Von Ritualen, die Sicherheit geben: So feiern die Kinder in Grünau Weihnachten

Bad Salzuflen/ Ehrsen-Breden. Eigentlich ist Leonie (Namen der Kinder geändert) gar nicht so ein Weihnachtsfan. Aber die Spannung, die Vorbereitung, das ganze Drumherum – irgendwie findet sie es dann doch gar nicht so schlecht, gibt die 15-Jährige zu. Seit zehn Jahren lebt Leonie in der Wohngruppe Kükenbusch der Jugendhilfe Grünau. Sie kennt Weihnachten gar nicht mehr anders, sagt sie. Aber wie wird in Grünau eigentlich Weihnachten gefeiert? Die LZ durfte einen Blick hinter die Kulissen der Einrichtung werfen.

An diesem Nachmittag herrscht Trubel in der Gruppe Kükenbusch. Drei Mädchen und vier Jungs im Alter von 11 bis 15 Jahren leben hier, gleich steht die obligatorische Weihnachtsfeier an – alle Betreuer, die Kinder und ehemalige Bewohner kommen zum Plätzchenessen zusammen, es werden kleine Wichtelgeschenke verteilt und danach gehen alle gemeinsam essen.

Über Weihnachten kommt bei den Kindern viel hoch Das hat inzwischen Tradition, die Kinder können es kaum erwarten, sich schick zu machen, erzählt Tatiana Bremer. Die 33-jährige Sozialarbeiterin ist seit elf Jahren Teamleitung der Gruppe – und versucht gemeinsam mit ihren Kollegen den Kindern ein richtig schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Auch wenn das manchmal eine Herausforderung sein kann – gerade, weil die Weihnachtszeit eine so emotionale Zeit ist. &bdquo;Überall lächeln heile Familien in die Kameras“, sagt Bremer. Bei den Kindern komme da teilweise ganz schön viel hoch.

Was den Kindern helfen kann, sind feste Abläufe und Rituale, die Sicherheit und Orientierung geben. In der Gruppe Kükenbusch hat sich da in den vergangenen Jahren einiges etabliert. &bdquo;Unsere Kükenbusch-Rituale“, nennt sie Tatiana Bremer liebevoll. Die Kinder werden damit groß, sie kennen und schätzen sie – und geben sie schon ganz automatisch an Neuankömmlinge in der Gruppe weiter, erzählt Tatiana Bremer ein bisschen stolz.

Weihnachtsbasar als Startschuss Den Startschuss für die Weihnachtsvorbereitungen gibt immer der Grünauer Weihnachtsbasar vor Totensonntag. &bdquo;Damit startet dann auch die Weihnachtsaufregung“, sagt Tatiana Bremer. In der Vorweihnachtszeit wird in der Gruppe gebacken, gebastelt, Weihnachtsmusik gehört. Ein Besuch des Weihnachtstraums steht auf dem Programm, jeden Tag gab es diesmal ein kleines Weihnachtsquiz. Zwischen Weihnachten und Neujahr geht es noch in den Weihnachtszirkus nach Paderborn. &bdquo;Wir versuchen immer eine besondere Aktion in der Weihnachtszeit anzubieten“, sagt Bremer.

Auch den Baum hat man schon gemeinsam geschmückt und auf der Kommode liegen die letzten Päckchen des Adventskalenders – jeden Tag durfte ein anderes Kind ein Türchen öffnen. Und dann ist da noch das Wunschzettelschreiben. &bdquo;Dafür werden hier die Spielzeugkataloge gewälzt“, erzählt Bremer und lacht.

Über Spendenaktionen bekommen die Kindern in Grünau jedes Jahr einen Weihnachtswunsch erfüllt. Zudem gibt es noch Geschenke von den Familien und einen Gruppen-Wunschzettel, den der Grünauer Weihnachtsmann erfüllt. Oder besser die &bdquo;Weihnachtsfrau“ – Laura (11) hat ihre Betreuerinnen längst durchschaut. &bdquo;In den Heizungskeller dürfen wir jetzt nämlich auch nicht mehr“, sagt sie und lacht.

Vorfreude und Spannung sind schwer auszuhalten Eine Pferdebettwäsche hat sie sich gewünscht, bei den anderen standen in diesem Jahr unter anderem eine Halskette, Mal- und Bastelutensilien, eine Lautsprecherbox und Lego auf dem Wunschzettel. Ob alles in Erfüllung geht? Diese Spannung sei für die Kinder oft nur schwer auszuhalten, weiß Bremer. Hinzu komme die generelle Aufregung und Vorfreude. &bdquo;Die Kinder sind teils sehr überdreht und herausfordernde Verhaltensweisen werden in der Weihnachtszeit noch verstärkt“, sagt sie. Hier helfen wieder Rituale. &bdquo;Ich weiß genau, was mich erwartet und es ist gut, dass alles so strukturiert abläuft“, bestätigt Leonie. &bdquo;Ich brauche das.“

Das Weihnachtsfest selbst feiert jede Wohngruppe ganz individuell. Bei den &bdquo;Kükenbuschs“ wird am Morgen des Heiligabends immer erst &bdquo;Der Grinch“ geschaut. Nachmittags geht es in die Kirche, im Anschluss wird zusammen gegessen. Einen Braten, dazu Kartoffeln, Erbsen und Möhren haben sich die Kinder in diesem Jahr gewünscht.

