Trotz Long Covid: Salzuflerin erfüllt sich ihren Traum - und wird Musiklehrerin

Bad Salzuflen/Werl-Aspe. Bewusst leben, jeden Moment genießen, sich an Kleinigkeiten erfreuen. Heute kann Annette Münstermann das. Corona, Long Covid, körperliche und psychische Probleme – es liegen schwierige Zeiten hinter der 47-Jährigen. Zeiten, in denen sie fast den Mut verloren hätte. Aber sie hat es nicht getan. Und sich stattdessen allen Widrigkeiten zum Trotz sogar ihren Traum erfüllt und die Ausbildung zur Musiklehrerin durchgezogen. Mit ihrer Geschichte will sie anderen Mut machen. Denn sie ist ehrlich: &bdquo;Es war ein knüppelharter Kampf.“

Im Dezember 2020 erkrankt Münstermann, Englisch- und Religionslehrerin an der Hauptschule Lohfeld, schwer an Corona. Sie entwickelt Long Covid, fällt lange aus, Lockdown und Isolation setzen ihr psychisch zu. Sie bekommt Depressionen, baut körperlich ab. Damals, im Mai 2022, besucht die LZ die Frau mit dem herzlichen Lächeln das erste Mal in ihrem Elternhaus in Werl-Aspe. Hier lebt Münstermann heute mit ihrem Kater, im Obergeschoss hat sie ein Musik- und Katzenzimmer eingerichtet und lädt in die gemütlichen Sessel.

Bedarf an Musiklehrern ist groß 2022 geht es für sie bereits langsam aufwärts, sie beginnt wieder zu arbeiten. Und hat einen Traum: Sie will Musik unterrichten. &bdquo;Ich habe im Lockdown gesehen, wie die Kinder gelitten haben ohne Musikunterricht, ohne kreative Angebote.“ Musik sei zudem dafür da, Gefühle auszuleben, zu berühren, Blockaden zu lösen. Und der Bedarf an Musiklehrern sei über alle Schulformen hinweg groß, auch an der Salzufler Hauptschule gibt es nur eine Lehrerin für das Fach. Das will Münstermann, die für die Musik brennt, ändern.

Obwohl sie nach wie vor mit Long Covid kämpft, meldet sie sich im August 2022 für den Zertifikationskurs Musik bei der Bezirksregierung Detmold an. Die können ausgebildete Lehrer belegen, wenn sie ein zusätzliches Fach unterrichten möchten.

Einmal pro Woche findet der Kurs ganztägig im Haus der Kirche in Herberhausen statt, zudem gibt es Kooperationen mit der Detmolder Musikhochschule und mit der Uni Paderborn. Klavier und Blockflöte spielt Münstermann bereits – an den Instrumenten wird sie weiter professionalisiert. Zudem lernt sie etwa Percussion, Schlagzeug, Ukulele kennen. Sie wird in Bühnen- und Lautsprechertechnik, Stimmbildung oder Bandpraxis unterrichtet. &bdquo;Es war quasi ein komprimiertes Musikstudium.“ Ein Jahr lang geht der Kurs. Eigentlich. Denn im Februar 2023 folgt der Rückschlag.

Vorzeitiger Ruhestand wird zum Thema Münstermann steckt sich erneut mit Corona an, ist wochenlang außer Gefecht. Die Erkrankung schlägt sich auf die Bronchien, ihre aufgebaute Kondition ist passé. Sie fällt erneut lange aus, der Husten will und will nicht besser werden. Die Amtsärztin will sie schließlich sogar in den Ruhestand schicken. &bdquo;Aber das wollte ich nicht, ich bin doch noch viel zu jung.“

Sie macht den Vorschlag, erneut mit einer Wiedereingliederung zu starten, fängt nach den Sommerferien wieder in der Schule an. Doch um die Musikausbildung mit Zertifikat abzuschließen, hat sie zu lange gefehlt. Ein Jahr Arbeit, ein Jahr Selbststudium sind dahin. &bdquo;Das war ein extremer Schlag und hat mich sehr runtergezogen. Der Gedanke, aufzugeben, war da.“

Aber Freunde und auch ihre Schulleitung motivieren sie, genau das nicht zu tun. &bdquo;Und eigentlich ist das auch nicht meine Art“, sagt Münstermann. Sie entscheidet sich, durchzuziehen, die fehlenden Stunden nachzuholen. Und hält Anfang Juli dieses Jahres endlich ihr Zertifikat in den Händen. &bdquo;Ich hätte fast geweint vor Freude.“

Denn leicht sei es nicht gewesen. Ab Mittag baue sie oft ab, dann werde ihr schon mal schwindelig, sie habe nicht immer den ganzen Tag durchgehalten. Dazu die Reizüberflutung mit den vielen Menschen, viel Musik. Am Klavier verliert sie schnell die Konzentration. &bdquo;Es war eine große Herausforderung für mich“, sagt sie.

Das Positive aus all dem Negativen ziehen Aber es wird besser, langsam, Stück für Stück. Heute kann sie wieder eine Stunde Radfahren, will wieder mit ihrem geliebten Kampfsport starten. Nach wie vor ist sie in ärztlicher Behandlung, Kleinigkeiten plagen sie noch – der Husten, die Müdigkeit nach einem langen Schultag. Sie braucht viel Ruhe, genießt die Stille. Aber sie hat die Entscheidung, die Ausbildung durchzuziehen, nie bereut. &bdquo;Ich brauche die Arbeit mit den Kindern. Und es ist toll, das zu vermitteln, was man selbst so gerne mag.“ Zudem sei das Fach Musik einfach nicht zu vernachlässigen – im Gegenteil. &bdquo;Man sollte noch einen viel stärkeren Fokus darauf legen.“

Seit Dezember unterrichtet sie nun wieder in Vollzeit, zehn bis zwölf Stunden Musik wird sie voraussichtlich im kommenden Jahr geben, von Klasse fünf bis zehn. Jedem Lehrer, der Musik liebe, könne sie die Ausbildung nur ans Herz legen. &bdquo;Man muss dafür auch kein Profi an einem Instrument sein.“

Wenn sie heute auf die vergangenen Jahre blickt, zieht sie sich trotz all den Rückschlägen das Positive daraus. &bdquo;Früher war ich oft hektisch, leistungsorientiert, extrem perfektionistisch.“ Doch sie habe sich über die Pandemie gewandelt, mache sich keinen Druck mehr, lebe heute jeden Moment als wäre es ihr letzter, genieße die kleinen Dinge – die Sonne, den Garten, ihre Tiere. Gerade ihre Katzen hätten sie viel Gelassenheit gelehrt. Sie sei rausgekommen aus ihrem Hamsterrad, nehme nicht mehr alles als selbstverständlich hin, sei achtsamer. &bdquo;Und ich rege mich nicht mehr so schnell auf.“

Und sie will auch anderen Menschen mit Long Covid Mut machen, sich zu öffnen, das Gespräch zu suchen. Sich anfangs winzig kleine Ziele zu setzen, habe ihr geholfen. Die Zuversicht, dass es irgendwann besser werde. &bdquo;Und die Situation so zu akzeptieren wie sie ist.“

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