Naturfilmer Robin Jähne: „Es war ein Geschenk, in Lippe aufzuwachsen"

Detmold. Naturfilmer Robin Jähne ist für seine Projekte teilweise weltweit unterwegs, fährt Tausende Kilometer. Doch auch die Tier- und Pflanzenwelt vor seiner Haustür im Lipperland bringt ihn ins Schwärmen. Warum das so ist, und auch, weshalb Naturschutz gerade vor Ort so wichtig ist, erklärt er im Interview zum Doppeljubiläum 900 Jahre Lippe/50 Jahre Kreis.

Herr Jähne , Sie haben als Naturfilmer schon in Äthiopien, Madagaskar, Australien oder dem Oman Flora und Fauna vor der Linse gehabt. Ist Lippe im Vergleich dazu nicht langweilig?

Robin Jähne : Ganz im Gegenteil. Ich schwärme für diese exotischen Landschaften, das ist immer ein tolles Abenteuer. Aber wenn man dann wiederkommt, dann weiß man das Lipperland noch einmal besonders zu schätzen.

Das müssen Sie erklären.

Jähne : Wenn man genau hinguckt, sieht man hier mindestens genauso viele interessante Vorgänge in der Natur wie zum Beispiel an einem Wasserloch in Äthiopien. Wir haben hier wirklich auf kleinem Raum neben der Kultur auch sehr viel Natur und viele schöne, sogar auch exotische Ecken. Das ist etwas Besonderes. Und Tiere, die mindestens genauso interessant sind wie Larvensifakas in Madagaskar. Ich kann auch hier immer wieder Neues erfahren, selbst wenn ich zum 50. oder 100. Mal einen Fuchs filme. Auf einmal lernt man neue Facetten kennen, entdeckt neues Verhalten. Von daher wird es auch hier nie langweilig. Ich schwärme für den Kreis Lippe, hier bin ich der Natur nah.

Woher kommt diese Begeisterung für Flora und Fauna?

Jähne : Schon als kleiner Junge habe ich es geliebt, mir Sternbilder anzuschauen oder Wetterphänomene zu beobachten. Ich war gerne draußen im Wald oder auf dem Feld unterwegs, um zu schauen, was da so kreucht und fleucht. Da war es ein Geschenk, dass ich hier in Lippe auf dem Land aufwachsen durfte. Und es reifte immer schon der Wunsch, diese Begeisterung für die Natur mit anderen Menschen zu teilen und auch bei ihnen zu wecken.

Dürre, Borkenkäfer, kahle Flächen – jeder kann sehen, dass die Wälder in Lippe massiv gelitten haben. Sie schauen von Berufs wegen noch etwas genauer hin. Wie hat sich die lippische Natur in den vergangenen Jahren verändert?

Jähne : Sie hat sich sehr stark verändert. Und zwar in ganz verschiedenen Bereichen. Es wird offensichtlich, wenn die Bäume absterben, wenn Gewässer wie der Norderteich oder der Haverkampsee austrocknen und dort tote Fische herumliegen oder wenn Bäche so zurückgehen, dass die meisten Steine im Trockenen liegen. Das ist früher auch schon mal passiert, aber inzwischen leider regelmäßig zu beobachten. Und das ist bedenklich.

Wie sieht es mit der Tierwelt aus?

Jähne : Man sieht die Veränderung auch dort. Ein Beispiel: der Kuckuck. Der ruft halt nicht mehr aus dem Wald im Frühjahr. Das liegt daran, dass seine Wirtsvögel durch die wärmeren Temperaturen früher mit dem Brüten beginnen. Wenn er dann aus dem Süden wiederkommt, kann er ihnen keine Eier mehr unterschieben. Das heißt, es gibt keinen Nachwuchs. Dafür verbreiten sich andere Arten, die sonst vielleicht nur im mediterranen Raum heimisch waren. Und nicht über alle können wir uns freuen. Es wandern zum Beispiel auch Mückenarten ein, die tropische Krankheiten übertragen.

Aber auch heimische Arten wie Schwarzstörche, Biber und Luchs sind zurückgekehrt. Können Sie noch ein paar gute Nachrichten über Lippes Natur nennen?

