Verrückte Geschichte: Darum kommt in Reelkirchen der Klang aus acht Ecken

Blomberg-Reelkirchen. Treffen sich zwei im Wasserschloss, gehen zu einer Haushaltsauflösung und entwickeln eine Idee. Jetzt wird daraus Wirklichkeit. Auf die zwei Sätze ließe sich die Geschichte reduzieren, aber die lange Version ist viel interessanter. Denn sie zeigt, wie verschlungen die Wege der Kunst manchmal sein können.

Eigentlich stammt Felix Bes aus Frankreich, aber seine Mutter ist Irin. Und wahrscheinlich hätte er es sich nie träumen lassen, dass er eines Tages mal in einem Wasserschloss wohnen und ungewöhnliche Klangräume erschließen würde. Dazu wäre es auch nie gekommen, wenn er nicht vor sechs Jahren Down Under in Australien Sunna begegnet wäre, der Tochter von Sigrun Brunsiek und Josef Spiegel - den Bewohnern des Wasserschlosses Reelkirchen.

Sunna nahm den jungen Franzosen mit nach Lippe, wo er Teil der Wasserschloss-Gemeinschaft wurde. Klänge sind seine Leidenschaft. &bdquo;2020 habe ich meine Ausbildung zum Tontechniker gemacht“, erzählt er beim Ortstermin. 2025 war er als DJ beim Schlossbeben auf Burg Sternberg, elektronische Musik begeistert ihn, er präsentiert sie auch auf Instagram.

Zwei Klangbegeisterte unter sich Derweil traf der Endzwanziger im Schloss auf einen weiteren Musikbegeisterten: Peter Kornatz ist zwar eigentlich technischer Zeichner, hat aber den Beruf für ein Weilchen auf Eis gelegt, um der Musik, seinem Bauwagen und &bdquo;meinem alternativen Lebensstil“ zu frönen, wie er sagt. Der 33-Jährige hat sich selbst das Schlagzeug Spielen beigebracht und spielt mittlerweile in einer 2021 in Dalborn gegründeten Band, &bdquo;La Grange“, deren Repertoire von Experimental, Psychedelic, Rock, Blues, Indie bis Reggae reicht, mit interpretierten Covern, eigenen Kompositionen und Improvisationen.

Sigrun Brunsiek ist die Schwester seiner Mutter und er einer der Schlossbewohner der ersten Stunde. &bdquo;In dieser Umgebung finden ständig kreative Prozesse statt“, schwärmt die Schlossherrin. Und so ist sie Feuer und Flamme für &bdquo;Oktasound“, jenes Klangprojekt, das ihr Neffe und sein Freund Felix am Samstag, 13. Dezember, in der evangelisch-reformierten Kirche Reelkirchen präsentieren wollen.

Der Name ist Programm: &bdquo;Oktasound“ steht in diesem Fall nicht für den Produktnamen eines achteckigen Lautsprechers, sondern für die acht Lautsprecher, die die beiden Tonkünstler im Kirchenraum aufstellen wollen. Doch kommt nicht aus jedem Lautsprecher dasselbe - dann hätten sich die beiden den Aufwand wohl sparen können: Zugrunde liegen acht Tonspuren, alle sorgfältig gemischt vom Tontechniker Felix.

Greifbare Musik Die Idee &bdquo;achteckiger Musik“ ist übrigens nicht neu: Bereits der deutsche Komponist Karl-Heinz Stockhausen hat 1991 die von Kritikern als bahnbrechend bezeichnete elektronische Komposition &bdquo;Oktophonie“ (1991) erschaffen. Diese wurde für acht Lautsprecher konzipiert, um Klänge räumlich zu bewegen und eine &bdquo;oktaphonische“ (achtfache) Klangstruktur zu schaffen, die ein 360-Grad-Hörerlebnis ermöglichten sollte und Teil seines Opernzyklus &bdquo;Licht“ war.

&bdquo;Allerdings glaube ich, dass unser Projekt für die Zuhörer sehr viel leichter zugänglich sein wird“, betont Peter Kornatz. Wie er darauf kommt? - Hier geht es nicht nur um Musik, sondern um Klang, und zwar um sehr vertrauten Klang: &bdquo;Wir haben ganz unterschiedliche Geräusche aufgenommen, die typisch für die Umgebung des Wasserschlosses sind“, erläutert der Tonkünstler. &bdquo;Beispielsweise das Plätschern des Wassers ist ja hier ein ganz wesentliches Element der Geräuschkulisse. Das macht das Ganze viel greifbarer.“

Nur dass Felix Bes diverse elektronisch erzeugte Elemente hinzugefügt hat, etwa Synthesizer, Chorus-Delay-Effekte und Modulationen. Acht einzelne Tonspuren haben die beiden gemeinsam erarbeitet, und bei der Aufführung in der Kirche soll aus jedem der acht Lautsprecher eine davon kommen, um gemeinsam ein Klanggebäude zu bauen, das auch noch von Lichteffekten untermalt wird.

Im Achterpack war’s billiger Aber wie kommt man auf so eine für den normalen Musikliebhaber doch eher ungewöhnliche, um nicht zu sagen, verrückte Idee? Da muss der gebürtige Tintruper lachen: &bdquo;Offen gestanden: Ich war bei einer Haushaltsauflösung, da standen die Lautsprecher zum Verkauf. Ich wollt einen oder zwei nehmen, aber da hieß es: Wenn ich alle nehme, wird es günstiger.“

Und schwups, kam eine Idee zur anderen. Wie das Ganze sich nun am Samstag, 13. Dezember, anhören wird, wissen die beiden noch nicht, denn vorerst haben sie nur im Torhaus geübt. &bdquo;Interessant wird dann, wie das im Zusammenspiel mit der kircheneigenen Akustik wirkt“, Peter Kornatz ist gespannt. Die Generalprobe ist für Freitag vorgesehen.

Wer gern das Ergebnis hören und sehen möchte, ist für Samstag auf 19 Uhr in die Reelkirchener Kirche eingeladen. &bdquo;Das Ganze dauert etwa eine Stunde. Anschließend laden wir zum Zusammensein bei Glühwein und Snacks in den Dritten Ort beim Torhaus ein“, sagt Sigrun Brunsiek.

Verrückte Geschichte: Darum kommt in Reelkirchen der Klang aus acht Ecken

„Feenhafter Flashmob“ und skurrile Kunst beim Sommerfest am Wasserschloss in Reelkirchen

Aus Alt mach Neu: Mode-Textil-Designerin aus Steinheim setzt auf Nachhaltigkeit

Chor „Pop-Up“ brilliert in der Kirche Bergkirchen

Domrémy in Detmold: Vom Jubel zur Forderung nach dem Scheiterhaufen

Kirchenmusik in Bad Salzuflen: Vier Solisten, Chor und Orchester begeistern

Wie eine Kunstausstellung im „delikat“ in Detmold Vergangenheit und Gegenwart verbindet

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus