Tiergestützte Therapie auf dem Löwenzahnhof in Barntrup

Bartntrup-Alverdissen. Lea schließt ihre Augen. In der Hand hält sie eine Gerte mit Fähnchen. Stute &bdquo;Madona" steht vor ihr. Als die 16-Jährige ihre Augen öffnet und los geht, folgt ihr das Pferd im gleichen Tempo und läuft an der Seite entlang, auf der die Jugendliche den Stab hat. Lea muss nicht an den Zügeln ziehen. Eine Übung auf dem Löwenzahnhof in Alverdissen. &bdquo;Dabei geht es um Körpersprache, Nähe und Distanz", erklärt Virginia Hein, die dort tiergestützte Therapie anbietet.

Vor drei Jahren hat die 28-Jährige den Resthof – ein Bauernhof, der nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird – zusammen mit ihrer Frau gekauft. Das Haus habe viele Jahre leergestanden. Doch für Hein, die in Alverdissen aufgewachsen ist, war es wegen der Nähe zur Natur und dem vorhandenen Stall ideal. Zunächst haben sie das Wohnhaus ausgebaut, dann war das Außengelände dran. Eine Mistkuhle musste entfernt werden. Dort ist nun ein Reitplatz entstanden. Daneben befinden sich ein Gemüsebeet, ein Schuppen, weiter hinten im Garten qualmt noch das Lagerfeuer. &bdquo;Wir haben heute Mittag Stockbrot gebacken", erklärt Virginia Hein.

Jedes Tier entscheidet selbst, wo es sein möchte

Neben Familie Hein und Irish-Welsh-Pony &bdquo;Madona", leben auch noch die Mix-Stute &bdquo;Sunny" und Hündin &bdquo;Lynn" auf dem Hof. Die Pferde können sich auf der Fläche frei bewegen, sprich der Stall steht offen. &bdquo;Jedes Tier entscheidet selbst, wo es stehen oder liegen möchte", betont Hein, der es wichtig ist, einen partnerschaftlichen Umgang mit den Geschöpfen zu pflegen.

Daher stehe das Reiten bei ihrer Arbeit keinesfalls im Mittelpunkt. &bdquo;Im Kern geht es um die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Pferde können jemanden zum Beispiel sehr gut spiegeln. Wenn er oder sie unsicher ist, sind sie es auch", beschreibt sie ihre Erfahrungen. Dann gelte es, die Betroffenen zu stärken. Auf den Hof kommen vor allem Kinder, sagt Hein. Einige leiden an der Aufmerksamkeitsdefizits- oder Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS.

Sie sollen beim Umgang mit den Tieren zur Ruhe finden, ihre Koordination trainieren. Ein Mädchen, das Schwierigkeiten in der Schule hat, komme auch zu ihr. &bdquo;Sie ist häufig demotiviert. Einmal haben wir zusammen bei den Pferden Hausaufgaben gemacht, weil sie das vorgeschlagen hat. Das hat sie angespornt", erzählt Hein erfreut.

Patienten jeden Alters

Dass die Patienten das Programm mitgestalten, sei ihr wichtig. &bdquo;Andere suchen Selbstbewusstsein und um den Pferden zu signalisieren ,Du bleibst hier jetzt stehen muss man sich schon behaupten." Aber auch Erwachsene kommen zu ihr, wie beispielsweise eine Mutter mit ihrer Pflegetochter im Babyalter, um die Bindung zueinander zu stärken. Auch eine ältere Dame mit einer zittrigen Hand nutze die tiergestützte Therapie, um ihre Motorik zu fördern. &bdquo;Ihre Hand wird ruhiger, wenn sie mit der Bürste über das Pferd streicht", so Hein.

Es gibt auch Gruppenangebote, in denen es um das Miteinander geht. Da werden sich schonmal gegenseitig Komplimente gemacht – auch dem Pferd. Es gibt Ausritte in die Natur und Übernachtungen auf dem Heuboden. Mehr als ein bis zwei Termine pro Tag plant Hein aber nicht ein. &bdquo;Sonst wird es zu viel für die Pferde." Wenn eines der Tiere an einem Tag nicht gut drauf sei, müsse es auch nicht mitmachen. Die gelernte Erzieherin betreibt den Hof nur nebenberuflich. Ihr Hauptjob ist die ambulante Familienhilfe. Während der Ausbildung habe sie jedoch angefangen, sich für tiergestützte Therapie zu interessieren und dazu eine Weiterbildung über 14 Monate in der Region Hannover gemacht.

Der erste Kontakt entsteht meist im Stall

Die Besucher des Hofs lernen, auf die Pferde zu achten, ihre Sinne einzusetzen und so das Verhalten der Tiere zu deuten. &bdquo;Die Kinder haben da ein gutes Auge für", meint Hein, die sich als Vermittlerin sieht. Sie erklärt: Das größte Dankeschön, das ein Pferd den Besuchern machen kann, ist, wenn es ein Bein abstellt und den Kopf hängen lässt.

Dann ist es entspannt – so wie bei Lea, als sie &bdquo;Madona" putzt. Pflege und Versorgung der Tiere gehörten zu jeder Einheit dazu – manchmal auch das Ausmisten. Im Stall entsteht meist der erste Kontakt.

Konzentration ist gefragt

Bei Lea war es anders, sie wohnt direkt nebenan und hat gefragt, ob sie einfach mal vorbei kommen kann. &bdquo;Ich mag Pferde und die Arbeit auf dem Platz", erzählt sie. Hein erklärt: &bdquo;Wir bauen Parcours auf, longieren – aber nicht klassisch, sondern über die Körpersprache." Lea habe &bdquo;große Fortschritte gemacht bei der Freiarbeit, wie zum Beispiel beim Wegschicken und Ranholen ohne am Halfter zu ziehen.

&bdquo;Am Anfang sind sie immer gegeneinander gelaufen", sagt die 28-Jährige, schaut Lea an und beide müssen lachen. Jetzt sei das Verständnis füreinander besser. &bdquo;Ich kann dabei entspannen, weil ich mich konzentrieren und alles andere – wie zum Beispiel die Schule – ausblenden muss, um mit dem Tier Erfolg zu haben", erklärt sie. Das zeigt sich beim Training. Als Lea kurz wegsieht, weil sie ein lautes Geräusch gehört hat, klappt die Übung mit &bdquo;Madona" nicht.

Zum Abschluss soll die 16-Jährige die Stute über einen großen Treckerreifen führen – zum ersten Mal. &bdquo;Madona" stoppt vor dem Hindernis. Es ist ihr offensichtlich nicht geheuer. Lea schafft es (noch) nicht, das Tier zu motivieren. Prompt kommt von hinten &bdquo;Sunny", die heute nur Zuschauerin war, ganz langsam und stupst die Stute an, die sich dadurch tatsächlich bewegt. Nächstes Mal will es Lea ohne Unterstützung ihrer Pferdefreundin probieren.

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