Jürgen Berghahn: Seit elf Jahren Landtagsabgeordneter - und Ortsvorsteher in Istrup

Blomberg-Istrup. Wenn man es genau nimmt, wohnt Jürgen Berghahn gar nicht in Istrup. Die kleine Siedlung, in Istruper Kreisen &bdquo;Klein Jerusalem" genannt, liegt an der viel befahrenen Ostwestfalenstraße, noch einige 100 Meter vor dem eigentlichen Ortsschild. Quasi zwischen Blomberg und Istrup. Und hier ist der 60-Jährige auch aufgewachsen. Berghahns Haus liegt in zweiter Reihe in &bdquo;Klein Jerusalem", das seinen Namen bekommen hat, weil die ersten Siedler Ähnlichkeit mit orthodoxen Juden hatten. Gerade rechtzeitig vor der Corona-Pandemie ist die Sanierung des Zweifamilienhauses fertig geworden. Berghahn und seine Frau sind ins Erdgeschoss gezogen, der Sohn hat sich das Obergeschoss nach seinen Wünschen ausgebaut. Im weitläufigen Garten gibt es einen Pool und einen großen Teich mit Fischen. Eine Wohlfühloase jenseits der lauten Landstraße. Wenn man auf der Terrasse sitzt, kann man den Verkehrslärm hören. Doch die Berghahns haben sich längst daran gewöhnt.

Viel zuhause ist Jürgen Berghahn ohnehin nicht. Noch sitzt er für die SPD im Landtag in Düsseldorf – und das seit 2010. Eine Zweitwohnung in der Landeshauptstadt hat er nicht, er pendelt. Das heißt: Morgens um kurz nach 4 aus den Federn, eine Stunde später im Auto, zwischen 19 und 22 Uhr Rückkehr ins Lippische. Montags und freitags versucht er für Termine in seinem Wahlkreis frei zu halten. Sechs bis achtmal im Monat bleibt er in Düsseldorf, weil sich die Heimfahrt zwischen den Terminen nicht lohnt. Und jetzt auch noch Berlin im Visier: Gerade haben ihn seine lippischen Genossen zum Kandidaten für die Bundestagswahl gekürt. Berlin oder Düsseldorf – wenn es klappen sollte im Herbst mit einem Mandat im Bundestag, wird sich nichts daran ändern, dass er selten zuhause ist. Die Fahrt hingegen wäre entspannter, dank einer guten Zugverbindung.

Sein Amt als Ortsvorsteher, das er seit 16 Jahren inne hat, will er behalten:&bdquo;Für mich sind die Gespräche mit den Menschen vor Ort wichtig, egal ob zum Geburtstag oder Ehejubiläum. Es ist toll, mit den Älteren über die Vergangenheit zu sprechen", sagt er. Näher an den Bürgern als als Ortsvorsteher kann man kaum sein.

Berghahn lebt in seinem Elternhaus. Wenn man ihn fragt, was das schlimmste Ereignis für ihn als Ortsvorsteher war, kommt es wie aus der Pistole geschossen: Die Grundschulschließung. Er stemmte sich seinerzeit mit den Dorfbewohnern gegen die Entscheidung des Rates, gegen seine Genossen. Die Istruper organisierten Proteste, schalteten einen Anwalt ein – genützt hat es nichts. Das sei ein &bdquo;herber Rückschlag" gewesen, erinnert er sich. Immerhin: &bdquo;Das hat den Ort zusammengeschweißt. Und ich bin froh, dass das Gebäude sinnvoll als Altenpflegeschule genutzt wird."

Wenig Schlaf Die zentrale Ortslage, die Istrup in Sachen Schulentscheidung zum Verhängnis wurde, weil die Randgebiete gestärkt werden sollten, hat zumeist Vorteile. Zum Beispiel, sagt der Ortsvorsteher stolz, gebe es keine Probleme mit Leerständen – verkehrsgünstig gelegen zwischen Lemgo, Detmold und Blomberg, mit guter Busanbindung, ist Wohnraum begehrt. Ein paar Grundstücke im Innenbereich gibt es noch, ein neues Baugebiet könnte jenseits des Sportplatzes entstehen, es ist als Bauerwartungsland ausgewiesen.

Ach ja, der Verkehr: &bdquo;Die Ostwestfalenstraße ist eben Fluch und Segen zugleich", sagt der Anlieger, der es wissen muss: 80 Meter von seinem Haus entfernt rollen 15.000 Fahrzeuge täglich über die Landesstraße, darunter ein Großteil Schwerlastverkehr. In Sachen Ortsumgehung schiebt sich derzeit dennoch nichts. &bdquo;Wenn die Umgehung Barntrup-Selbeck fertig ist, wird das Thema sicherlich wieder Fahrt aufnehmen", glaubt er.

Für den Einzelhandel im Ort könnte das zum Problem werden. Andrerseits: Viel hat der mit 1550 Einwohnern größte Ortsteil nicht mehr zu bieten. Es gibt den Bäcker mit seinem angeschlossenen Lebensmittelbereich, einen Schnellimbiss, eine Tankstelle mit Werkstatt, das war’s. Die Kneipen sind alle zu, und die legendäre Pommes-Schmiede Martha am Ortsausgang ist ebenfalls längst Geschichte. Die zentrale Lage bleibt auch hier nicht folgenlos, zum Einkaufen sind die Bewohner schnell in der Stadt.

Dagegen ist das Vereinsleben rege, auch wenn coronabedingt gerade nichts läuft und das alle zehn Jahre stattfindende Heimatfest 2021 abgesagt wurde. Es gibt den TuS Blau-Weiß Istrup, den Heimatverein, das Rosenrott, das zum Alten Blomberger Schützenbataillon gehört, und den Elferrat. Und Jürgen Berghahn mittendrin: Er ist ein Vereinsmensch, saß schon mal in der Kutsche beim Schützenfest und mag Karneval.

Besonders viel Schlaf scheint der 60-Jährige bei all seinen Aktivitäten nicht zu brauchen. Und wenn er dann doch einmal die Füße hochlegen kann, findet er in seinem Garten Entspannung. Und das Rauschen des Verkehrs? Daran hat er sich längst gewöhnt.

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