Horn-Bad Meinberg/Detmold. Er wirkt wie ein ganz normaler Junge. Dass er innerhalb eines Jahres gleich zweimal die persönlichen Grenzen zwei junger Mädchen so brutal überschreiten würde, hätte wohl selbst die Staatsanwaltschaft nicht für möglich gehalten. Doch der groß gewachsene junge Mann, der jetzt wieder auf der Anklagebank in Saal 165 sitzt, bringt inzwischen eine rechtskräftige Haftstrafe von zweieinhalb Jahren mit sich. Der Vorwurf damals: Vergewaltigung - und es sollte nicht die letzte Straftat bleiben. Den Verlauf konnte die Justiz nicht vorhersehen. Um dem Jugendlichen nicht seinen Ausbildungsplatz zu zerstören, setzte man den Haftbefehl nach dem ersten Übergriff im Juli 2024 nach drei Wochen außer Vollzug. Nur fünf Tage vor seinem eigentlichen Prozesstermin kam es dann im Sommer 2025 am Rande der Abschlussfeier seines kleinen Bruders zu einem weiteren sexuellen Übergriff, der ihn am Mittwoch erneut vor Gericht bringt. Zweiter Übergriff, ähnliches Muster Die Tat spielt sich hier nach ähnlichem Muster ab: An dem Nachmittag Anfang Juli lockt der Angeklagte eine 15-jährige Bekannte an eine unbeobachtete Stelle im Kurpark in Horn. Die beiden verstehen sich. Dann eskaliert die Situation. „Sie ist von der Heftigkeit des Kusses überwältigt und überfordert gewesen“, so fasst es die Vorsitzende Richterin Anke Grudda später in der Urteilsverkündung zusammen. Obwohl das Mädchen sich lösen will, zieht der körperlich überlegene junge Mann die Jugendliche zurück, reibt sie auf seinem Schoß hin und her, hält sie fest - und berührt sie gegen ihren Willen unterm Rock im Intimbereich. Nur weil die Schülerin sagt, ihre Lehrerin würde nach ihr suchen, kann sie sich befreien. Sie vertraut sich sofort einer Freundin und aufmerksamen Lehrerin an. Die kann das Mädchen überreden, Anzeige zu erstatten. Dass sich der Vorfall genauso abgespielt hat, daran hat die Große Jugendkammer nach der Beweisaufnahme keinen Zweifel. Das liegt nicht allein an dem vollumfänglichen Geständnis des Angeklagten, der seine Defizite einsieht und an sich arbeiten will. Auch die Aussage des Opfers ist bereits bei beiden polizeilichen Vernehmungen erdrückend. Weil der Täter gesteht, muss das Mädchen vor Gericht aber nicht mehr ins Detail gehen. Richterin: „Verhalten gegenüber jungen Frauen inakzeptabel“ Die Kammer verurteilt den 19-Jährigen daher am Ende nach Jugendstrafrecht wegen sexueller Nötigung mit Gewalt zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Dabei wird das kürzlich rechtskräftig gewordene Urteil von November mit einbezogen und die Strafe entsprechend erhöht. „Ihr Verhalten gegenüber jungen Frauen ist völlig inakzeptabel“, sagt die Vorsitzende Richterin. Trotzdem bleibt die Kammer ein halbes Jahr unter dem Antrag von Staatsanwalt Lukas Schakow, der vor allem fassungslos darüber ist, dass der Angeklagte trotz bereits verbüßter Untersuchungshaft und so kurz vor seinem Prozesstermin wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs erneut übergriffig wurde. Rechtsanwalt Murat Arslan, der das Opfer in der Nebenklage vertritt, kann sich dem nur anschließen. „Sie haben hier eine Seele zerstört“, sagt er. „Als wären Mädchen nur Objekte für Sie.“ Der eigentlichen Tat kann Verteidiger Nikolaus Tschuck nichts entgegensetzen, er appelliert aber in seinem Plädoyer daran, sein Mandant sei von Reue getragen und wolle eine Therapie machen. Der Rechtsanwalt aus Essen sieht daher drei Jahre Haft als tat- und schuldangemessen an. Das Urteil liegt nur wenig darüber. Enorme Folgen für das Opfer Keine Strafe der Welt lässt die Folgen für das 15-jährige Opfer so einfach wegwischen. „Ich bin in ein Loch gefallen, wo ich immer noch etwas drinstecke“, sagt die Schülerin vor Gericht aus. Sie habe Alkohol getrunken, das Verhältnis zu ihrer Mutter zerstört. Der Absturz hängt wahrscheinlich nicht allein mit dem Übergriff zusammen, offenbar hat das Mädchen auch anderes zu verarbeiten, deutet ihre Lehrerin an. Vor Gericht spielt das aber keine Rolle. Dem Angeklagten selbst hat sie längst verziehen, schon als er sich kurz nach der Tat bei ihr entschuldigte. Dennoch will das Mädchen keinen Kontakt mehr. „Man kann alles verzeihen, aber nicht alles vergessen“, sagt sie. Seit Sommer mache sie eine Therapie. Der Weg bis hierhin sei schwer gewesen.