Studentin wird 2004 am Detmolder Bahnhof brutal überfallen

Detmold. Tanja H.* macht sich in der Nacht des 4. Aprils 2004 alleine auf den Weg zum Detmolder Bahnhof. Sie kommt von einer Party und möchte nach Hause fahren, als sie sich dem leeren Bahnsteig nähert. Plötzlich hört sie Schritte. Jemand nähert sich der 23-jährigen BWL-Studentin von hinten. Ein Mann überfallt die junge Frau, entreißt ihr die Handtasche und wird übergriffig. Vor Gericht steht Aussage gegen Aussage, denn der Tatverdächtige Christian U. bestreitet die Vorwürfe vehement bis zum Urteil.

Sexuelle Nötigung und Raub, lautet die Anklage. Christian U. will davon nichts wissen: "Wenn ich eine Frau hätte haben wollen, hätte es viele in den Bars gegeben, die ich am Abend besucht habe", wird er in dem damaligen LZ-Bericht vom ersten Verhandlungstag zitiert. Er habe lediglich mit anderen in seinen Geburtstag hinein gefeiert. Vom Bahnhof aus habe er dann in den frühen Morgenstunden des 4. Aprils ein Taxi bestellt und in der Telefonzelle eine Handtasche gefunden, die er an sich nahm. Auf dem Weg nach Hause sei das Taxi dann jedoch von der Polizei gestoppt worden, die ihn mit auf die Wache nahm, wird Christian U. in dem LZ-Bericht weiter zitiert. Später wird bei ihm ein Blutalkoholwert von 2,6 Promille festgestellt.

Tanja H.s Version der Geschichte ist eine völlig andere. Als sie die Schritte hinter sich hört, versteckt sie sich hinter einem Wartehäuschen. "Dann habe ich gesehen, dass der andere mich bemerkt hat, bin auf ihn zu und habe ihn weggeschubst. Ich habe mal gelesen, dass man in solchen Situationen aggressiv reagieren soll", sagt sie damals vor Gericht. Das habe leider nicht zum Erfolg geführt, und der Angreifer habe sie auf eine Bank zerren können. "Er hat versucht mich anzufassen und mir über der Kleidung an die Brust gefasst", schildert sie mit zitternder Stimme, wie es in dem alten LZ-Bericht geschrieben steht. Sie ist sich ganz sicher, dass Christian U. sie überfallen hat.

Verteidigung möchte einen Freispruch Doch eine direkte Gegenüberstellung mit dem Tatverdächtigen hat es nie gegeben und die Beschreibung seiner Kleidung scheint nicht übereinzustimmen. Die Verteidigung fordert deshalb einen Freispruch: "Zu viele Ungeklärtheiten" seien in dem Prozess zu Tage getreten. Zum einen kritisiert sie, dass Tanja H. ihren Angreifer bei der Polizei lediglich auf einem Foto auf dem Bildschirm einer Digitalkamera identifiziert habe. Zum anderen habe Tanja H. die Kleidung ihres Angreifers als dunkel beschrieben, obwohl sie hell war, da Christian U. an dem Abend eine grüne Hose und eine kakifarbene Jacke trug.

Kein Grund für Staatsanwalt und Richter die Schuld des Tatverdächtigen anzuzweifeln. Die Lichtverhältnisse am Bahnhof seien an jenem Abend zu schlecht gewesen. Und: "Die Zeugin hat den Angeklagten als alkoholisiert beschrieben. Er soll Körpergeruch gehabt haben, war klein und feingliedrig gebaut. Der Geschädigten wurden zwei Fotos gezeigt. Es bestehen also keine Zweifel, dass sei den Angeklagten eindeutig identifiziert hat", wird der damalige Richter in dem alten LZ-Bericht zitiert.

Außerdem zweifelt er stark an der Version des Angeklagten, in welcher dieser behauptet, die Handtasche in der Telefonzelle gefunden zu haben. "Den unbekannten Täter, der die Handtasche raubt und in eine erleuchtete Telefonzelle stellt, ohne etwas herauszunehmen, kann es nicht geben. Wenn er sie hätte verschwinden lassen wollen, hätte er sie einfach wegschmeißen können", wird der Richter zitiert. Und weiter: "Wir können hier keine Märchen glauben."

So fällt das Urteil im Sinne der Anklage: Zwei Jahre und drei Monate Haft wegen versuchter sexueller Nötigung und Raubes für Christian U. "In anderen Verfahren würden noch größere Zweifel auftreten. Die Geschädigten seien dann 'total ungeschützt und müssten mit ansehen, wie Täter trotz eindeutiger Identifizierung frei herumlaufen'", heißt es dazu im alten LZ-Bericht. Ihre Handtasche hat Tanja H. mit dem gesamten Inhalt wiederbekommen.

*alle Namen von der Redaktion geändert

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