Sie sprechen bei jungen Menschen mit Zuwanderungshintergrund von "anderen Deutschen". Wieso?
Dr. Faraj Remmo: Damit sind Menschen gemeint, deren Eltern nach Deutschland gekommen sind, die aber hier aufgewachsen sind. Ich stelle die Frage nach ihrer Identität. "Andere Deutsche" ist ein politischer Begriff. Er soll darauf aufmerksam machen, dass ihre Verortung in der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt.
Inwiefern?
Remmo: Ein Beispiel: Viele werden gefragt, woher sie kommen. Die Antwort "Aus Bad Salzuflen" reicht den meisten Gesprächspartnern nicht. Diese wollen dann exotische Geschichten hören, zum Beispiel "Ich komme aus der Türkei" oder "Ich komme aus dem Libanon". Aber sie kommen eben aus Deutschland. Und beides spielt eine Rolle. Ich selbst bin weder zu 100 Prozent Kurde noch zu 100 Prozent Deutscher, sondern es gibt ein "Sowohl-als-auch". Nur haben bestimmte gesellschaftliche Bereiche damit Probleme.
Warum ist das so?
Remmo: Weil die Zugehörigkeit zu einer einzigen Gruppe nicht ausreicht, um die Identität der Menschen zu beschreiben. Deshalb sprechen wir von Mehrfachzugehörigkeit. Es gibt von mir ein Foto mit Angela Merkel, auf dem ich ein T-Shirt trage, das mit dem Spruch "I love Bielefeld" bedruckt ist. Nur ist das Herz für das Wort "love" in den Farben der kurdischen Flagge gedruckt.
Sie stoßen deshalb auf Vorbehalte?
Remmo: Ja. Es kann sein, dass die Vorurteile übertrieben werden, dann handelt es sich um Rassismus. Wenn sie untertrieben werden, ist es Ignoranz, denn wir können nicht alle gleich behandeln. Ich wünsche mir, dass noch mehr "andere Deutsche" ihren Weg in die Gesellschaft finden. Und das ist angesichts vieler Zurückweisungen schwierig für sie. Denn wie sollen sie sich mit ihrer Stadt identifizieren, wenn sie sich fremd fühlen und auch so behandelt werden?