Kreis Lippe. Dienstagmorgen, 9.30 Uhr, am Naturschutzgebiet Rethlager Bach. Der Himmel hängt grau über den Feldern, ein paar wenige Sonnenstrahlen haben den Kampf gegen die dicke Wolkendecke noch nicht aufgegeben und schimmern leicht durch. Es riecht nach feuchter Erde, die Blätter glänzen nass im Morgenlicht. Wo andere vielleicht noch gemütlich am Kaffeetisch sitzen oder ins Büro juckeln, wartet Thomas Junghöfer in seiner Montur schon auf die LZ-Redakteurin, die erfreulicherweise an ihre Wanderstiefel gedacht hat. Junghöfer trägt selbstverständlich seine Dienstuniform: Ein grünes Hemd mit Abzeichen auf dem Arm, das Fernglas griffbereit. Eine Arbeitshose mit einem Dutzend Taschen, feste Stiefel. Der Hut fehlt noch. Mit einer kleinen, fast feierlichen Bewegung setzt er ihn auf. „So", sagt er leise und wirkt in diesem Moment, als ziehe er seine Ranger-Rolle über wie eine zweite Haut. So sieht er also aus - Lippes erster hauptamtlicher Ranger. Ein paar Meter von unseren Autos entfernt beginnt auch schon das insgesamt fast 160 Hektar große Naturschutzgebiet am Rethlager Bach. Nach jahrzehntelangem Kiesabbau ist hier eine Fläche mit sehens- und vor allem schützenswerten kleinen und großen Gewässern entstanden. Ein Biotop, das als Naherholungsgebiet Gold wert ist für Lage und gerade darum auch Schutz braucht. Aus der Ferne ist plötzlich ein Knall zu hören. „Es sind Schüsse vom Truppenübungsplatz Senne", beruhigt der Ranger sofort. Ab und zu sind auch noch die Autos auf der Hüntruper Straße zu hören, die ja auch nicht weit weg ist. Diese Widersprüchlichkeit fasziniert. Junghöfer geht zügig, die Hände locker am Fernglas und doch behutsam. Sein Blick wandert über Wege, Zweige, ins Unterholz, aufs Wasser. Aufmerksam. Liebevoll. Man merkt schnell: Er ist nicht zum Spazieren hier, sondern ist aufmerksamer Beobachter, der auch Kleinigkeiten wahrnimmt. Brütende Vögel, den Ruf eines besonderen Vogels, eine Pflanze, die hier ursprünglich nicht wachsen sollte. Und noch etwas wird deutlich. Das hier scheint sein bevorzugter Lebensraum zu sein, denn das Lächeln verschwindet nicht ein Mal von seinem Gesicht bei unserem Rundgang. „Das war immer mein Traum" Seit Juni ist Thomas Junghöfer der erste hauptamtliche Ranger im Kreis Lippe. Ein Pionier könnte man sagen – und einer, der sich diese Rolle nicht erkämpfen musste, sondern der sie zugetragen bekam. „Das war immer mein Traum", sagt er. „Beruf kommt in meinem Fall wirklich von Berufung. Ich liebe es, in der Natur unterwegs zu sein." Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Lippische Landes-Zeitung (@lz.de) Der 44-Jährige ist kein lauter Mensch. Zurückhaltend, manchmal ein wenig nervös beim Erzählen über Persönliches, vorsichtig in der Wortwahl. Doch wenn es um seine Arbeit geht, strahlt er eine Überzeugung aus, die keine Zweifel aufkommen lässt. Seine Stimme wird fester, die Gesten sicherer. Hier spricht einer, der angekommen ist in seiner neuen Rolle, und weiß, wovon er spricht. „Schon als Kind war die Richtung klar. Der Junge wird mal was mit Natur machen, sagten Bekannte." Junghöfer lacht, bekommt Gänsehaut – und erinnert sich an Wanderungen mit seinem Vater über Hansaweg und Burgensteig. „Da war ich neun oder zehn. Wir haben Urkunden gesammelt, jede Tour dokumentiert." Vom Landschaftspfleger zum Ranger 2004 kam er zum Kreis Lippe, zunächst in die Landschaftspflege. Hecken schneiden, Orchideenstandorte sichern, die zahlreichen Flächen mähen. Später wurde er Praxisanleiter für Freiwillige im ökologischen Jahr. „Den jungen Leuten zeigen, wie ein Freischneider funktioniert oder worauf man beim Naturschutz achten muss – das hat mir sehr gefallen." 2012 absolvierte er zusätzlich die Ausbildung zum geprüften Natur- und Landschaftspfleger. Ein Baustein auf dem Weg zum Ranger. Als klar war, dass die Stelle geschaffen werden soll, wurde er von seinem Chef Daniel Telaar direkt gefragt: „Thomas, wäre das nichts für dich?" – und er sagte sofort Ja. Alltag im Grünen „Ich bin fast nur draußen", sagt er. Neuneinhalb Stunden täglich, oft auch Frühstück und Mails im Wald. Morgens kurz ins Büro, dann ins Auto: ein Gebiet nach dem anderen. Müll im Rethlager, Feuerstellen anderswo, Wasserstände an Teichen. „Manche Stellen muss ich regelmäßig kontrollieren, andere sind stille Wege – gerade da schaue ich besonders." Der Job ist planbar und doch nicht planbar. Wer ihm begegnet, darf mit seiner Zeit rechnen. „Wenn eine Wandergruppe etwas wissen will, bleibe ich auch mal länger." Begegnungen im Wald Unter der Woche trifft er vor allem Hundebesitzer, am Wochenende Wanderer. Manchmal reicht ein kleiner Service, um ins Gespräch zu kommen. „Ich frage, ob ich ein Gruppenfoto machen soll. Das kommt gut an – und plötzlich redet man über Naturschutz." Die Reaktionen sind meist positiv. „Wenn Leute mich sehen, leinen sie ihren Hund sofort an." Nur in Ausnahmefällen muss er deutlicher werden. Sein Credo: informieren statt strafen. „Es geht darum, Menschen mitzunehmen. Wenn ich gleich streng auftrete, machen sie dicht und dann wir erreichen nichts." Er sieht sich als Vermittler von Wissen und als Vernetzer von Angeboten und Informationen - alles zum Wohl der Naturschutzgebiete. Eine Schnecke im Rampenlicht Auf dem Weg bleibt er plötzlich stehen. An einem Stein kriecht eine Schnecke über nasses Laub. Junghöfer bückt sich, Karolina Schmidt von der Kreispressestelle ebenso. Beide warten geduldig, bis das Tier die Fühler ausstreckt. Junghöfer sagt „Jetzt!", und Schmidt drückt auf den Aufnahmeknopf ihres Handys. Ein kleiner Moment – und doch sinnbildlich für seine Arbeit: das genaue Hinschauen, das Staunen über das scheinbar Nebensächliche. Probleme im Verborgenen Die Herausforderungen in Lippes Naturschutzgebieten sind vielfältig. Müll und illegale Feuerstellen gehören dazu. „Es gibt Hotspots, die kenne ich inzwischen. Da gehe ich immer wieder hin." Aber auch stille Winkel sind heikel. Aus Minden-Lübbecke weiß man, dass in abgelegenen Gebieten Wilderer Netze in Bäche stellten. „Man denkt, wo viel los ist, dort sei auch der größte Bedarf an einem Ranger. Aber oft ist es genau andersherum." 14.600 Hektar unter Beobachtung 14.600 Hektar Naturschutzfläche liegen im Kreis. Eine Aufgabe, die ein Mann allein nicht bewältigen kann. Deshalb arbeitet Junghöfer eng mit Förstern, Ehrenamtlichen und dem Ordnungsamt zusammen. 20 ehrenamtliche Naturschutzwächter sind seine Augen und Ohren. „Sie kennen die Gebiete, melden Auffälligkeiten. Dann fahre ich raus." Daniel Telaar nickt: „Mit dem Ranger haben wir jemanden, der Präsenz zeigt, erklärt, vermittelt. Das ist ein Gesicht für den Naturschutz." Offenland statt Wildwuchs Im Rethlager zeigt sich, wie Natur gelenkt werden muss. Aus einer früheren Abgrabung ist eine offene Landschaft entstanden. Ohne Pflege würde sie zuwachsen. „Das wäre auch Natur", sagt Junghöfer, „aber wir haben hier das Ziel, Offenlandarten zu fördern." Ziegen und Rinder helfen, die Flächen freizuhalten. Doch ganz allein schaffen sie es nicht. Immer wieder muss gemäht und freigeschnitten werden. Ein Zaun schützt das Areal – nicht nur die Tiere, sondern auch die Besucher vor falschen Ideen. „Baden im Naturschutzgebiet? Das geht natürlich nicht." Er lächelt schmal. „Und man sollte damit rechnen, dass das Brötchen, das man mitbringt, am Ende vielleicht jemand anderes frisst." Was er meint: Seit 2023 leben schottische Hochlandrinder und Wasserbüffel auf dem Gelände. Zwischen Ernst und Humor Solche Sätze sind selten, aber sie zeigen: Junghöfer kann auch humorvoll sein. Meist aber ist er ernst, konzentriert und mit Herzblut und offenen Augen in der Natur unterwegs. Nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch in seiner Freizeit, beim Angeln, bei der Landschaftsfotografie und beim Motorradfahren. Wie sieht es in Zukunft mit einem zweiten Ranger aus? „Das wäre sinnvoll", sagt Telaar. In Bielefeld hat man gute Erfahrungen gemacht. „Aber das hängt von der Politik ab." Junghöfer selbst winkt ab: Er denkt nicht in Stellenplänen. „Wichtiger ist, dass wir die Menschen erreichen." Ein Appell Zum Schluss bleibt ein Satz, der sich wie ein Versprechen anhört: „Gehen Sie raus. Schauen Sie. Genießen Sie. Sprechen Sie mich an." Junghöfer sagt es ohne Pathos. Fast beiläufig, während er den Hut zurechtrückt und durch sein Fernglas ins Grün schaut. Wer es hört, spürt, dass er es ernst meint. Es ist die Einladung eines Mannes, der die Natur liebt – und sie für alle bewahren will. Kontakt zum Ranger Der Ranger Thomas Junghöfer ist unter Tel. 05231-6277511 oder naturschutzbehoerde@kreis-lippe.de erreichbar.