In Bega beweist Matthias Petig, wie Tierwohl in der Schweinezucht funktionieren kann

Dörentrup-Bega . Er wollte die Tradition seiner Vorväter fortführen, aber auch vieles ganz anders machen. In einer Zeit von Billigfleisch in den Supermärkten auf der einen und dem Ringen ums Tierwohl auf der anderen Seite hat Dr. Matthias Petig beschlossen, Schweine zu züchten und sich einem Berufsalltag zu stellen, der es in sich hat. Seit 2022 führt der 38-Jährige einen Biolandhof, züchtet und mästet Schweine. Ein Hofbesuch.

Soziale, intelligente Tiere

Ein typischer Apriltag, eben hat es noch gegossen, jetzt strahlt die Sonne auf die Hofanlage hoch über Bega. Der Stammhof der Petigs mit ihrer uralten Familientradition liegt unten im Dorf, hier oben steht eine komplett neue Anlage. Als die fremden Schritte sich über den Hof nähern, recken sich ein Dutzend kleiner Steckdosen den Besuchern entgegen. Im nächsten Augenblick, anscheinend aus Angst vor der eigenen Courage, saust die Rasselbande wie der Blitz in den Innenstall im hinteren Teil der großen Box. Und im Bruchteil einer Sekunde sind sie wieder da, die kleinen Ferkel. Es quietscht und hüpft, grauschwarze oder braune Flecken auf speckigen Hinterteilen, flinke Beinchen und große, aufgestellte Lauscher. &bdquo;Sie sind total neugierig und sehr agil“, liebevoll schaut Matthias Petig auf die kleine Herde, während er die Besucherin an den offenen Ställen entlangführt.

Einige andere Ferkel sind bereits mehrere Monate alt und schon ganz schön proper. Sie haben sich unters Dach vor dem Stall gekuschelt und bleiben gelassen liegen. Und zwar dicht an dicht: Schweine sind soziale, intelligente Tiere, die einander brauchen und in der Herde am besten funktionieren. &bdquo;Sie brauchen auch ihre Ruhezeiten“, erklärt ihr Halter mit Blick auf die Gruppe Halbwüchsiger, die gelassen zurückschauen.

Uralte Familientradition

Viele der Vierbeiner in seinen Ställen sind malerisch gefleckt. Denn der studierte Agrarwissenschaftler, der zum Thema Schweinezucht und Erhaltung seltener Tierrassen promoviert hat, widmet sich vor allem den Schwäbisch-Hällischen Landschweinen.

Damit führt er fort, was sein Ururgroßvater in den 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen hat: &bdquo;Er war auf Landschauen unterwegs und hat Schwäbisch-Hällische zusammengekauft, um mit ihnen zu züchten.“ Warum gerade die? – &bdquo;Die galten damals schon als sehr fruchtbar und als gute Mütter“, berichtet Matthias Petig. Und: Sie hatten ordentlich Fett – damals noch ein Qualitätsmerkmal. &bdquo;Aber dann kam in den 60-er Jahren der so genannte Magerwahn, und keiner wollte mehr fettes Schweinefleisch.“ Die Rasse drohte auszusterben, bis gerade einmal sieben Exemplare den Grundstamm für einen Neuanfang bildeten. Man muss kein Fachmann sein, um zu wissen: Wer bei einem solch winzigen Genpool anfängt, muss dringend andere Rassen einzukreuzen, um nicht vollkommen in der Inzucht zu versinken.

Buntgemischte Truppe

Und genau das macht Matthias Petig auf dem Hof in Bega, kreuzt immer wieder robuste Rassen ein, um das beste Ergebnis zu erzielen, dunkle Hampshires – eine englische Rasse mit schicken Stehohren, Durocs mit amerikanischen Wurzeln, dunkelgraubraune Ibericos aus Spanien, rosa Edelschweine aus der Schweiz. &bdquo;So bunt wie bei mir sind die Schweineställe anderswo selten.“

Einer seiner besten Mitarbeiter ist Joachim: Ein mächtiger, mittlerweile sechs Jahre alter Eber. Schwarzer Kopf, schwarzes Hinterteil und die charakteristischen Stehohren: Ein Hampshire-Eber, der bereits mehr als der Hälfte der Sauen im Stall beglückt hat – in direktem Kontakt.

Vorn im offenen Stall zicken sich ein paar Sauen an, empörtes Quieken ist unüberhörbar. &bdquo;Sie sind rauschig“, heißt im Fachjargon das, was beim Hund die Hitze ist. Vielleicht darf Joachim hier bald ran, die mit der Marke oben am Ohr sind für die Zucht bestimmt, andere werden irgendwann geschlachtet und landen über die Erzeugergemeinschaft in Bioläden.

Futter gibt’s im Fressstand

Damit es nicht über Gebühr Streit und Konkurrenz um Futter gibt, füttert der Landwirt seine Sauen in speziellen Fressständen. Sie tauchen unter einem Hebel durch, der sich hinter ihnen senkt, wenn sie vorn nach dem Futter langen. Hier kann die computergesteuerte Anlage Sojakuchen, Getreide und selbst auf den heimischen Feldern gezogenen Ackerbohnen – alle in Bio-Qualität – aus den Silos transportieren. Die Streu aus Stroh darf auch aus dem konventionellen Anbau stammen – eine Erleichterung, vor allem finanziell.