Jähne : Auf jeden Fall! Stichwort Naturschutzgroßprojekt bei Oerlinghausen. Dort wurde eine ganze Reihe von seltenen Arten nachgewiesen, die vorher nur noch in einzelnen Exemplaren vorhanden oder sogar über Jahrzehnte verschwunden waren. Und die sind jetzt auf einmal wieder da, wie der Gartenrotschwanz. Ich war ganz selig, als ich vor Beginn des NSG mal einen im Stapel gesehen habe – und jetzt gibt es davon Dutzende. Und als ich mal mit der Kamera unterwegs war, dachte ich, ich seh nicht richtig: Ich habe einen Kurzflügler (ein Insekt; Anm. d. Red.) gefunden, den ich bis dahin nur von Abbildungen kannte, und der tobte da munter durch einen Kuhfladen. Für Ostwestfalen galt der als verschollen und ist jetzt in den letzten Jahren öfter wieder gesichtet worden.

Was bedeutet es für die heimische Natur, wenn solche Arten wieder auftauchen?

Jähne : Das bedeutet, dass trotz allem noch Hoffnung besteht und dass es wichtig ist, Oasen zu schaffen, die diese Arten wieder besiedeln können. Wir haben in Lippe eine ganze Reihe davon, zum Beispiel im Teutoburger Wald oder in den Wäldern in Extertal. Wenn wir ein bisschen was für unsere Landschaft tun, dann werden solche Arten auch wiederkommen und sich vermehren.

Sie haben kürzlich an der zweiten Lippischen Artenschutzkonferenz teilgenommen, bei der die Biodiversitätsstrategie des Kreises Lippe fortgeschrieben wurde. Ist so ein Vorhaben auf lokaler Ebene überhaupt sinnvoll?

Jähne : Es macht gerade auf lokaler Ebene Sinn. Man kann sehr viel von oben aufoktroyieren. Wir benötigen aber Lösungen und Strategien, die auf die speziellen Gegebenheiten vor Ort eingehen.

Haben Sie ein Beispiel?

Jähne : Es gibt ein mir bekanntes Vorkommen der Schlingnatter. Diese Schlange liebt Freiflächen, auf denen sie sich sonnen und auf Temperatur kommen kann. Wenn man einen Waldweg, auf dem die Schlingnatter vorkommt, für Fahrzeuge sperrt, dann wächst dort &bdquo;das Gemüse“ hoch – dann ist die Schlingnatter weg. Wenn man die Autos weiter fahren lässt, dann kann zwar mal eine Schlingnatter überfahren werden, aber der Lebensraum bleibt erhalten. Oft ist so eine pragmatische Lösung besser als Stilllegungen und Sperrungen. Die können manchmal auch nach hinten losgehen, weil sie den Lebensraum zu sehr verändern.

Wenn Sie nicht gerade in Sachen Naturschutz unterwegs sind: Wie sieht Ihr Alltag als Naturfilmer aus?

Jähne : Welcher Alltag? (lacht) Klare Strukturen gibt es nicht. Die Natur hält sich nicht an bestimmte Stunden des Tages oder an Sonntage. Manchmal steht man vor Sonnenaufgang auf, um etwas zu filmen, manchmal verlagert sich die Tätigkeit in die Nacht. Es gibt aber drei Schwerpunkte: Erstens die Arbeit am Computer – Schnitt, Organisation, Bürokram. Der zweite ist das Drehen draußen, um Aufnahmen zu sammeln. Der dritte ist die Werkstattarbeit, bei der ich neue Technik entwickle oder Dinge baue, die mich bei den Dreharbeiten unterstützen. Eine vierte Sache wäre noch die Vortragstätigkeit, das macht auch unheimlich Spaß. Die schönsten Momente ereignen sich aber, wenn man draußen unterwegs ist. Vor allem, wenn man auf der Suche nach ungewöhnlichen Dingen ist und fündig wird.

Und wie finden Sie die?

Jähne : Ich bekomme Tipps von Förstern, Jägern, Naturschützern und Landwirten. Für meine Lieblings-Uhu-Aufnahmen hat mich ein Förster angerufen und gesagt: &bdquo;Du, ich hab hier eine Bodenbrut, bist du interessiert?“ Gerade hier im Lipperland, wo ich zu Hause bin, habe ich natürlich gute Connections. Da sind viele Förster und Naturschützer, die mich unterstützen und berichten, wenn sie etwas beobachtet haben. Für eine Szene in meinem aktuellen Projekt über Gewitter, Tiere und Natur bin ich fünf-, sechsmal bis zum Bodensee gefahren, bis es geklappt hat.

