Bei der ICE-Trasse steht eine Vorentscheidung an

Bad Salzuflen . &bdquo;Das ist doch Wahnsinn, was die planen.“ Denkt Jürgen Rieger ( 58 ) an die neue ICE-Strecke Bielefeld-Hannover, wird ihm ganz anders. Seit Jahrzehnten wohnt er in der Siedlung Elkenbrede. Die A 2, die er an vielen Tagen gut hören kann, liegt von seinem Zuhause rund einen Kilometer entfernt. Noch viel näher würde die ICE-Trasse, auf der Züge mit bis zu 300 Stundenkilometer unterwegs sein sollen, an seine Adresse rücken. Wenn, ja wenn die Trasse künftig durch Bad Salzuflen führen würde.

&bdquo;Das muss verhindert werden“, sagt Rieger. Und Nina Otholt-Wall nickt. Die Ratsfrau der Freien Wähler unterstützt ihre Fraktionsvorsitzende Monika Prüßner-Claus, die Sprecherin der Bürgerinitiative &bdquo;WiduLand“ für die Siedlung Elkenbrede ist. Otholt-Wall und Rieger stehen auf einem Feld an der Stadtgrenze zu Herford unweit des alten Grenzsteines Lippe/Preußen. Auf der Herforder Straße, die auf Herforder Gebiet Salzufler Straße heißt, fließt ordentlich Verkehr. Trotzdem ist auch noch die Autobahn zu hören, die am anderen Ende des Feldes verläuft.

1,8 Kilometer lange Brücke Würde die neue ICE-Strecke über Salzufler Gebiet verlaufen, müsste an dieser Stelle eine kolossale Eisenbahnbrücke für vier Gleise entstehen. Sie wäre gut 1,8 Kilometer lang und 140 Millionen Euro teuer, hat ein von der Deutschen Bahn beauftragtes Gutachterbüro 2020 ermittelt. &bdquo;Das macht vielen Menschen in unserer Siedlung Angst. Sie fürchten unter anderem den Wertverlust für ihre Häuser“, sagt Monika Prüßner-Claus. Rund 2000 Menschen wohnen in der Elkenbrede. Die Häuser, die der Autobahn am nächsten sind, stehen in der Lortzingstraße. &bdquo;Von da sind es nur rund 500 Meter zur A 2“, sagt die &bdquo;WiduLand“-Sprecherin. &bdquo;Und wie nahe wäre dann eine IC-Trasse? 400 oder gar nur 200 Meter?“

Nachbarschaft in Angst Einen möglichen Wertverlust durch eine ICE-Trasse in der Nachbarschaft hat der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Land (BORIS-NRW) in seiner jüngsten Berechnung für die Elkenbrede indes noch nicht einkalkuliert. Aktuell liegt der Richtwert für die Siedlung bei 220 Euro pro Quadratmeter – ein Allzeit-Rekord. &bdquo;Vor einigen Jahren betrug er noch 130 Euro“, erinnert sich Prüßner-Claus. &bdquo;Es ist paradox. Einerseits müssen wir nach der Erhebung hier demnächst vielleicht mehr Grundsteuer bezahlen, auf der anderen Seite zögern Hausbesitzer in der Siedlung damit, in ihr Eigentum zu investieren, weil sie fürchten, dass eine ICE-Trasse die Wohn- und Lebensqualität deutlich mindern wird“, so Prüßner-Claus. Doch wann wird alles konkreter? &bdquo;Wenn ich die Stellungnahmen der Deutschen Bahn in den vergangene Wochen zusammenfasse, werden exakte Trassenvarianten irgendwann im Zeitraum von Mai bis kurz vor den Sommerferien vorgestellt“, sagt Prüßner-Claus. Fraglich, ob bis zum 13. Mai Näheres bekannt sein wird. Auf jeden Fall wird an dem Datum, einem Samstag, die Initiative &bdquo;WiduLand“ auf dem Ehrenamtstag der Stadt Bad Salzuflen von 12 bis 17 Uhr im Kurpark (Eintritt frei) vertreten sein.

Gutachten zum ökologischen Fußabdruck: &bdquo;WiduLand“-Vorsitzender Jens Köster (61), der seit vergangenem Mai im Amt ist, rechnet damit, dass die Initiative in den nächsten Monaten ein weiteres Gutachten öffentlich präsentieren wird. Nach der Entwicklung einer Alternativtrasse, die größtenteils im Bestand verläuft (wir berichteten), geht es in der neuen Expertise um den &bdquo;ökologischen Fußabdruck“, den ein Neubau der ICE-Strecke Bielefeld-Hannover hinterlassen würde. Selbiges habe die Deutsche Bahn bei ihren Untersuchungen bisher nicht berücksichtigt, sagt Köster.

Am Ende des Gutachtens, das im Übrigen auch von betroffenen Kommunen wie Vlotho oder Bad Salzuflen kofinanziert wird, wird eine Zahl stehen: die Summe an Tonnen Kohlendioxid, die ein Neubau einer viergleisigen Bahnstrecke samt Brücken und Tunneln produzieren wird. &bdquo;Und dabei wird sicher erheblich viel CO2 freigesetzt“, sagt Köster, der aus Vlotho-Exter stammt.

Nach wie vor gilt, dass &bdquo;WiduLand“, Naturschutzverbände, landwirtschaftliche Vereinigungen und betroffene Kommunen aus dem sogenannten &bdquo;Dialog“ für die ICE-Strecke Bielefeld-Hannover ausgetreten sind. &bdquo;Dies ist keine Bürgerbeteiligung, sondern eine reine Informationsveranstaltung. Solange unserer Forderungen nicht erfüllt werden, werden wir der Sache fern bleiben“, bekräftigt Köster. Zu den Forderungen zählt insbesondere, dass das Bundesverkehrsministerium von der Vorgabe einer Fahrtzeit von maximal 31 Minuten abrückt (wir berichteten). Unter dieser Prämisse kommt auch nach Ansicht der Bahn nur eine Strecke in Frage, die weitgehend neu gebaut werden müsste.

Konkrete Verläufe Auch Köster wartet jetzt auf die Bekanntgabe der DB, welche konkreten Trassen sie favorisiert. &bdquo;Nach dem, was ich bisher von Bahn-Vertretern gehört habe, soll das im Zeitraum von Mai bis Ende Juni geschehen.“ Auch ein sogenanntes Plenum für den Bürgerdialog, die laufende Nummer acht, soll demnächst stattfinden. Der Termin hierfür ist allerdings noch offen.

Im Verkehrswegeplan des Bundes heißt es zu dem Milliardenprojekt: &bdquo;Zur Beschleunigung des Fernverkehrs und zur Engpassauflösung in den Knoten Minden und Wunstorf sind zwei zusätzliche Gleise im Korridor Seelze-Bielefeld für Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h vorgesehen. Minden bleibt dabei weiterhin an das Fernverkehrsnetz angebunden. Mittels der zusätzlichen Gleiskapazitäten und einer vollen (mindestens) Viergleisigkeit zwischen Hannover und Seelze werden durch die Maßnahme zusätzlich die Engpässe zwischen Wunstorf und Hannover aufgelöst und damit die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit von Nah- und Fernverkehr gesteigert.“

&bdquo;WiduLand“ jedenfalls sieht sich für das weitere Verfahren gut gerüstet: &bdquo;Wir haben längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft und auch noch nicht alle Argumente ausgetauscht“, sagt Vorsitzender Jens Köster.

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