&bdquo;Die Schweine haben die Angewohnheit, draußen ihr Geschäft zu machen. Dann können wir das meiste mit dem Trecker ausmisten, denn die einzelnen Tore lassen sich hochfahren, so dass wir damit durchkommen.“ Drinnen im warmen Stall sind noch immer Handarbeit und die gute alte Forke gefragt. Da müssen Matthias Petig und seine Helfer aufpassen, vor allem bei den Muttersauen, von denen eine ziemlich ungemütlich wird, wenn man ihren Kleinen zu nahe kommt. Sie liegen in speziellen Ställen, in denen die Ferkel jeweils in einer Ecke einen eigenen, beheizten Rückzugsraum haben. &bdquo;Die Mutter hat es lieber kühler, die bleibt draußen.“

Ferkeln dürfen die Sauen ebenfalls in diesen Séparées. Und zwar, ohne dass sie wie in der konventionellen Schweinezucht tagelang in Gestelle gepfercht werden. Das Argument konventioneller Züchter ist, dass die Sau ihre Ferkel erdrücken könnte. &bdquo;Das kann dabei trotzdem noch passieren, wenn eines der Ferkel unter sie krabbelt.“ Es kommt es im Vergleich in der Biohaltung öfter vor, dass auch ein Kleines erdrückt wird, &bdquo;aber nicht so häufig, dass man dafür das Mehr an Tierwohl aufgeben würde.“

Schweine möchten wühlen

Sie liegen ihm am Herzen, immer mal wieder beugt er sich bei der Begehung hinunter zu den Tieren, krault sie am Kopf, und sie lassen es sich das gern gefallen. Woran merkt er ansonsten, dass diese Haltung den Schweinen gerechter wird? – &bdquo;Schweine möchten gern wühlen und graben, da kommt ihnen das Stroh sehr gelegen. Auf Spaltenböden geht das nun mal nicht.“ Und sie haben viel mehr Bewegungsfreiheit, trainiertere Muskeln, sind entspannter. Dass es ihnen besser geht als den Artgenossen in der konventionellen Massentierhaltung, davon ist Matthias Petig fest überzeugt. &bdquo;Man sieht das auch am Haarkleid“, erklärt er.

Und: Man riecht es. Der typische Schweine-Gestank, der manchmal über den Ställen konventioneller Mäster hängt, ist hier nicht wahrzunehmen, auch nicht in den Innenställen. Nur ein ganz schwacher Geruch hängt über der Anlage. Auch später, beim Verlassen des Hofes, wird in den Kleidern nichts wahrnehmbar sein – anders als bei einer Reportage im Massenstall vor einigen Jahren.

Hofvermarktung zu aufwendig

All das macht Matthias Petig noch nicht zum Kuschelbauern: Auch seine Schweine werden irgendwann im Schlachthof enden. Als Mitglied der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall lässt er die Mastschweine zum Verbandseigenen Schlachthof nach Fulda transportieren. Seine Ferkel gehen unter anderem nach Eversen bei Steinheim auf einen Biohof, Duroc-Ferkel zu Brandings Hof nach Lage oder auch zu Lars Meier nach Kalletal-Lüdenhausen, der im Nebenerwerb Durocs in kleinem Stil mästet und unter anderem alle zwei Wochen zwei Supermärkte in Barntrup und Bad Meinberg mit je einem halben Tier beliefert . Die eigene Hofvermarktung haben Petigs schon länger aufgegeben, weil der Aufwand einfach zu groß war. Der Vater zweier Kinder hat sehr lange überlegt, ob er all das wirklich will, sich dieser &bdquo;Wahnsinnsverantwortung“ und all den Hindernissen in Zeiten von Hofaufgaben und Fachkräftemangel, steigender Bürokratie und ungewisser wirtschaftlicher Entwicklung stellen will.

Bio rechnet sich besser

Der Versuch der Branche, Tierwohlstufen bei konventioneller Schweinehaltung zu vermarkten, ließe sich aus seiner Sicht wirtschaftlich nicht darstellen. &bdquo;Der einzige Bereich, wo das Mehr an Tierwohl auch im Markt abgebildet wird, war der Biobereich“, und das hat für ihn letztlich den Ausschlag zur Umstellung des gesamten Betriebs inklusive Futteranbau gegeben.

Allerdings: &bdquo;Auf dem deutschen Markt macht Schweinefleisch mit Bio-Siegel nur ein Prozent aus.“ Und wer sich den mitunter doppelt so hohen Preis für ein Stück Biofleisch leisten kann, geht obendrein noch sehr bewusst mit dem Konsum um: Bio-Eier und Bio-Gemüse boomen viel mehr. &bdquo;Der Durchschnitts-Bio-Kunde isst einfach nicht so oft Fleisch.“ Ganz abgesehen davon, dass die Deutschen generell im europäischen Vergleich einen deutlich kleineren Anteil ihres Einkommens für Essen ausgeben. Die Entscheidung pro Bio und Tierwohl hat er längst gefällt, und wer in sein strahlendes Gesicht bei der Hofführung schaut, der weiß: Für ihn war es wohl die richtige – und für seine Schweine.

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