft zum 1. März 2022 aus. Allerdings hat sich bis zur Frist Ende Oktober niemand für die Nachfolge beworben. Nun will die Stadt mit allen Beteiligten prüfen, ob anstatt einer erneuten Ausschreibung eines Stellvertreters direkt ein zweiter Schiedsamtsbezirk eingerichtet und dann eine weitere Schiedsperson vom Rat gewählt wird.