Interview: Welche Chancen Prof. Hadjakos in der Digitalisierung der Musik sieht

Detmold. Von außen wirkt die alte Villa an der Hornschen Straße 44 unscheinbar. Innen wird an der digitalen Zukunft der Musik gearbeitet. Zwischen Computern und Kabeln sitzt Professor Dr. Aristotelis Hadjakos (45).

Der Sohn eines Griechen und einer Finnin wuchs in der Nähe von Frankfurt am Main auf und wurde mit 33 Jahren Professor für Musikinformatik an der Hochschule für Musik in Detmold. Heute ist er Prorektor für Wissenschaft und Digitalisierung und treibende Kraft im digitalen Wandel. LZ-Mitarbeiter Thomas Krügler hat mit ihm über die digitale Zukunft der Musik gesprochen.

Sie beschäftigen sich mit der Digitalisierung der Musik. Wie würden Sie die &bdquo;digitale Zukunft“ beschreiben?

Prof. Dr. Aristotelis Hadjakos: Für mich ist die digitale Zukunft kein Science-Fiction, sondern Gegenwart. Wir arbeiten schon heute mit digitalen Tools, die Tradition und moderne Technologie verbinden. Das Zentrum für Musik- und Filminformatik wurde 2013 gegründet, um neue Schnittstellen und Werkzeuge in diesem Bereich zu erforschen. Nun wird es durch das Kreativ-Institut.OWL abgelöst – ein bundesweit einzigartiger Verbund, in dem die Universität Paderborn, die Hochschule für Musik Detmold und die Technische Hochschule OWL ihre Kompetenzen bündeln. Hier treffen Musikinformatik, Sounddesign, Komposition und Medienproduktion aufeinander.

Können Sie Beispiele nennen, wo Digitalisierung in der Musikhochschule bereits den Alltag prägt?

Prof. Hadjakos: Ein spannendes Projekt ist unser digitales Musikarchiv. Wir digitalisieren historische Tonbänder mit Konzertmitschnitten, zum Teil aus den Jahren 1948 bis 1958. So werden wertvolle Quellen für Forschung und Lehre gesichert. Alte Tonbänder sind kurioserweise oft haltbarer als selbstgebrannte CDs – wo wir einen Verlust von zehn Prozent haben.Auch die Präsentation von Musik hat sich stark geändert. Das Konzert-Streaming, das während der Corona-Zeit an Bedeutung gewonnen hat, bleibt wichtig. So können Konzerte im Internet verfolgt werden. Bewerber für Eignungsprüfungen schicken vorab Videoaufnahmen – das ermöglicht eine Vorauswahl und spart Zeit sowie Kosten. Für Studierende gehört die Arbeit mit digitalen Werkzeugen längst zum Alltag. Sie erlernen die Anfertigung hochqualitativer Audio-Aufnahmen und arbeiten mit digitalen Lernplattformen und Notationsprogrammen. In der Kompositionsklasse schreibt keiner mehr Noten per Hand. In der Musikwissenschaft entwickeln wir Werkzeuge für digitale Musikeditionen. Wir haben mit dem &bdquo;Digital Performance Room“ und der Wellenfeldsynthese echte Hightech-Umgebungen. Damit lässt sich etwa die Akustik einer Kathedrale simulieren und elektronische Klänge werden räumlich erlebbar. Hinzu kommt die Frage, wie latenzarme Proben und Konzerte über Distanzen hinweg ermöglicht werden können. Digitale Werkzeuge sind nicht nur Hilfsmittel, sondern eröffnen auch neue künstlerische Räume.

Und wie sieht das im praktischen Musikalltag, etwa im Orchester, aus?

Prof. Hadjakos: Unser Hochschulorchester arbeitet mit iPads. Das erleichtert das Anmerken und Teilen von Noten und sorgt für geräuschloses &bdquo;Umblättern“. Außerdem sind die Geräte kleiner, wodurch die Musiker sichtbarer sind, und erlauben es, im abgedunkelten Raum zu spielen.

Sie sind auch im bundesweiten Netzwerk 4.0 der Musikhochschulen aktiv. Was steckt dahinter?

Prof. Hadjakos: Hier arbeiten 18 der 24 deutschen Musikhochschulen zusammen. Wir entwickeln Weiterbildungskonzepte, veranstalten Workshops und fördern Innovation in der digitalen Lehre für Hochschulangehörige. Im Oktober findet in Detmold eine große Abschlusstagung statt – mit zahlreichen Fachleuten aus ganz Deutschland.

Viele fragen sich, ob KI in Zukunft Musiker ersetzen wird. Wie sehen Sie das?

Prof. Hadjakos: KI wird die Musik verändern – sie soll aber nicht die Kreativität des Menschen ersetzen. Sicher, einfach gestrickte Musik lässt sich schon heute per Knopfdruck generieren. Mit steigender Qualität der KI-gestützten Musikerzeugung und Klangbearbeitung werden bestimmte Arbeitsfelder verschwinden. Gleichzeitig eröffnen sich neue kreative Möglichkeiten. Heute sind die Tools demokratisiert – früher war elektronische Musik ein Privileg weniger, heute kann jeder mit einfachen Mitteln experimentieren. Meine Vision ist eine Symbiose von Mensch und Maschine. KI kann eine Hilfe sein, aber die wirklich komplexen schöpferischen Entscheidungen bleiben beim Menschen. Wenn Digitalisierung Kreativität steigert, wirkt sie positiv. Wenn sie menschliche Kreativität ersetzt, wirkt sie schädlich. Man hört Musik an, ob sie &bdquo;lebt“ - reine KI-Musik klingt oft schematisch und steril. Digitale Werkzeuge sollten daher Verstärker menschlicher Kreativität sein und nicht deren Ersatz.

Zur Person: Aristotelis Hadjakos (45) studierte Informatik an der Technischen Universität Darmstadt und Klavierpädagogik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt. Im Jahr 2013 wurde er als Professor für Musikinformatik an die Hochschule für Musik Detmold berufen. Seitdem ist er Direktor des Zentrums für Musik- und Filminformatik und Mitglied des Zentrums Musik-Edition-Medien. Er forscht unter anderem auf dem Gebiet der musikalischen Mensch-Maschine Interaktion.

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