Detmold. Das Parkett ist leer, die Scheinwerfer dunkel. Auf der Bühne des Landestheaters Detmold, wo sonst Dialoge, Musik und Tanz den Ton angeben, steht an diesem Vormittag niemand im Rampenlicht. Denen, die tagtäglich hinter dem Vorhang ihr Werk tun, geht es darum ohnehin nur selten. Sie sorgen vielmehr dafür, dass das Licht überhaupt dahin scheint, wo es hinscheinen soll. Der, der all das koordiniert, ist Timo Oberkrome. Oberkrome ist kommissarischer Technischer Direktor des Hauses und trägt die Verantwortung für alles, was hinter der Bühne geschieht und dabei nicht direkt mit dem Schauspielern, Tanzen oder Musizieren zu tun hat. Das geht von der Beleuchtung bis hin zu der Arbeit in den Werkstätten. Seit 2001 arbeitet er am Landestheater, begonnen hat er als Bühnentechniker. Von dort ist er über die Schlosserei in die Produktionsleitung gelangt. Als Technischer Direktor ist es nun seine Aufgabe, alle technischen Abteilungen aufeinander abzustimmen. „Die einzelnen Werkstätten, sprich Tischlerei, Schlosserei, Deko und Malsaal, sind nicht direkt am Bühnengeschehen beteiligt, sondern eher im Hintergrund und bauen die Sachen, die sich ein von uns engagiertes Regie-Team ausdenkt.“ Alle Artikel der Landestheater-Serie „Vorhang auf“ finden Sie auf unserer Themenseite. Weil das Landestheater ein sogenanntes Abstecher-Haus ist, wollen sämtliche Bühnenbilder flexibel gebaut sein. „Wir fahren raus mit dem Kram, den wir hier bauen“, sagt Oberkrome. „Wir spielen auf deutlich größeren Bühnen und wir spielen, wenn es geht, auf deutlich kleineren Bühnen. Alles muss so gebaut werden, dass wir nur noch etwas dran stellen müssen oder auch etwas weglassen können, ohne das Bühnenbild komplett zu zerstören.“ Arbeit zwischen Holz, Leim und Farbe Im Malsaal surrt ein Industrie-Ventilator unablässig und lässt bemalte Kulissenteile für die Oper „Das schlaue Füchslein“ schneller trocknen. Eine Etage tiefer, in der Holzwerkstatt, ist es deutlich lauter. Sägen kreischen, an einem Arbeitstisch basteln mehrere Kollegen an Affenbrotbäumen für das Märchen „Der kleine Prinz“. In der Metallverarbeitung klirrt und scheppert es. An der Wand leuchtet bereits der erste Weihnachtsstern. „Stahl ist hier am Landestheater nicht besonders beliebt“, verrät Oberkrome. „Die Kollegen müssen es ständig auf- und abbauen und hin- und hertragen. Im Normalfall versuchen wir eher, Dinge ’auf Stahl’ zu malen.“ Die meisten Kulissen bestehen aus Fichtenholz oder Pressspan. Das lasse sich gut bearbeiten, sei leicht und günstig. Handwerk trifft Erfindergeist Bevor die Kulisse für ein neues Stück gebaut wird, erstellt ein Bühnenbildner zunächst ein Miniatur-Modell. Später folgt eine Bauprobe. „Da wird mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln – also mit Latten, mit Stoff, mit Sachen, die wir im Lager haben – das, was sich der Bühnenbildner ausgedacht hat, auf die Bühne gebracht“, sagt Oberkrome. Was im Modell noch passabel aussah, werde nach der Bauprobe dann auch mal wieder verworfen. Vom ersten Entwurf bis zum fertigen Bühnenbild vergehen etwa vier bis sechs Monate. Die eigentliche Bauzeit beträgt meist nur wenige Wochen. Wenn alles fertig ist, folgt der Moment, auf den alle hinfiebern: „Bei der Premiere oder in den Endproben sieht man das erste Mal alles im Scheinwerferlicht. Mit Musik, Kostüm und Maske und allem drum und dran - das ist ein tolles Gefühl.“ Oberkrome selbst hat Tischler gelernt und später auch als Zweiradmechaniker im Motorradsektor gearbeitet. „Ich glaube, es hilft einem sehr, wenn man bereits praktisch gearbeitet hat. Einfach, um technische Zusammenhänge besser zu erkennen“, sagt er. „Wir verwenden so viele Lösungen aus anderen Gewerken.“ Für die erwähnten Affenbrotbäume werden etwa Abflussrohre verwendet, die auf spezielle Weise eingeschnitten wurden. Immer, wenn er denke, er habe alles gesehen, gebe es eine neue Überraschung, sagt Oberkrome. „Das macht es aber auch nie langweilig.“ Sicherheit ist das A und O Die Begeisterung für den Beruf geht bei Oberkrome Hand in Hand mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein: „Die Bühne ist ein gefährlicher Ort.“ Bei der Begehung deutet er auf die Seilzüge an der Wand. Über der Bühne des Theaters gibt es 40 zwölf Meter breite Zugstangen, die über einen Schnürboden, eine Art Zwischendecke in etwa 18 Metern Höhe, bedient werden. Schauspieler, Tänzer, Sänger, Musiker und andere Protagonisten befänden sich ständig unter schwebenden Lasten. Deshalb gebe es stets einen sehr hohen Sicherheitsanspruch. „Natürlich gibt es Richtlinien, an die wir uns zu halten haben. Aber vor allem hat man auch einen persönlichen Anspruch. Ich nehme lieber ein Seil mehr als eines zu wenig zur Absicherung.“ Und auch wenn er versuche, vieles möglich zu machen, setze er auch Grenzen: „Ich bin immer der, der sagen muss: Das können wir aber so nicht machen. Ich versuche natürlich auch, die Kunst zu verstehen. Man will auf der Bühne ja etwas erzählen. Aber dann muss man das halt anders kompensieren.“ Nennenswerte Unfälle gab es noch nicht. „Hier ist mal jemand umgeknickt, da mal jemand von einem Podest gerutscht, aber etwas Großes hatten wir zum Glück nicht.“ Gastspiele erfordern Improvisation Eine besondere Herausforderung bieten immer auch die Gastspiele an anderen Spielorten. Besonders in Erinnerung geblieben ist Oberkrome eine Darbietung von Wagners opulentem „Der Ring des Nibelungen.“ „Das war schon eine ziemlich große Herausforderung damals, das auf die Straße zu bringen“, erzählt er. Auch „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ sei technisch aufwendig gewesen. „Da haben wir dieses fliegende Auto, was wir so auch noch nie gemacht haben.“ Ein Auftritt in Rendsburg verlief besonders kurios: „Wir haben die Tür aufgemacht und der Bühnenboden war einfach schräg - und wir hatten lauter Rollwägen im Bühnenbild vorgesehen“, sagt Oberkrome und lacht. „Ich erinnere mich noch gut an das Gesicht meines Kollegen Reiner Florian, als wir damals diese Tür aufgemacht haben. Als der die Schräge sah, hat er die Tür gleich wieder zugefeuert.“ Schließlich hängten er und seine Kollegen Gegengewichte an die Wägen und hielten sie teilweise selbst in Position. „Es hat irgendwie funktioniert.“ Der Job hinter der Bühne wird eben nie langweilig.