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Detmolder André Kahle: "Atlético muss man lieben"

30-Jähriger unterstützt die Fußballfans aus Madrid

Von Jörg Hagemann

Detmolder leitet Atlético Madrid-Fanclub - © Detmold
Detmolder leitet Atlético Madrid-Fanclub (© Detmold)

Detmold. Von dieser Partie träumt er seit zehn Jahren. Wenn Atlético Madrid heute in Hannover antritt, schlagen zwei Herzen in der Brust von André Kahle. Der Niedersachse organisiert von Detmold aus die deutsche Atlético-Fanbewegung.

Keine Fahne, kein Aufkleber. Nichts deutet vor dem schmucken Hausportal in der Elisabethstraße darauf hin, dass hier das deutsche Herz der "Rojiblancos" schlägt. Wir klingeln. Er öffnet. Blaues Sweatshirt mit Atlético-Wappen. Das war’s. Ansonsten deutet zunächst nichts an André Kahle auf die große Leidenschaft hin, die 2002 während eines Manager-Spiels der Primera Division im Internet entflammte. "Barcelona und Real waren als Mannschaften vergeben. Da habe ich Atlético genommen." Ein Jahr später hatte er derart Gefallen an dem zweiten großen Madrider Fußballklub gefunden, dass er sich nach Spanien aufmachte.

Mit Atlético am Küchentisch: André Kahle zeigt den Bildband von der 100-Jahr-Feier seines Lieblingsvereins. - © Foto: Hagemann
Mit Atlético am Küchentisch: André Kahle zeigt den Bildband von der 100-Jahr-Feier seines Lieblingsvereins. (© Foto: Hagemann)

Etwas blauäugig, ohne ein Wort spanisch zu sprechen, geriet Kahle frontal in die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Vereinsbestehen. Angefeuert von den berauschten Atlético-Fans, erklomm der "Alemanne" den Neptuno-Brunnen und hängte der Statue den rot-weißen Vereinsschal um den Hals.

Atlético-Fan muss leidensfähig sein

Das richtige Erweckungserlebnis folgte am nächsten Tag. Wie auf einer Prozession trugen 120.000 Madrilenen eine 1,2 km lange und 12 m breite Atlético-Fahne quer durch die Stadt ins Stadion Vicente Calderon. "Da ist mir der Atlético-Virus ins Blut geschossen", lacht Kahle, der gleich hautnah erfuhr, welche Leidensfähigkeit ein Atlético-Fan mitbringen muss. Das Jubiläumsspiel gegen Ossasuna ging kläglich mit 0:1 verloren. "Doch das ist typisch für die ,Los Pupas‘. Im entscheidenden Moment verlieren sie immer. Es geht stets rauf und runter – das zeichnet Atlético aus. Man muss den Verein lieben, denn gewinnen wird man nicht viel", vergleicht Kahle seinen Lieblingsklub mit 1860 München. "Die sind in den Herzen der Münchener auch der größere Verein."

Anfangs informierte sich der angehende Lehrer noch über das spanische Radio über die Spiele von Atlético. "Doch wenn man kein Wort versteht, ist es schwierig. Ich habe mich auf die Spielernamen konzentriert. Kannte ich einen Namen, wusste ich, dass wir in Ballbesitz waren. Doch lange macht man so etwas nicht mit. Das ist Horror pur", fiebert der 30-Jährige Wahl-Detmolder inzwischen über den österreichischen Internet-Stream "La Ola TV" mit, über den er die Spiele via Laptop verfolgt.

Live ist André Kahle am liebsten bei den Europapokaltouren dabei. "Ist doch toll, über den Fußball Städte wie Rennes, Glasgow oder Rom kennenzulernen", sagt der Chef der "Peña Atlética Centuria Germana" ("Die deutsche Hundertschaft"), der sich natürlich auch die Madrider Ortsderbys gegen Real nicht entgehen lässt. "Da werde ich so lange hinfahren, bis Atlético gewinnt. Bislang schon zwölf Mal..." Als ihm der Verein eines Tages den Posten eines Fanbeauftragten anbot, hat Andre Kahle überlegt, sein Langzeitstudium abzubrechen und auszuwandern.

Drei Monate besuchter er 2010 eine Sprachschule in Madrid, verzichtete aus privaten Gründen aber auf den Job als "Profi-Fan". Daheim in Detmold ist der mit einer jungen Ärztin liierte Kahle täglich mindestens zwei bis drei Stunden mit Atlético beschäftigt. Vor dem heutigen Europa-League-Viertelfinale natürlich noch viel mehr. Von Atlético Madrid wurde er sogar als offizieller Ansprechpartner für die deutsche Polizei und die Sicherheitskräfte benannt. Wie hatte Andre Kahle zu Beginn des Gespräches so schön gesagt: "Atlético kann eigentlich auf nichts stolz sein – nur auf seine Fans."

Atletico hat 671 Fanklubs

Atlético Madrid verfügt über 671 Fanklubs, darunter der deutsche Ableger "Peña Atlética Centuria Germana" mit 60 Mitgliedern. Dass die Madrilenen ihr Kartenkontingent in Hannover nicht ausschöpfen, begründet Kahle mit der wirtschaftlichen Lage: "Das Nettoeinkommen beträgt im Schnitt 1000 Euro, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 50 Prozent. Weil die Spiele abends um 22 Uhr stattfinden, gibt es in Spanien auch keine Auswärtsmitfahrmentalität wie in Deutschland."(jh)

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