&bdquo;Nach dem Essen müssen wir dann kurz auf unseren Zimmern warten“, erzählt Justus (12). Parallel werden alle Geschenke unterm Baum platziert – da kommt einiges zusammen. &bdquo;Das sieht immer toll aus“, sagt Bremer. Danach geht es endlich ans Auspacken – aber geordnet. &bdquo;Wir losen eine Reihenfolge aus und dann schauen alle zu, was die anderen bekommen haben.“

"Genauso wie bei anderen" Neben alten Hasen wie Leonie wird ein Mädchen in diesem Jahr sein erstes Weihnachten in Grünau feiern. Zwei Kinder werden aus der Gruppe Kükenbusch beurlaubt und fahren über die Feiertage nach Hause – einer von ihnen ist Paul (14). Für ihn geht es wie jedes Jahr zu den Großeltern nach Dresden, das ist ihm auch ganz wichtig. &bdquo;Ich weiß ja nicht, wie viele Weihnachten wir noch zusammen haben“, sagt er. Ein Geschenk hat er auch schon: Ein Kochbuch für seine Oma – sie kocht doch so gern, erzählt er.

Wenn man sich bei den Kindern so umhört, steht fest: Sie lieben Weihnachten. Das Baumschmücken, das Kekse verzieren, das Basteln – und natürlich die Geschenke. Und wie steht es um Vorurteile, wenn man Weihnachten eben nicht mit seiner Familie feiert? &bdquo;Meine Freunde fragen schon, was wir so machen“, erzählt Laura. Von Vorurteilen sei da aber keine Spur. Und falls es doch mal dazu kommt, hat der elfjährige Steffen eine Antwort parat: &bdquo;Es ist hier vielleicht ein anderer Ort, aber sonst ist es doch genauso wie bei den anderen. Und vielleicht sogar noch besser“, sagt er und grinst.

Sich Zeit füreinander zu nehmen, das ist Tatiana Bremer in der Weihnachtszeit mit den Kindern wichtig. In ihrer Gruppe gibt es zudem die Regel, dass jedes Kind entweder Silvester oder Weihnachten in Grünau feiert, dabei geht es auch um das Miteinander. &bdquo;Die Kinder haben hier ihren Lebensmittelpunkt und wir möchten mit ihnen hier auch die schönen Dinge feiern“, sagt sie.

Das ist für Silvester auch schon fest eingeplant: Alle Kükenbusch-Kinder werden diesmal nämlich den Jahreswechsel gemeinsam feiern. Mit Raclette und Schokobrunnen – das hat seit Jahren Tradition. &bdquo;Same procedure as every year“, eben.

Durch Spendenaktionen liegen für jedes Kind mehrere Geschenke unterm Baum In der Jugendhilfe Grünau, die zur &bdquo;Graf Recke Pädagogik“ gehört, gibt es aktuell 131 Plätze, die fast alle belegt sind, sagt Einrichtungsleitung Martina Wagner. Die Plätze teilen sich auf stationäre und teilstationäre Angebote auf – stationär gibt es 80 Plätze. Davon wird ungefähr die Hälfte der Kinder Weihnachten in Grünau feiern – manche fahren dann für einen Tagesbesuch an Weihnachten nach Hause oder bekommen an einem der Feiertage in Grünau Besuch von ihrer Familie.

In den elf stationären Wohngruppen leben derzeit jeweils vier bis sieben Kinder und Jugendliche. Dazu kommen fünf junge Erwachsene, die in kleinen Appartements betreut werden. Im Schnitt sind die Kinder und Jugendlichen, die in Grünau leben, zwischen 6 und 21 Jahre alt.

Die Unterbringung der Kinder und Jugendlichen wird von den zuständigen Jugendämtern finanziert. &bdquo;Von dort erhält jedes Kind einen extra Betrag für Weihnachtsgeschenke“, erklärt Martina Wagner. Hinzu kommen Spendenaktionen in der Region. &bdquo;Das ist eine tolle und sehr großzügige Unterstützung, so dass unter dem Weihnachtsbaum für jeden auch mehrere Geschenke liegen“, ist Wagner dankbar.

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