Können Sie Beruf und Freizeit überhaupt trennen, oder halten Sie auch bei einem Spaziergang ständig Ausschau nach Filmmaterial?

Jähne : Ich kann es schon genießen, wenn ich etwas Schönes sehe, ohne Frage. Aber ohne Kamera bin ich nicht zu haben, die ist immer am Mann, sonst fühle ich mich unwohl.

Ein Gedankenspiel: Ihr nächster Auftrag ist eine TV-Doku über das Land des Hermanns. Sie dürfen Ihre Lieblingsorte und -tiere unterbringen...

Jähne : Zuallererst: Das wäre ein Traum! Ich würde auf jeden Fall meine Highlights nehmen, die ich schon immer gut fand: Uhu, Rotmilan, Schwarzstorch. Das sind einfach ganz besondere Vögel. Oder Dachse, die habe ich damals schon bei meinen ersten Gehversuchen mit meiner ersten Kamera beobachtet. Durch die Frequentierung der Natur sind die scheuer geworden und es ist heute schwieriger, sie zu filmen. Dazu die lippischen Höhen und bestimmte Schluchten in den Wäldern. Es gibt Quellbereiche, die aussehen wie ein untermeerischer Vulkan, am Donoperteich zum Beispiel. Auch das Naturschutzgroßprojekt wäre auf jeden Fall mit drin. Darauf kann der Kreis sehr stolz sein.

Mit Ihren Filmen möchten Sie auch dafür werben, die Natur zu erhalten und zu schützen. Haben Sie nicht Sorge, dass die vielen schönen Bilder den Leuten vorgaukeln, es wäre alles in Ordnung?

Jähne : Das ist tatsächlich ein großes Problem – den Spagat einzuhalten zwischen der Ästhetik, dem Schönen, und dem, wie es wirklich aussieht. Man muss das richtige Maß finden, hin und wieder auch mal den Finger in die Wunde legen und unangenehme Sachen zeigen. Bei der Lippischen Artenschutzkonferenz waren das zum Beispiel der Trecker, der den Raps in Sichtweite der Bienen spritzt, und verendete Starenküken. Aber man muss auch positive Impulse setzen. Ich denke, positive Stimulanz funktioniert viel besser als die ständige Konfrontation mit negativen Nachrichten.

Sie sagen, es gibt noch Hoffnung für die Natur. Ist das auch die Botschaft ihrer Filme?

Jähne : Auf jeden Fall. Man kann es auch sehen: Auf den sogenannten Devastationsflächen wie zum Beispiel der Gauseköte, wo der Wald abgestorben ist, findet sich der Fingerhut. Vergangenes Jahr war das ein wahres Blütenmeer. Und überall, wo ein totes Baumskelett steht, kommen daneben kleine Bäume hoch. Die Natur findet immer wieder Wege, sich anzupassen und zu verändern. Nur der Mensch lernt leider oft nicht aus seinen Fehlern.

Persönlich Von Kindesbeinen an lebt der preisgekrönte Naturfilmer Robin Jähne im Detmolder Ortsteil Horndoldendorf. Bereits als kleiner Junge war er dort in Feld, Wald und Wiese unterwegs um zu schauen, was da so kreucht und fleucht, konnte sich für Sternbilder und Wetterphänomene begeistern. Hinzu kam die Faszination für Fotografie und Technik und der Wunsch, die Begeisterung für die Natur auch in anderen zu wecken. Jähne studierte Biologie und verdiente sich als Mitarbeiter einer Tageszeitung das Geld für die nötige Technik. Ganz klein hat seine Karriere angefangen, heutzutage kann der Detmolder davon leben - und gehört damit &bdquo;zu einer vom Aussterben bedrohten Spezies“, wie er selbst sagt. Etwa zweidutzend Mal pro Jahr sind seine Aufnahmen in Fernsehformaten wie &bdquo;Terra X“, &bdquo;Expedition ins Tierreich“ oder &bdquo;planet e“ zu sehen, nicht selten mit Bildern aus Lippe. &bdquo;Vielen ist gar nicht bewusst, was wir hier für ein Kleinod haben“, schwärmt Jähne. In seiner Heimat ist der eingefleischte Lipper ein gefragter Naturexperte und setzt sich auch für den Umweltschutz ein.

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