Aus Alt mach Neu: Mode-Textil-Designerin aus Steinheim setzt auf Nachhaltigkeit

Blomberg-Reelkirchen/Steinheim. &bdquo;Ich habe einfach nichts zum Anziehen“. Wer kennt ihn nicht, diesen Gedanken, obwohl er vor einem prall gefüllten Kleiderschrank steht? Die Jeans ist alt, das T-Shirt inzwischen viel zu klein, der Rock nicht mehr modern und das Kleid war ja ohnehin ein Fehlkauf, das noch mit Preisschild am Kragen sein Dasein auf dem Bügel fristet. Die Sachen haben ausgedient und zack landen sie im Altkleider-Container.

Doch das muss nicht sein: Mode-Textil-Designerin Laura Schlütz aus Steinheim zeigt, dass es auch anders geht: Bei einem Upcycling-Workshop des Vereins &bdquo;Wasserschloss Reelkirchen“ haucht die 32-Jährige gemeinsam mit den Teilnehmerinnen alten Klamotten neues Leben ein. Damit werden nicht nur besondere Einzelstücke kreiert, zusätzlich wird auch noch die Umwelt geschont.

Ein leichter Stoff, hellblau-kariert und mit Rüschen verziert: Diese Tasche ist nicht nur hübsch anzuschauen, sondern auch sehr praktisch, da sie viel Stauraum bietet. &bdquo;Ideal für den Strand“, sagt Laura Schlütz. Dort würde sicher niemand ahnen, dass der modische Beutel in seinem ersten Leben ein Herrenhemd gewesen ist.

Auch die Teilnehmerinnen des Workshops haben ein ausrangiertes Hemd mitgebracht, um daraus etwas ganz Neues zu gestalten. Dr. Sigrun Brunsiek, Vorsitzende des Vereins &bdquo;Wasserschloss Reelkirchen“, versucht sich ebenfalls am Upcyceln. Statt mit den Armen schlüpft sie mit den Beinen in das Oberteil. Ein Rock soll es nämlich werden. Die Ärmel zieht sie nach innen, denn die werden als Taschen umfunktioniert.

Kleiderkammern und Tauschschränke bevorzugt &bdquo;Das Hemd gehörte mal meinem Sohn“, erzählt Barbara Braunbehrens. Daraus hat sich die Blombergerin nun eine Bluse genäht. Blaue Stoffelemente mit floralem Muster, einst ein Morgenmantel, sorgen an Schultern und Ärmeln für einen besonderen Hingucker. Barbara Braunbehrens freut sich schon darauf, ihr Upcycling-Ergebnis bald ausführen zu können.

Es wird genäht, geredet und gelacht: Der Workshop macht den Frauen sichtlich viel Spaß. Sie haben Freude daran, sich kreativ auszuleben. Doch vor allem gefällt ihnen der nachhaltige Aspekt, wie sie erklären. Eine Teilnehmerin kauft schon lange keine Kleidung mehr im Handel, erzählt sie. Stattdessen bevorzuge sie Kleiderkammern und Tauschschränke.

Designerin verursacht keinen Textilabfall Der nachhaltige Gedanke spielt auch bei der Arbeit und im Leben von Designerin und Künstlerin Laura Schlütz eine wesentliche Rolle. In ihrem Atelier in Steinheim produziert sie unter dem Lable &bdquo;machart manufaktur“ so genannte Zero-Waste-Fashion - bei der Herstellung der Kleidung verursacht sie also keinen Textilmüll. Das funktioniere über geometrische Schnittteile und viel Experimentieren. &bdquo;Es ist eigentlich wie ein großes Puzzle“, erklärt die Steinheimerin und lacht.

Im Zeitalter von Fast-Fashion - und sogar Ultra-Fast-Fashion - wo es darum geht, Kleidung schnell und billig in Ländern wir Indien und Bangladesch zu produzieren, setzt Laura Schlütz hingegen auf textile Nachhaltigkeit. Deswegen arbeite sie nur mit ausgewählten Materialien, wie sie berichtet. So wolle sie eine neue Wertschätzung für Stoffe schaffen.

2700 Liter Wasser für die Produktion von einem T-Shirt In der konventionellen Bekleidungsproduktion würden bereits 15 bis 20 Prozent Schnittabfall im Zuschnitt anfallen, führt Laura Schlütz weiter aus. Die Designerin wirft weitere Zahlen in den Raum, die die Teilnehmerinnen aufhorchen lassen. So würden jedes Jahr weltweit etwa zwei Milliarden T-Shirts produziert. Für die Herstellung eines T-Shirts würden 2700 Liter Wasser verbraucht. &bdquo;Damit kann ein Mensch seinen Wasserbedarf drei Jahre lang stillen“, so der erschreckende Vergleich.

Eine Jeans lege 55.000 Kilometer zurück, bis sie im Kleiderschrank hängt. Die Designerin macht deutlich, dass es ihr nicht um Verbote oder dergleichen gehe. Vielmehr wolle sie die Menschen sensibilisieren: &bdquo;Brauche ich wirklich 40 billige T-Shirts oder reichen vielleicht zehn von guter Qualität?“

Ausstellung soll zum Nachdenken anregen So hat Laura Schlütz eine Ausstellung ins Leben gerufen, die die Besucher zum Nachdenken anregen soll. Sie heißt so, wie die Fabriken der Textilproduktion in Fernost umgangssprachlich genannt werden: Sweatshop (deutsch: Ausbeuterbetrieb). Für die Ausstellung wird ein leer stehendes Ladenlokal genutzt. Das Schaufenster suggeriert eine konventionelle Neuereröffnung eines Bekleidungsgeschäfts samt rotem Teppich, der zum Eingang führt.

Doch statt in eine schillernde Modewelt tauchen die Besucher in die Arbeitsbedingungen und Lebensrealitäten der Arbeiterinnen aus Fernost ein: schlechtes Licht, Lärm von Nähmaschinen und Gebläsen, lautstarke Ermahnungen von Vorgesetzten, unerträgliche Hitze. &bdquo;Im Raum hängen 75 Shirts an der Decke, das entspricht der Menge an textilen Müll, die ein durchschnittlicher Europäer pro Jahr verursacht - 11,2 Kilogramm.“

Die meisten Besucher würden es nicht sehr lang in der Ausstellung aushalten, erzählt Schlütz. Die Arbeiterinnen hingegen müssten täglich zwölf Stunden unter diesen Umständen arbeiten. Der Mode-Textil-Designerin ist der künstlerische Bildungsauftrag bei ihrer Arbeit sehr wichtig: &bdquo;Es hilft ja nicht, wenn nur ich so arbeite. Das Thema muss in die Gesellschaft.“ Deswegen bietet sie unter anderem auch Workshops und Projekte für Kinder und Jugendliche an.

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