Detmold. Kaum ein Ort in Detmold kennt so viele Kindheiten wie die Villa am Hügel in der Humboldtstraße. Seit Jahrzehnten kommen hier Kinder, Jugendliche und mitunter ganze Familien unter dem Dach des Detmolder Ortsverband des Kinderschutzbundes zusammen. Nach einem fließenden Generationswechsel hat mit Tino Duddeck (42) nun ein neuer Mann die Leitung des Hauses übernommen. Doch neu ist Duddeck bei Weitem nicht. Er ist langjähriger Mitarbeiter, startete einst im Jugendclub. Als Leiter will er den Kinderschutzbund in Detmold wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen rücken. Mit der LZ sprach Duddeck ... ...über seinen Start: Der Wechsel an der Spitze verlief ruhig. Schon seit einiger Zeit sei Duddeck klar gewesen, dass er die Nachfolge seines Vorgängers Jürgen Koerdt antreten würde, sobald dieser in den Ruhestand geht. Koerdt habe zunächst gefragt, ob Duddeck nicht sein Stellvertreter werden wolle. So sei er in den vergangenen Jahren bereits in entscheidende Abläufe eingebunden worden. „Der Übergang war fließend“, sagt Duddeck über seinen Start als neuer Leiter. Das Team habe den Wechsel gut aufgenommen. „Sie haben es mir leicht gemacht.“ Im Vorstand des Ortsvereins gab es ebenfalls Veränderungen. Das bisherige Leitungsgremium wechselte fast vollständig und bildet seit knapp einem Jahr einen sogenannten Team-Vorstand. Fünf Mitglieder teilen die Verantwortung gleichberechtigt unter sich auf. über seine Motivation: „Für mich war eigentlich schon immer klar, dass ich mit benachteiligten Menschen arbeiten will“, sagt Duddeck. Er wuchs in Thüringen auf, machte Zivildienst, arbeitete schon in der Behindertenfürsorge und kümmerte sich in Hamm um Langzeitarbeitslose mit multiplen Problemlagen. „Als Teenager war ich selbst im Jugendzentrum. Damals, im wilden Osten, haben wir Konzerte organisiert und uns eingebracht, wo es ging.“ Bevor er nach Detmold kam, betreute er in Brandenburg Menschen mit schweren, psychischen Erkrankungen. In die Residenzstadt gelangte er auch wegen seiner Frau, die aus Lippe stammt. Beim Kinderschutzbund begann er 2012 als Leiter des Jugendklubs. über die Einrichtung: Die Villa am Hügel besteht aus zwei zentralen Bereichen. Der Hort betreut Kinder im Grundschulalter bis zum Ende des 13. Lebensjahrs in einer festen Gruppe. Derzeit steht eine Handvoll Kinder auf der Warteliste. Der Jugendklub ist an vier Nachmittagen in der Woche für alle zwischen 13 und 25 Jahren geöffnet. Hier suchen junge Menschen Rat oder Gesellschaft. Manche kommen wegen Liebeskummer, andere wegen Problemen in der Schule. Immer häufiger gehe es um ernsthafte Themen: Mobbing, Gewalt oder Überforderung im Alltag. „Wir sind im Stadtteil oft erste Anlaufstelle, manchmal noch vor Familie oder Freunden“, sagt Duddeck. Von der Nachhilfe bis hin zu Hilfe beim Ausfüllen von Formularen für Kindergeld oder Wohngeld - der Kinderschutzbund kümmert sich. „Früher hieß es, in der Jugendarbeit kickert man nur ein bisschen und trinkt Kaffee. Das ist heute grundlegend anders.“ über die größten Herausforderungen: Die Themen, die Kinder und Jugendliche beschäftigen, haben sich spürbar verändert. Duddeck spricht von wachsender sozialer Ungleichheit, psychischen Belastungen und familiären Krisen, die sich in der Einrichtung widerspiegeln. Armut sei eines der größten Probleme. „Beim Grillabend oder zum Mittagstisch ist der Club immer voll. Aber mittlerweile kommen die Jugendlichen aus einer anderen Motivation heraus. Für viele ist es die einzige echte Mahlzeit des Tages.