Stadt Barntrup übt Vorkaufsrecht aus: Ärger um Grundstücke in der Unteren Straße

Barntrup. Wer schon mal ein Haus oder eine Wohnung verkauft hat, weiß, welch bürokratischer Aufwand damit verbunden ist. Was viele aber möglicherweise gar nicht wissen: Erfährt die Stadt oder Gemeinde vom Verkauf, kann sie sich unter Umständen mit einem Vorkaufsrecht einschalten. Aus Barntrup erreichte die Redaktion kürzlich ein regelrechter Hilferuf zu genau diesem Thema. Bürgermeister Borris Ortmeier erklärt deshalb, was es mit der dortigen Ausübung des Vorkaufsrechtes auf sich hat und was die Stadt vorhat.

Aber der Reihe nach. Familie Atif, die derzeit noch in Dörentrup wohnt, hat vor einiger Zeit ein Haus in der Unteren Straße erworben. Nach einem Notartermin meldete sich allerdings die Stadt. Die plant, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Eine politische Entscheidung dazu steht bisher allerdings aus.

Nun aber gibt es ein großes Problem: Die Familie hatte, wie sie auf Nachfrage erzählt, ihre alte Wohnung bereits fristgerecht gekündigt. Weil nun allerdings unklar ist, ob die Familie das Haus in Barntrup überhaupt kaufen kann, wendet sich ihre derzeitige Vermieterin an die LZ. Denn die hat inzwischen neue Mieter gefunden. Heißt: Familie Atif muss Ende Mai aus der gekündigten Wohnung ausziehen und hofft nun, dass die Stadt sich entweder zeitnah äußert, ob sie tatsächlich von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen wird oder dass sich schnell eine Alternative in Form eines anderen Hauses findet.

Vor rund vier Wochen habe die Stadt Bescheid über den Kauf der Familie bekommen, erklärt Borris Ortmeier. Weil das Gebäude in einem sogenannten Sanierungsgebiet liegt, sei es ein normaler Vorgang, dass die Stadt zunächst prüfen kann, ob sie vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen möchte. Denn das habe sie längst nicht überall. Sanierungsgebiete werden durch die Kommune per Sanierungssatzung ausgewiesen, die es in Barntrup laut Ortmeier bereits seit 15 Jahren gibt. Zwei solcher Gebiete gibt es in Barntrup: im Zentrum und in Sonneborn. Und in ersteres fällt auch die Untere Straße.

Politik muss entscheiden Unklar ist aber eben noch, ob die Stadt das Haus letztlich wirklich kaufen wird. "Zum Gebäude gehören auch eine gewerbliche und eine landwirtschaftliche Fläche", erklärt der Bürgermeister. "Möglicherweise kommt auch nur eine der Flächen infrage." Das letzte Wort bei der Entscheidung habe der Haupt- und Finanzausschuss, der nun eine sogenannte Ermessensentscheidung treffen muss. Bedeutet: Die Politik muss festlegen ob und in welchem Rahmen die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen soll. Immerhin sei ein Kauf auch mit einer finanziellen Belastung für die Stadt verbunden. Eine Entscheidung könne sich allerdings noch einige Wochen hinziehen. Zu lang für Familie Atif, die nun händeringend nach einer Lösung sucht.

Die Familie fragt sich unterdessen auch, warum die Stadt sich nicht eher eingeschaltet hat, immerhin stünde das Haus schon lange zum Verkauf. "Wir bekommen eine Mitteilung, wenn ein Gebäude in der Stadt an einen Käufer übergehen soll", erklärt Borris Ortmeier. Es sei unüblich, dass zuvor immer wieder überprüft werde, wo Häuser zum Verkauf stehen. Unweigerlich stellt sich aber selbstverständlich auch die Frage, was die Stadt mit den Häusern vor hat. "Im Großen und Ganzen geht es um die Erhaltung des historischen Stadtbildes und seiner Gebäude", erklärt der Bürgermeister. Genau aus diesem Grund seien seinerzeit die Sanierungsgebiete festgelegt worden, die ein solches Vorkaufsrecht rechtfertigen. Darüber hinaus werde beispielsweise Wohnraum für Geflüchtete benötigt.

Für Familie Atif bedeutet das allerdings nun, dass sie bereits in wenigen Tagen aus ihrer jetzigen Wohnung ausziehen muss und nicht, wie geplant, in das Haus in Barntrup ziehen kann. Eine Übergangslösung für die insgesamt acht Leute inklusive Baby gebe es derzeit nicht, erzählt die Familie auf Nachfrage.Wer der Familie also ein Haus oder eine Wohnung kurzfristig zur Verfügung stellen kann, darf sich gerne bei der Redaktion melden.

Kein Kaufvertrag, kein Geld Familie Atif ist allerdings nicht die einzige, bei deren Haus sich die Stadt eingeschaltet hat. Laut LZ-Informationen gibt es in der Unteren Straße ein weiteres Gebäude, das die Stadt kaufen möchte. Borris Ortmeier bestätigt: "Im Januar hat der Haupt- und Finanzausschuss entschieden, dieses Haus per Vorkaufsrecht zu erwerben. Drei Monate habe die entsprechende Fachabteilung zuvor - bevor dann die Politik entscheidet - Zeit zu prüfen, ob sie vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen will. "Weil seitens der Eigentümer aber inzwischen Klage eingereicht worden ist, ruht das Verfahren", erklärt der Bürgermeister. Sprich: Der Kauf ist noch nicht abgewickelt, der Kaufvertrag kann nicht geschlossen werden bis das Verwaltungsgericht in Minden entschieden hat. Und so lange werde auch der Kaufpreis nicht gezahlt.

Vorkaufsrecht dient dem "Wohl der Allgemeinheit" Nicht in jedem Fall haben Kommunen ein Vorkaufsrecht. Dazu müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, wie Matthias zu Eicken vom Verband "Haus & Grund" erklärt. Zum Beispiel, dass das Gebäude eben in einem sogenannten Sanierungsgebiet liegt, der Nutzung öffentlicher Zwecke (Straßen oder Grünanlagen) oder dem Hochwasserschutz dient. Dann rechtfertigt der Kauf durch die Stadt oder Gemeinde "das Wohl der Allgemeinheit". Jüngstes Beispiel in Barntrup ist die Zigarrenfabrik, die die Stadt per Vorkaufsrecht erworben hatte, um den dortigen städtebaulichen Missstand zu beseitigen. Der Verkauf war gegen den Willen des Eigentümers.

Das Vorkaufsrecht kann übrigens auch nach der Unterzeichnung durch Käufer und Verkäufer noch von der Kommune wahrgenommen werden. "Ein solches Verfahren kann einen Verkauf natürlich verzögern", erklärt Matthias zu Eicken. Erst mit der Eintragung ins Grundbuch wird die Kommune offiziell Eigentümer. Erst dann übernimmt sie alle Rechte und Pflichten, so auch die Grundsteuer und Versicherung. Dass Kommunen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, komme eher selten vor, erklärt zu Eicken. In größeren Städten sei das häufiger der Fall.

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