Weit weg von Downton Abbey: Wie es sich im Wasserschloss Reelkirchen so wohnt

Blomberg-Reelkirchen. Leben im Schloss? Klingt wie ein Klein-Mädchen-Traum. Da muss Sigrun Brunsiek lachen. &bdquo;Ich als Prinzessin? - Niemals. Aber ich muss zugeben: Ich wollte in meiner Jugend immer schon mal wissen, wie es da drin aussieht.“ Denn ihre Jugend hat Kunsthistorikerin Sigrun Brunsiek in Tintrup verbracht. Dass sie mal mit ihrem Mann Josef Spiegel, promovierter Historiker und Absolvent der Kunstakademie in Düsseldorf, ein ganzes Schloss besitzen würde, das hätte sie sich nun wirklich nicht vorstellen können.

Wer sie besucht, lässt sein Auto am besten draußen an der Mühlenstraße in Reelkirchen stehen. Nur wenige Schritte führen auf die Brücke über den Schlossgraben, dann umfängt der Schatten der mittelalterlichen Tordurchfahrt den Besucher und der Blick fällt auf den weitläufigen Vorhof. Im Hintergrund springt derweil der schlichte weiße Bau mit den 18 großen Fenstern an der Vorderfassade ins Auge.

Kein Butler in Sicht Die Zufahrt schlägt einen eleganten Bogen. Mögen auch früher feudale Herrschaften die Freitreppe hinaufgestiegen sein - die jetzigen Besitzer haben so gar nichts Prätentiöses an sich. Und natürlich ist da kein Butler, die die Gäste abfängt. Noch bevor die Besucherin klingeln kann, öffnet die Schlossherrin die Tür, strahlt und sagt: &bdquo;Kommen Sie rein.“

Geradeaus führt eine Holztreppe mit schön geschnitztem Geländer ins erste Obergeschoss, in dem sich auch das legendäre Tapetenzimmer befindet. Nach rechts aber öffnet sich die Tür in ein großes, aber sehr behagliches Wohnzimmer. Die hohen Fenster an zwei Wänden lassen das Dezemberlicht hinein. Mittendrin ein niedriger Couchtisch und viel Platz auf Sofas und Sesseln. Es wäre noch mehr Platz auf den Sitzmöbeln, wenn nicht einige Flächen von Büchern und Bildbänden okkupiert wären - dass hier ein kulturaffines Paar wohnt, lässt sich nicht leugnen.

Gerade hat sich auf einem der Sofas auch noch eine Katze gerekelt, aber die verlässt angesichts der Besucherin erst einmal den Raum. Es ist angenehm warm, wer hier zugige Fenster erwartet hat, der irrt. Wie um alles in der Welt bekommt man so hohe Räume denn so schön beheizt? &bdquo;Das ist das Beste: Wir haben eine Wandheizung, die unter dem Lehm verlegt ist. Das gibt eine wunderbare Raumatmosphäre.“ Dank einer zusätzlichen Glasschicht sind die denkmalgeschützten Fenster dicht, &bdquo;und wir verbrauchen nur noch halb so viel Heizungsöl“.

Jahrelanger Aufbau Von dieser heimeligen Atmosphäre war allerdings noch nichts zu spüren, als die beiden sich 2013 in das Abenteuer Wasserschloss stürzten: Einfachverglasung, Schäden am Fachwerk, innen wie außen sanierungsbedürftige Wände, eine marode Elektrik: Bis all das auf Vordermann gebracht war, hat es Jahre gedauert. Jahre, in denen das Paar Brunsiek/Spiegel, das damals noch im Künstlerdorf Schöppingen im Münsterland wohnte, jedes Wochenende nach Reelkirchen kam, um an diesem Traum zu arbeiten.

