100 Jahre Grabbe-Gymnasium: Wie sich die Detmolder Schule immer wieder neu erfand

Detmold. Das Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasium feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Es ist ein Jubiläum, das nicht nur zur Rückschau einlädt, sondern auch die bewegte Geschichte einer Schule würdigt, die sich in all den Jahren immer wieder neu erfand. Gegründet 1925 als Deutsche Oberschule in Form einer Aufbauschule, blickt das Grabbe auf ein Jahrhundert voller Brüche und Aufbrüche zurück.

Was als Nachfolger des aufgelösten Lippischen Lehrerseminars begann, war zunächst ein Projekt mit ungewissem Ausgang. Im alten Seminargebäude, mit neun Lehrkräften und 30 Erstklässlerinnen und Erstklässlern, nahm die Schule nach Ostern 1925 ihren Betrieb auf. &bdquo;Neben der Aufgabe der Übungsschule sowie dem Abbau der Übergangsklassen bis 1928 mussten die zum Abitur führenden Klassen neu eingerichtet und nach verändertem Lehrplan innerhalb von sechs Jahren zur Reife geführt werden“, schreibt Eckart Reicke in seiner 1981 veröffentlichten Abhandlung zur Geschichte der Schule. Ziel sei es gewesen, begabten Kindern aus ländlichen Regionen den Zugang zu höherer Bildung zu ermöglichen. Und das mit verkürzter Schulzeit, dem Fokus auf deutsche Kultur und zunächst ohne klassische Fremdsprachen.

Ohrfeigen und Propaganda Schon früh etablierte sich ein Internatsbetrieb bei einem jährlichen Kostgeld von 136 Reichsmark. Doch der Start war nicht frei von Reibung. Direktor Lange, zuvor Leiter des Lehrerseminars, geriet rasch in die Kritik. Die Führung sei zu kollegial, hieß es. Zudem fielen einzelne Lehrer durch übergriffiges Verhalten auf, was sogar Landespräsident Heinrich Drake auf den Plan rief: &bdquo;Knüffe und Püffe, Ohrfeigen und Schimpfereien gehören nicht in die Schule, zumal nicht in eine Schule dieser Art“, zitiert Reicke. Direktor Lange beendete im Oktober 1931 gezwungenermaßen, und laut Reicke unverdienterweise, seine 44-jährige Schultätigkeit.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zog der neue Zeitgeist auch an der Aufbauschule ein. Lehrer spendeten für die Winterhilfe, Schüler traten in Scharen der Hitlerjugend und anderen nationalsozialistischen Gruppierungen bei, politische Schulungen wurden verpflichtend. Der auf Lange folgende Schulleiter Dr. Klingler wurde im Zuge der Durchführung des Gesetzes zur &bdquo;Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 30. April 1933 rasch wieder seines Postens enthoben. Der neue Leiter Betz, glühender Anhänger der NSDAP, führte die Schule mit harter Hand. Und doch hielt sich in vielen Klassenzimmern der stille Zweifel am Sinn der zahllosen außerschulischen Aktivitäten.

Unterricht in Kriegszeiten mit neun Schülern Der Krieg brachte den Unterricht fast vollständig zum Erliegen. Teile des Gebäudes wurden zum Lazarett umfunktioniert, Lehrer ebenso wie Schüler zum Wehr- und Heeresdienst eingezogen. Und doch fanden sich bei Kriegsausbruch acht Schülerinnen und ein zugezogener Schüler des Jahrgangs 8 zu anstehenden Prüfungen ein. Dort beschäftigten sie sich mit Themen, die heute kaum vorstellbar erscheinen: &bdquo;Wie kann ich als Mädchen heute dem Vaterland dienen?“ lautete eine der Aufgaben.

Nach dem Krieg lag vieles brach. Anfangs wich man für den Unterricht ins nahe gelegene Leopoldinum aus, da die Schule erst von der Militärregierung, dann von der Zivilbevölkerung beschlagnahmt wurde. Erst im Mai 1946 kehrte die Schule unter dem Namen &bdquo;Deutsche Oberschule für Jungen und Mädchen in Aufbauform“ zum geregelten Betrieb zurück. Die Bedingungen waren laut Reicke jedoch katastrophal: Keine Bücher, kein Heizmaterial, keine funktionierende Turnhalle. Und dennoch: Die Schule wuchs, das Internat wurde reaktiviert, der Unterricht wieder aufgenommen.

Aufschwung in den 50ern und 60ern Der eigentliche Aufbruch folgte in den 1950er- und 60er-Jahren. Mit dem musischen Zweig &bdquo;über das normale Maß hinaus“ unter Schulleiter Hopmeier und später der Einrichtung eines Sportgymnasiums entwickelte das heutige Grabbe-Gymnasium ein klares Profil. Nach dem Tod von Oberstudiendirektor Hopmeier übernahm Dr. Werner Broer die Schulleitung. Er setzte sich dafür ein, dass Ende 1966 der Schule der Name Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasium durch den Kultusminister zuerkannt wurde. Im Rahmen einer Schulfeier am 130. Todestag des Dichters wurde er eingeführt.

Doch mit dem Erfolg kam die Raumnot. Ende der 1970er-Jahre platzte das Grabbe regelrecht aus allen Nähten. Ein geplanter Neubau für die mittlerweile 900 Schüler drohte am Sparwillen des Landes zu scheitern, bis Eltern, Schüler und Lehrer 1975 mit einem Demonstrationszug durch Detmold Druck machten. Schließlich kam der neue Trakt mit Aula dann doch. Heute, 100 Jahre nach seiner Gründung, steht das Grabbe-Gymnasium nicht nur für Bildung, sondern für eine Idee: Dass Schulen mehr sein können als Unterrichtsorte. Sie sind auch Orte der Veränderung und ein echtes Stück lebendige Zeitgeschichte.

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