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Verteidiger stellt Strafanzeige wegen Presseartikels

Silke Buhrmester

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Der Angeklagte Reinhold Hanning zu Verhandlungsbeginn am achten Prozesstag im Gerichtssaal. - © Bernhard Preuß
Der Angeklagte Reinhold Hanning zu Verhandlungsbeginn am achten Prozesstag im Gerichtssaal. (© Bernhard Preuß)

Detmold. Ein Presseartikel vom Februar, in dem etliche Details über die Vernehmung seines Mandanten Reinhold Hanning durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft im Jahre 2014 auftauchten, hat Verteidiger Andreas Scharmer auf den Plan gerufen. Während des achten Verhandlungstages im SS-Prozess gegen den Lagenser Reinhold Hanning hat Scharmer deshalb Strafanzeige gestellt und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gefordert.

Reinhold Hanning steht als ehemaliger SS-Wachmann im Vernichtungslager Auschwitz wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170.00 Fällen vor Gericht.

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Wer hatte dem Journalisten die detaillierten Informationen über die Vernehmung aus dem Jahr 2014 zugespielt, die er in seinem Bericht öffentlich machte? Als "undichte Stelle" kämen die Rechtsanwälte, die die Nebenkläger vertreten, die Staatsanwaltschaft, die Richterinnen oder aber die polizeilichen Ermittler in Frage. Der "Whistleblower" habe eine Straftat begangen: Den Verrat von Privatgeheimnissen, so Scharmer, der den Paragraphen 203 des Strafgesetzbuches zitierte.

Scharmer und sein Kollege Johannes Salmen hatten bereits am ersten Verhandlungstag gefordert, die Vernehmung im Rahmen des Verfahrens juristisch nicht zu verwerten. Begründung: Der heute 94-jährige Angeklagte Hanning sei damals gerade von einem Arztbesuch heimgekehrt und von den Ermittlern überrumpelt worden.

Während des achten Prozesstages kam zudem erneut eine Holocaust-Überlebende zu Wort: Hedy Bohm (87) aus Totonto berichtete, wie sie mit ihren Eltern Ende Mai 1944 nach Auschwitz deportiert worden war. Ihre Eltern wurden dort ermordet, Hedy Bohm selbst, damals gerade 16 Jahre alt, überlebte das Vernichtungslager drei Monate und wurde Ende August 1944 zur Zwangsarbeit nach Fallersleben bei Wolfsburg deportiert. Dort befreiten sie Amerikaner im April 1945.

Nach dem derzeitigen Fahrplan des Gerichts unter Vorsitz von Anke Grudda soll Ende April noch ein weiterer Holocaust-Überlebender in den Zeugenstand gerufen werden, der in Ungarn lebt. Dr. Christoph Rückel, der mit seinem Kollegen Dr. Stefan Lode drei Nebenkläger aus den USA vertitt, beantragte für seine Mandanten - ebenfalls Holocaust-Überlebende - darüber hinaus deren Vernehmung in ihrer Heimat. Sie seien auf Grund von Alter und Krankheit nicht in der Lage, nach Detmold zu kommen, ihre Aussagen seien aber wichtig, um "die unendliche Grausamkeit und den kalten und tödlichen Zynismus der mitwirkenden Wachmannschaften" durch persönliche Worte zu illustrieren.

Zudem beantragte Rückel, das "Auschwitz-Album" als Beweismittel zuzulassen. Das "Auschwitz-Album" enthält Fotos von SS-Männern, die die Zustände im Vernichtungslager dokumentieren. Es wurde 1945 von Lili Jacob während ihrer Haft im KZ Dora-Mittelbau entdeckt und 1980 der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem übergeben. Laut Rückel liegt es in digitaler Form vor und könnte im Rahmen des Verfahrens für alle Prozessbeteiligten und Zuschauer an die Wand projiziert werden.

Der Prozess wird am Freitag, 15. April, fortgesetzt. Dann wird der Historiker Dr. Stefan Hördler als Sachverständiger gehört. Hördler ist Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora.

Information
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