“ Auch die Folgen der Corona-Pandemie seien weiterhin sichtbar. Die Präsenz von Jugendlichen auf der Straße habe sich auch nahezu halbiert. Dadurch sei es schwerer, an sie heranzukommen. Hinzu kommen Sprach- und Behördenhürden, die vor allem Familien mit Flucht- oder Migrationsgeschichte belasten. Ein wachsendes Problem sieht Duddeck in der Mediennutzung. „Das Smartphone ist der sozialarbeiterische Endgegner“, sagt er. Wenn Jugendliche in den Ferien zwölf Stunden am Tag vor dem Bildschirm verbringen, sei das nicht mehr nur Gewohnheit, sondern Suchtverhalten, über das es zu sprechen gelte. über Präsenz in Detmold: Ein zentrales Ziel ist es, die Einrichtung sichtbarer zu machen. Auf Stadt- und Familienfesten ist das Team regelmäßig vertreten, oft mit Popcorn- und Zuckerwatteständen mit kinderfreundlichen Preisen von 50 Cent oder einem Euro. Dennoch, sagt der Leiter, gebe es in Detmold Menschen, die gar nicht wüssten, dass es den Kinderschutzbund vor Ort gibt. Die Zahl der Mitglieder sei in den vergangenen Jahren auf etwa 80 gesunken. Mit neuen Werbeaktionen, etwa über QR-Codes auf Bierdeckeln in der städtischen Gastronomie, soll sich das ändern. über Finanzen und Personal: Der Hauptanteil der finanziellen Mittel kommt von der Stadt beziehungsweise dem Jugendamt, weitere Gelder stammen aus Förderprogrammen. Trotzdem steigen die Kosten schneller als die Zuschüsse. „Wir machen aus ganz wenig ganz viel“, sagt der Leiter. Die Arbeitszeit einzelner Mitarbeiter musste reduziert werden, um die Personalkosten stabil zu halten. Langfristig sei das keine Lösung. „Eigentlich bräuchten wir jemanden, der sich ausschließlich um Verwaltung und Förderanträge kümmert“, betont er. über Teamkultur und Zusammenarbeit: Trotz der Belastungen beschreibt der Leiter das Team als „hochprofessionell und sehr loyal“. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien schon seit Jahrzehnten dabei und würden einige Familien aus dem Sozialraum inzwischen über Generationen hinweg kennen. Entscheidungen würden auf kurzen Wegen getroffen, Hierarchien spielten kaum eine Rolle. „Wichtig ist, dass jede Stimme gehört wird“, sagt Duddeck. Der Zusammenhalt im Team sei eine der größten Stärken der Einrichtung und des Ortsvereins. über die Angebote: Neben Hausaufgabenbetreuung, Freizeitaktivitäten und Ausflügen gibt es seit Jahren eine erfolgreiche Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz. In diesem Nachhilfeprojekt wurden bereits über 700 Kinder begleitet, deren schulische Leistungen sich nachweislich verbessert hätten. Hinzu kommen gemeinsame Projekte mit der Drogenberatung und Sozialstundenprogramme für Jugendliche, die Straftaten begangen haben. Auch Freizeitpädagogik hat ihren Platz: Kinoabende, Kochgruppen, Radtouren und Grillfeste gehören zum festen Programm. In der Pandemie nutzte das Team Fördergelder, um das Haus technisch zu modernisieren. Heute verfügt die Einrichtung über flächendeckendes WLAN und Servertechnik. „Die ist besser als in mancher Schule“, merkt der Leiter an. über Ziele und Ausblick: Für die kommenden Jahre hat der neue Leiter klare Vorstellungen. Er will das Team halten, die Einrichtung und den Verein in ganz Detmold bekannter machen. Außerdem möchte er erreichen, dass Kinder und Jugendliche in Detmold wissen, dass es einen Ort gibt, an dem sie stets willkommen sind. „Wenn man in ein paar Jahren sagen kann: Der Kinderschutzbund ist präsent, verlässlich und erreichbar, dann haben wir viel geschafft.“ Weitere Infos zum Kinderschutzbund in Detmold gibt es unter www.dksb-detmold.de im Internet.