Darum tauschten diese Lipper Bürostuhl gegen Schweinestall

Kalletal-Hohenhausen/Dörentrup-Bega. Die einen werden in den Betrieb hineingeboren und wollen unbedingt dabeibleiben, die anderen hatten eigentlich einen anderen Berufsweg eingeschlagen und entscheiden sich trotzdem dafür, einen Hof zu übernehmen. Dabei ist nicht erst durch die jüngsten Bauernproteste deutlich geworden, dass Ackerbau und Viehzucht nichts mit Bauernromantik zu tun haben. Warum also steigen junge Menschen bewusst in die Landwirtschaft ein? Zwei Paare erzählen von ihrer Entscheidung.

&bdquo;Viele haben gesagt: ,Ihr seid verrückt", erinnert sich Werner Klemme lächelnd. Der 31-Jährige führt seit 2015 den elterlichen Hof in Kalletal und hält sich nicht für verrückt. &bdquo;Das ist eine Lebenseinstellung. Einmal Landwirt, immer Landwirt." Dabei habe sich der studierte Agrarwissenschaftler die Entscheidung nicht leicht gemacht, schließlich muss ein Hof auch wirtschaftlich sein.

Insgesamt rund 420 Hektar bewirtschaftet Klemme, baut neben Weizen, Roggen und Hafer auch Backsaaten wie Blaumohn und Leinsaat an, zudem werden Schweine und Geflügel gezüchtet. Nicht Bio, aber tierfreundlich, erklärt er. Die Schweine werden auf Stroh gehalten, Gänse, Enten und Hühner laufen frei auf dem Gelände herum. Geschlachtet wird beim Hausschlachter &bdquo;um die Ecke".

Ihre Produkte, rund 100 sind es mittlerweile von Wurst über Marmelade bis zu Eingekochtem, verkaufen Klemmes an regionale Abnehmer und im eigenen Hofladen. Den wiederum führt Ehefrau Sabine Klemme (31) zusammen mit ihrer Schwiegermutter Margarete (67). &bdquo;Ich bin froh, dass es weitergeht", auch wenn sie das nie erwartet hätte, sagt die Seniorchefin. Schließlich sei es ein Vollzeit-Job, und Sabine Klemme hatte eigentlich einen Job als Regionalmanagerin und Wirtschaftsförderin. Doch den hat sie an den Nagel gehängt, nachdem sie ein Jahr lang nebenbei im Laden mitgearbeitet hatte – und die Arbeit kennen- und lieben lernte.

Ein vielseitiger Job nah an der Natur &bdquo;Der Job ist vielseitig. Ich kann vieles selbst planen und stehe hinter den Produkten, weil ich weiß, wo sie herkommen", erklärt Sabine Klemme ihre Entscheidung für den Hof. Auch der Kontakt zu den Kunden, die die Produkte schätzen und Feedback geben, sei etwas Besonderes. &bdquo;Wir leben mit und nach den Jahreszeiten", ergänzt ihr Mann, nah an der Natur. &bdquo;Ich kann selbst bestimmen, was ich anbaue, und Verschiedenes ausprobieren", schwärmt Werner Klemme. Und allein durch die Art und den Anbau der Feldfrüchte könne er den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren.

Carolin Wöhrmeier (43) hatte als Medizinische Fachangestellte kaum Berührungspunkte mit der Landwirtschaft. Doch im Jahr 2013 stiegen sie und ihr Mann Andreas (44) in die Schweinezucht ein. Er ist auf dem elterlichen Hof aufgewachsen, doch die hängten die Schweinezucht in den 1980er Jahren an den Nagel. Zu unrentabel, erklärt er. Er ist gelernter Elektrotechniker, hat als Produktmanager gearbeitet.

Doch irgendwann kam dem Paar der Gedanke, Schweine für den Eigenbedarf zu halten. &bdquo;Den Stall hatten wir ja", erinnert sich Carolin Wöhrmeier. Anfangs mit zwei Schweinen – das war nach dem Schlachten zu viel für die Familie, also bekamen Freunde und Verwandte etwas ab. &bdquo;Das Feedback war so gut, dass wir im nächsten Jahr schon sieben Schweine hatten."

Derzeit leben etwa 100 Tiere, Züchtungen aus Pietrain und Schwäbisch-Hällischem Landschwein, auf dem Hof. Mit viel Platz im Stall, &bdquo;so dass sie sich ihre Funktionsräume einrichten", erklärt Andreas Wöhrmeier. Eine Box mit Stroh zum Fressen, eine zum Schlafen und ein weiterer Bereich für die großen und kleinen Geschäfte. Und dazu Auslauf an der frischen Luft. Auch nicht bio-zertifiziert, aber tierfreundlich, versichert Andreas Wöhrmeier.

Geschlachtet wird beim Hausschlachter, zu dem sie ihre Tiere selbst bringen, &bdquo;um sicherzugehen, dass es ihnen bis zum Schluss gut geht", erklärt der Zuerwerbs-Landwirt. Neben dem Hof arbeiten beide weiterhin einige Stunden die Woche in ihren alten Jobs. Ihre 50 Produkte verkaufen sie auf den Wochenmärkten in Lemgo, Lage und Bad Salzuflen.

Viel Arbeit und Bürokratie Es sei die richtige Entscheidung gewesen, sind sich die Wöhrmeiers einig, auch wenn sie mehr oder weniger in die Landwirtschaft hineingeschlittert seien. Es sei Beruf und Berufung mit einem hohen Maß an Selbstbestimmung. &bdquo;Wir wissen, wir machen etwas Gutes", erklärt Andreas Wöhrmeier seine Freude am Job. &bdquo;Zu sehen, allen Tieren geht es gut, das ist ein schönes Gefühl", ergänzt seine Frau. Und ihre Tiere können sie auch vom Wohnzimmer aus direkt beobachten.

Doch es ist nicht alles nur schön, da sind sich beide Familien einig. Viel Arbeit sei gefragt, auch am Wochenende. Und die Bürokratie mache ihnen das Leben schwer. So braucht Werner Klemme zum Beispiel eine Genehmigung, um Mohn anzubauen, aus dessen Milch Opiate gewonnen werden können.

Auch die oft geforderte Reinheit bei der Ernte sei technisch schwierig zu erfüllen. Zudem sind Maschinen teuer, &bdquo;weshalb wir uns die über eine Kooperation mit mehreren Landwirten teilen", erklärt er. Andreas Wöhrmeier andererseits musste sich viel selbst aneignen, sei es die Schweinehaltung oder Hygienevorschriften. Und auch bei der Produktion sei nicht immer alles einfach, zum Beispiel die Herstellung von Mettwurst. &bdquo;Und wenn die mal nichts wird, ist das schon ärgerlich."

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