Detmold. Die Komödie „Eine Sommernacht“ des schottischen Dramatikers David Greig hat in der Inszenierung von Katrin Aissen im Detmolder Hoftheater eine erfolgreiche Premiere gefeiert. Hier wird nicht nur eine romantische Komödie erzählt – hier wird gespielt, gesungen, gebrochen und kein Blatt vor den Mund genommen.
Alles schreit nach Leidenschaft, während sich auf der Bühne zwei Menschen treffen, die vom Leben enttäuscht sind, aber sich selbst noch nicht ganz aufgegeben haben. Wie in Shakespeares „Sommernachtstraum“ sind beide von einer Liebeswut getrieben, die nicht mehr als bloße Sexgier zu sein scheint. Danach herrschen Frustration und Rauschfolgen.Ewa Noack (Helena) und Leonard Lange (Bob) spielen ihre Rollen mit großer Präsenz und feinem Gespür für die Zwischentöne. Temporeich und charakterstark meistern sie die Episodensprünge und schlüpfen in unterschiedliche Figuren, ohne den Spannungsbogen zu verlieren.
Sie singen nicht nur, sie seufzen, lachen, tanzen und stolpern in ein Wochenende hinein, das absurder kaum sein könnte. Helena im vollgekotzten Brautjungfernkleid und Bob mit 15.000 Pfund in der Tasche, die er für seinen Gangsterboss verwahren soll, beschließen, auf alles zu pfeifen und die Kohle in einer durchlebten Nacht auf den Kopf zu hauen, bis sie sich im Bondage-Studio gefesselt wiederfinden. Es ist ein Liebesrausch, der so zerbrechlich ist, dass man ständig befürchtet, er könne im nächsten Moment verpuffen – und doch trägt die Inszenierung diesen Rausch mit Leichtigkeit und Humor. Regieeinfälle wie Zeitlupen- oder Rücklaufspiel, bekannt vom Playback bei Filmen, belohnten die Zuschauer mit Extraapplaus.
Theater trifft Songwriting
David Greigs und Gordon McIntyres „Play with Songs“ lebt vom schwebenden Wechsel zwischen Szene und Song, der nahtlos gelingt. Dafür braucht es zwei gute Schauspieler und Sänger. Mit Ewa Noack und Leonard Lange, der auch mit seinem Gitarrenspiel beeindruckt, ist die Besetzung hervorragend gelungen. Die musikalische Leitung von Matthias Flake sorgt für den perfekten Soundtrack zu diesem emotionalen Roadtrip durch zwei verregnete Nächte in Edinburgh. Die Lieder – melancholisch, ironisch, entwaffnend ehrlich – tragen die Geschichte ebenso wie der Text.
Bobs melancholische Parodie, in der sich sein Glied über sein Liebesleben beschwert, verdeutlicht, dass die alltäglichen Probleme mit Körper und Seele schon mit 35 Jahren anfangen. Bob erhielt bereits die erste Einladung zum „Männer-TÜV“. Das Mottolied „Liebe bricht dein Herz“ erklingt öfters und erhält Ohrwurmqualitäten. Es könnte leicht ins Triviale abgleiten, bleibt jedoch ein Moment der Selbstreflexion.
Zwischen Ironie und Echtheit
Aissens Regie vermeidet konsequent jede Illusion. Die beiden Figuren sprechen kaum miteinander, aber direkt zum Publikum, teilen ihre Gedanken wie beim inneren Monolog und sprechen Szenenanweisungen laut mit. Es entsteht ein fast dokumentarisches, skizzenhaftes Theatergefühl mit exakten Zeitangaben – nah, roh, ehrlich. Diese Brechung bewahrt das Stück vor drohendem Kitsch und gibt der Inszenierung eine zeitgenössische Form.
Der Humor ist nie bloß Gag, sondern Ausdruck der Absurdität, in der sich Helena und Bob verfangen. Die Szene mit dem Fußballspiel von Bobs Sohn und dessen völliger Gleichgültigkeit gegenüber seinem Vater berührt ebenso wie Helenas innerer Kampf zwischen Konvention und Sehnsucht nach einem anderen Leben. Ihr Versagen, bei der Hochzeit ihrer Schwester die Brautjungfer zu spielen, resultiert aus ihrer Verachtung gegenüber dem verlogenen Tinder-Ehe-Kitsch, der höchstens ein Jahr hält. Beide sind keine romantischen Helden, sondern Menschen mit Rissen, Fehlern und offenen Rechnungen. Gerade deshalb sind sie so glaubwürdig und wirken authentisch.
Andrej Rutar (Bühne) und Victoria Unverzagt (Kostüm) haben ein stimmiges, reduziertes Bühnenbild geschaffen, das zwischen poetischer Skizze und urbanem Realismus pendelt und den Fokus auf die Protagonisten lenkt. Das in Schwarz-weiß-Kontrast gehaltene Bühnenbild mit unregelmäßigen Körpern, die mit kryptischen Buchstaben und Symbolen übersät sind und mal als Podest, Kiste oder Bett dienen, wirkt futuristisch neutral und ermöglicht alles - außer Normalität. Das musikalische Theaterstück voller Ironie aber ohne Zynismus kam bei rund 200 Premierengästen bestens an.