Schnell fanden sich Mitstreiter, die sich auf der Baustelle nützlich machten. Menschen, die einen alternativen Lebensstil pflegen und ihrer kreativen Ader freien Lauf lassen wollten. Platz gabs schließlich genug, immerhin verfügt das Wasserschloss über &bdquo;25 bis 30 Räume“. &bdquo;Immer, wenn wir über die Gräfte fuhren, hatten wir das Gefühl, ein neues Kapitel in einer Soap Opera zu erleben“, Sigrun Brunsiek muss bei der Erinnerung lachen. &bdquo;Wir haben schon alles erlebt. Von ,zahlt keine Miete’ bis ,nervt’“. Ein buntes Völkchen von Individualisten mit vollkommen unterschiedlichen Lebensentwürfen, die sich diese Schlossinsel peu á peu zu eigen machten.

Konflikte gabs natürlich, &bdquo;damit muss man dann einfach umgehen“, sagt Josef Spiegel. &bdquo;Ich glaube, das Geheimnis unseres Erfolges ist, dass wir kein festes Reglement haben. Daraus ergibt sich, dass man kommuniziert.“ Dass die beiden ein so offenes Haus pflegen, ist für sie ganz normal. &bdquo;Toleranz ist eine Lebenseinstellung.“

Mittlerweile hat sich eine etwa zehnköpfige Schlossgemeinschaft gebildet. Neben den 120-Quadratmetern, die die Schlossbesitzer mit ihrem Sohn bewohnen, gibt es ein Air-BnB-Zimmer und drei Appartements im Obergeschoss. &bdquo;Jeder hat seine Privatsphäre“, auch wenn die Türen gefühlt jedermann offenstehen.

Ein Ort für kulturellen Austausch Der Inselcharakter spielt eine große Rolle, eine eigene kleine Welt, die manchmal so fern von all den Verrücktheiten dieser Zeiten zu sein scheint. Dass all das nur funktioniert, weil Sigrun Brunsiek und Josef Spiegel im Hintergrund Netzwerke pflegen, Fördermittel beschaffen und als Motoren des 2013 gegründeten Vereins &bdquo;Wasserschloss Reelkirchen“ immer wieder neue Impulse geben, bekommt der Außenstehende so nicht mit.

Im Dorf fühlen sich die beiden gut angenommen. &bdquo;Es ist wie ein Marathonlauf“, sagt Josef Spiegel. &bdquo;Hier kommen viele außergewöhnliche Leute her, die etwas eigen sind. Man muss erst mal Erfolge aufweisen, dann kommt die Akzeptanz.“

Und Sigrun Brunsiek ergänzt: &bdquo;Für uns ist das jetzt nicht nur ein Ort zum Wohnen, sondern auch unser Arbeitsplatz. Und darüber hinaus ist hier im Torhaus ein Dritter Ort entstanden, der dem kulturellen Austausch dient. Das ist genau das, was wir wollten“, da sind sich die beiden einig. Und das scheint das eigentliche Privileg in diesem Schloss zu sein: dass ein Traum wahr geworden ist.

Wie sich all das entwickelt hat, lässt sich im neuesten Buch aus der Feder von Sigrun Brunsiek und Josef Spiegel nachlesen: &bdquo;Feldwege zur Kunst“ lautet der Titel, &bdquo;Wasserschloss Reelkirchen - ein Ort für Kultur und Begegnung.“

Weit weg von Downton Abbey: Wie es sich im Wasserschloss Reelkirchen so wohnt

Verrückte Geschichte: Darum kommt in Reelkirchen der Klang aus acht Ecken

„Feenhafter Flashmob“ und skurrile Kunst beim Sommerfest am Wasserschloss in Reelkirchen

Aus Alt mach Neu: Mode-Textil-Designerin aus Steinheim setzt auf Nachhaltigkeit

Mach was Verrücktes: Verein Wasserschloss Reelkirchen und Stadt hecken ein Abenteuer aus

Autofahrer täuscht bei Kontrolle in Blomberg medizinischen Notfall vor

Vorsicht vor Betrug - so sehen die echten Ableser der Blomberger Versorgungsbetriebe aus

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus