Meinung zum Tim Kellner-Auftritt in Detmold: "Das ist Propaganda vom Feinsten"

Detmold. Den Ausgang des Prozesses gegen den rechten Youtuber Tim Kellner und seinen Auftritt in Detmold kommentiert LZ-Redakteurin Silke Buhrmester:

Tim Kellner hat am Mittwoch gut 400 Anhänger mobilisiert, die ihn vor dem Justizgebäude in Detmold unterstützt haben. Vor dem Amtsgericht musste sich der rechte Youtuber und selbst ernannte &bdquo;Love Priest“, der in seinen Videos zumeist die Regierung und Justiz mit rüden Videoschnipseln aufs Korn nimmt, wegen Beleidigung von vier Bundespolitikerinnen, darunter Annalena Baerbock und Nancy Faeser, verantworten.

Doch um den Prozess ging es nur am Rande. Es war die berühmte Mücke, die Kellner – ein Meister der Selbstinszenierung – zum Elefanten hochstilisierte: Er propagierte das Ende der Meinungsfreiheit und Demokratie, nahm die Opferrolle ein – und traf dabei den Nerv der Querdenker und AfD-Anhänger, Neonazis und Reichsbürger und all derer, die getreu dem Motto: &bdquo;Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ natürlich keine Nazis sein wollen.

Die Wutbürger, die sich für den historischen Tag vermutlich allesamt Urlaub genommen hatten, harrten bis zum Ende aus, schwenkten Fahnen und skandierten &bdquo;Wir sind das Volk“ und &bdquo;Freiheit für Tim“, als ginge es um lebenslange Kerkerhaft. Sie erregten mitten in der Stadt viel Aufmerksamkeit – auch, weil es keinen öffentlichen Widerspruch gab.

Kellners Rechnung geht auf Kellners Rechnung ging auf, selbst wenn nur klägliche 0,1 Prozent seiner 488.000 Youtube-Follower kamen und er am Ende zu 11.000 Euro Geldstrafe verurteilt wurde. Oder vielleicht genau deshalb: Einen Freispruch hätte er nur einmal ausschlachten können. Mit der Verurteilung aber hat sich seine Opferrolle um ein Vielfaches potenziert. Und seine Anhänger, die ihm zujubelten, obwohl es nichts zu jubeln gab, lieferten optimale Propaganda-Bilder für Kellners Social-Media-Auftritte

Die Show kann also weitergehen. Schon ruft das &bdquo;Justizopfer“ (&bdquo;die Amtsrichterin hatte das Urteil schon in der Schublade“) zu Spenden auf, um den Weg durch weitere Instanzen beschreiten zu können. Was soll denn diese Bettelei im rosa Kostüm? 3000 Euro Nettogehalt hat das Gericht bei der Berechnung des 100-Euro-Tagessatzes in Anschlag gebracht. Deutlich mehr als das Durchschnittsgehalt in Deutschland.

Das Showgeschäft lohnt sich ganz offensichtlich für den &bdquo;Love Priest“. Wenn die tägliche Hetze unter dem angeblichen Satire-Deckmantel doch bloß nicht so brandgefährlich wäre.

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