Dr. Felix Klein über Krolzig-Urteil: „Worten können schreckliche Taten folgen“

Detmold. Der Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die Beleidigung &bdquo;selbstgefälliger frecher Juden-Funktionär" ist volksverhetzend und beleidigend. Damit ist klar: Der Vorsitzende der Rechten, Sascha Krolzig, muss hinter Gitter und ist mittlerweile inhaftiert. Er hatte den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Detmold/Herford, Matitjahu Kellig, mit diesen Worten tituliert. Die LZ bat den Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland, Felix Klein, um eine Einschätzung.

Herr Kellig spricht von einem Meilenstein. Hat es denn schon vergleichbare Urteile gegeben? Dr. Felix Klein: Erst vor Kurzem ist ein Arzt und früherer AfD-Funktionär aus Hannover vom Amtsgericht Burgwedel zu einer Geldstrafe verurteilt worden; dieser hatte Politiker etwa als &bdquo;jüdische Arschkriecher" bezeichnet oder von &bdquo;schmarotzenden jüdischen und zionistischen Ratten" gesprochen. Wie beurteilen Sie nun diesen Richterspruch? Klein: Ich begrüße die Entscheidung ausdrücklich. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – der Senat hat aber deutlich gemacht, dass Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gilt. Wo gehen die Schranken runter? Klein: Einschränkungen sind rechtlich zulässig, wenn Äußerungen die Schwelle zu einer Verletzung oder konkreten Gefährdung von Rechtsgütern überschreiten. Das kann der Fall sein, wenn sie einen gegen bestimmte Personen oder Gruppen gerichteten hetzerischen, die Friedlichkeit der öffentlichen Diskussion verletzenden Charakter aufweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat nun festgestellt, dass dies hier zutrifft. Wie ist dieser im Kontext der Ereignisse etwa in Halle vor einem Jahr einzuordnen? Klein: Ich bin froh, dass das Bundesverfassungsgericht in dieser Deutlichkeit die Verurteilung des Beschwerdeführers bestätigt hat. Der Terroranschlag in Halle wie auch der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Lübke haben gezeigt, dass aus Worten und kruden im Internet verbreiteten Verschwörungsmythen schnell schreckliche Taten werden können. Ich erinnere an ein Zitat von Victor Klemperer: &bdquo;Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da." Welche Konsequenzen wird dieser Spruch aus Karlsuhe haben? Klein: Die Entscheidung bestätigt mich in meinem Ansatz, den Antisemitismus umfassend zu bekämpfen; nicht nur den gewaltbereiten, sondern auch den mit Worten und auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Macht er also anderen Mut? Klein: Ich ermutige die Betroffenen, Anzeige bei antisemitischen, volksverhetzenden oder beleidigenden Äußerungen zu erstatten. Mit dem in Kürze in Kraft tretenden Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass antisemitische Motive strafverschärfend gewertet werden können. Es ist es von hoher Bedeutung, dass bei einigen Generalstaatsanwaltschaften, auch in Nordrhein-Westfalen, Antisemitismusbeauftragte ernannt worden sind. Wie oft erfahren Sie von Beleidigungen dieser Art? Klein: Ich erfahre häufig von antisemitischen Äußerungen, die nicht immer zur Anzeige gebracht werden. Sind die also möglichweise gar nicht strafbar? Klein: Auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle erfolgen antisemitische Angriffe, die es zu bekämpfen gilt. Deswegen unterstütze ich den Aufbau eines bundesweiten Meldesystems zur Erfassung antisemitischer Vorfälle. Ich bin mit den Ressorts und mit Abgeordneten im Gespräch, um eventuelle Strafbarkeitslücken bei antisemitischen Beleidigungen zu beseitigen.

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