Autor Uwe Ritzer warnt in Detmold: „Die Wasservorräte in Deutschland schrumpfen drastisch“

Detmold. Der preisgekrönte Investigativjournalist Uwe Ritzer ist am Donnerstag auf Einladung der VHS Detmold-Lemgo in Detmold zu Gast und zeigt auf, wie es um die Wasserversorgung in Deutschland bestellt ist. Im LZ-Interview erklärt der Reporter der Süddeutschen Zeitung bereits vorab, warum es hierzulande längst nicht mehr so wasserreich ist, wie viele glauben - und weshalb Politik und Gesellschaft dringend handeln müssen.

Herr Ritzer, in Ihrem Buch &bdquo;Zwischen Dürre und Flut“ zeigen Sie auf, dass selbst in der Bundesrepublik Wasser immer knapper wird. Wie ernst ist die Lage Ihrer Ansicht nach?

Uwe Ritzer: Landauf landab sinken die Grundwasserstände und vielerorts führen auch Flüsse und Seen weniger Wasser. Die Wasservorräte in Deutschland schrumpfen zum Teil drastisch. Gleichzeitig steigt der Verbrauch an. Nicht jener der Privathaushalte, sondern in der Wirtschaft. Dazu beeinflusst der Klimawandel den Wasserhaushalt massiv.

In Ihrem neuesten Buch geht es derweil um den &bdquo;Ausverkauf“ unserer Lebensgrundlagen. Was genau meinen Sie damit und wo sehen Sie diesen Ausverkauf in Deutschland konkret?

Uwe Ritzer: Das Thema betrifft uns alle unmittelbar, denn es geht um den Ausverkauf von Ressourcen, die wir alle brauchen: Wasser, Boden und Rohstoffe. Und an diesem Ausverkauf verdienen einige Wenige, während es für die Masse der Menschen, aber auch viele Unternehmen immer teurer wird. Boden ist in Ballungszentren für Normalverdiener unbezahlbar geworden, nun droht Ähnliches auf dem Land. Weil Spekulanten und reiche Investoren die Preise nach oben treiben. Und bei Rohstoffen haben wenige multinationale Konzerne die Lieferkette komplett in der Hand.

Wer profitiert am meisten davon, dass Wasser, Boden und Rohstoffe zu handelbaren Gütern werden?

Uwe Ritzer: Schweizer Konzerne zum Beispiel, die den Rohstoffmarkt kontrollieren und damit auch die Preise. Oder große Wasserschlucker in der Industrie, die umsonst oder fast umsonst Wasser aus dem Boden holen, während jeder von uns brav seine Wassergebühren zahlt und zum Sparen angehalten wird, wenn es im Sommer heiß und trocken ist. Beim Thema Boden muss man nur im Grundgesetz oder entsprechenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes nachlesen: Er darf nicht nur Eigentümern, sondern auch dem Allgemeinwohl dienen.

Welche Rolle spielt die Politik dabei? Sei es durch Untätigkeit, falsche Anreize oder bewusstes Wegsehen?

Uwe Ritzer: Das vermischt sich. Deutschland braucht dringend Rohstoffe in großen Mengen und muss sie notgedrungen importieren. Da schaut man dann schon mal ganz pragmatisch weg, wenn die Bedingungen, etwa beim Kupferabbau in Peru, was Menschenrechte oder Ökologie angeht, verheerend sind. Mit den marktbeherrschenden Rohstoffriesen legt man sich da nicht gerne an. Beim Wasser ist es grotesk: Die im März 2023 verabschiedete Nationale Wasserstrategie definiert in etwa 80 Punkten sehr präzise, was getan werden muss, um unsere Wasserversorgung dauerhaft zu sichern. Nur setzt niemand die Vorschläge um.

Wie kam es dazu, dass Sie sich so intensiv mit diesem Thema befasst haben?

Uwe Ritzer: Mein Buch &bdquo;Zwischen Dürre und Flut – Deutschland vor dem Wassernotstand“ landete auf der Spiegel-Bestsellerliste und erfuhr mehr Aufmerksamkeit als erwartet. Im Zuge der Recherchen und vieler Gespräche merkte ich bald, dass Wasser nicht das einzige Allgemeingut ist, das gewinnmaximierend ausgebeutet wird. Das wollte ich beschreiben und aufzeigen, was das für uns alle bedeutet.

Was bedeutet es denn für den einzelnen Bürger?

Uwe Ritzer: Dass Produkte wie Handys oder Computer unnötig teuer werden. Dass unsere Wassernutzung eingeschränkt wird und in Gefahr gerät, während große Schlucker sich weiter ungeniert bedienen. Oder dass Häuslebauer sich kein Bauland und Landwirte sich keine Ackerflächen mehr leisten können.

Welche Schritte wären politisch und gesellschaftlich nötig, um Boden, Wasser und Rohstoffe besser zu schützen?

Uwe Ritzer: Das kann man nicht in wenigen Sätzen beantworten. Die Frage ist sehr komplex, sie umfasst ein ganzes Kapitel in meinem Buch. Nur so viel: Der Einzelne kann es nicht richten.

Gibt es - trotz allem - Anlass zur Hoffnung oder ist der Punkt, an dem wir gegensteuern könnten, längst überschritten?

Uwe Ritzer: Apokalyptische Prophezeiungen helfen uns nicht weiter, sie sind auch nicht gerechtfertigt. Angst und Hoffnungslosigkeit lähmen nur. Ich bin auch nach meinen Recherchen überzeugt: Wir können die Probleme in Griff bekommen. Politik und Gesellschaft müssen aber anpacken.

Persönlich Uwe Ritzer (60) ist Investigativjournalist und Wirtschaftskorrespondent der Süddeutschen Zeitung. Geboren in Pleinfeld in Bayern, begann er seine Laufbahn bei den Nürnberger Nachrichten. Später war er Redaktionsleiter des Weißenburger Tagblatts, 2005 wechselte er fest zur Süddeutschen Zeitung. Bekanntheit erlangte er durch seine Recherchen zum Justizskandal um Gustl Mollath, für die er 2013 mit dem 3. Platz des Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet wurde.

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