Landeseisenbahn Lippe: 200 Mitglieder teilen eine Leidenschaft und einen Traum

Extertal. Wäre die Landeseisenbahn Lippe vor 40 Jahren nicht gegründet worden - wer weiß, was mit dem geschichtsträchtigen Eisenbahnbetrieb im Extertal geworden wäre. Doch Anfang 1985 wurde der Verein ins Leben gerufen, damals noch als &bdquo;Freundeskreis der Extertalbahn“. Heute ist die historische Elektro-Bahn weiterhin zwischen Bösingfeld und Barntrup unterwegs, die Museumszüge ziehen viele Passagiere an, und die Elektrolok E22 von 1927 ist ein rollendes Denkmal der Eisenbahngeschichte. An der Spitze des Vereins steht seit 2021 Golo Kahlert. Im Interview spricht der Lemgoer über die Faszination Eisenbahn und über Vergangenheit und Zukunft eines besonderen Vereins.

Sie sind Jahrgang 1987 und haben damit die Anfänge des Vereins nicht selbst erlebt. Wie sind Sie zur Extertalbahn gekommen?

Golo Kahlert: Ich war immer eisenbahnaffin. Ich wohnte schon damals in der Nähe der Bahnstrecke in Lemgo, und als 2005 die Bauarbeiten für die Wiederinbetriebnahme zwischen Lemgo und Lemgo-Lüttfeld begannen und hier der erste Bauzug entlangfuhr, habe ich begonnen, mich für diese Strecke zu interessieren. Als kleines Kind hatte ich noch die letzten Güterzüge dort fahren sehen, und dann war lange Zeit nichts mehr. Ich begann, intensiv zu recherchieren, und stieß auf ein Buch von Dr. Wolfgang Halle aus Lemgo über die Begatalbahn. Er war einer der Gründerväter des Vereins und bis 1994 sein erster Vorsitzender. Mir wurde empfohlen, mich an ein Mitglied der Landeseisenbahn zu wenden. Ralf Maritschnigg war Angestellter der Verkehrsbetriebe Extertal und arbeitete in Lemgo im Stellwerk. Da bin ich dann reingestolpert ...

Sie sind ins Stellwerk reingestolpert und damit in den Verein?

Golo Kahlert: Genau. Eigentlich wollte ich nur ein Buch haben, und am Ende hatte ich die Eisenbahn in real. Dann war ich das erste Mal bei der Landeseisenbahn in Bösingfeld, nahm das erste Mal an einer Fahrt teil, übernahm Handlangertätigkeiten, half in der Werkstatt und im Service bei den Fahrten, habe eine Ausbildung gemacht.

Was haben Sie gelernt?

Golo Kahlert: Zuerst Schrankenwärter für die handbedienten Bahnübergänge, wie es sie noch in Brake und Dörentrup gibt. Dann bin ich Rangierer und Zugführer geworden. Letzteres ist nicht der Lokführer, sondern vergleichbar mit dem Zugchef, der in den ICEs die Ansagen macht. Solche Eisenbahnerberufe kann man nach den für uns geltenden Vorschriften bei der Landeseisenbahn lernen.

Was macht für Sie die Faszination der Eisenbahn aus?

Golo Kahlert: Ich finde die Größenordnung dessen faszinierend, was da an Technik bewegt wird. Und als Kind hatte ich das als Modellbahn, Märklin H0. Außerdem geht es ums Handwerkliche: Wir könnten als Team tatsächlich jedes Fahrzeug zerlegen oder selbstständig im Gleisbau arbeiten. Als Freizeitbeschäftigung ist das wunderbar.

Die alte Technik ist aber reparaturanfällig.

Golo Kahlert: Auch neue Technik ist anfällig, das sehe ich oft genug als Berufspendler, der mit der Bahn fährt. Wenn bei uns fünf Leute mit Besen und Spitzhacke unterwegs sind, dann gibt es auch bei Schnee und Eis keine Weichenstörungen. Daran kann man sehen: Alte Technik ist kontrollierbar. Klar, sie kann kaputtgehen. Aber dann habe ich da eine Schraube, die ich losdrehen kann. Wenn ich nur noch Platinen habe, wird es für mich schwieriger. In Lage und Leopoldstal gibt es in den Stellwerken beispielsweise weiterhin Technik aus der Kaiserzeit. Und das funktioniert heute noch.

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Lassen Sie uns in die Geschichte des Vereins gucken ...

Golo Kahlert: Die ersten Fahrten im Extertal gab es in Zusammenarbeit mit den Verkehrsbetrieben Extertal, teilweise mit VBE-Fahrzeugen. Nach wie vor gehören die beiden E-Loks E21 und E22 den VBE. Der Verein hat mit der Dampflok 93 im Jahr 1988 sein erstes eigenes Triebfahrzeug beschafft.

Die war bei Ihnen unter Dampf, war dann eine Zeit lang nicht in Lippe und wird jetzt in Bösingfeld als rollendes Denkmal wieder flottgemacht. Wie weit ist die Restaurierung?

Golo Kahlert: Sie macht Fortschritte. Geplant ist, den Kessel im Laufe dieses Jahres erstmals wieder unter Dampf zu setzen - was nicht heißt, dass die Lok fahren kann. Es ist ein Zwischenziel. Aber wir haben gesagt: Dieses Fahrzeug ist das Stammfahrzeug des Vereins, deshalb holen wir es aus Augsburg zurück. Dampfbetrieb ist natürlich ein Publikumsmagnet. Es ist ein Erlebnis, wenn eine Maschine so richtig loslegt. Aber unser Konzept mit der elektrischen Bahn und den Nikolaus- und Osterfahrten sowie den Gastro-Fahrten funktioniert schon jetzt.

Aber Dampflok ist teuer.

Golo Kahlert: Natürlich, aber das gilt auch für alles andere: Die E-Lok ist teuer, die Fahrleitung ist teuer, die Waggons sind es letzten Endes auch. Wenn wir nicht die Fördergeber wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die NRW-Stiftung oder die öffentliche Hand selbst hätten, wäre der Betrieb gar nicht mehr möglich. Denn die Investitionen liegen weit oberhalb dessen, was wir an Einnahmen dagegenhalten können - selbst, wenn es super läuft. Bei der Dampflok gibt es auch viel ehrenamtliche Eigenleistung der Vereinsmitglieder. Es geht allerdings etwas schleppender als gedacht, weil wir uns immer wieder mit Überraschungen konfrontiert sehen. Man löst die Schrauben, macht irgendeinen Deckel auf und denkt: Oh Gott, wie sieht das denn da drin aus. Diese Arbeit braucht Zeit und Genauigkeit.

Spiegelt sich die Faszination auch in den Mitgliederzahlen wieder?

Golo Kahlert: Wir freuen uns immer über neue Mitglieder, brauchen uns aber nicht zu verstecken. Wir haben eine junge Aktivenschar und eine stabile Zahl von 200 Vereinsmitgliedern.

Welche Highlights gab es in 40 Jahren Vereinsgeschichte?

Golo Kahlert: Etwas Besonderes waren für mich die Fernfahrten. In den Jahren 2010 bis 2013 sind wir mit unserem Zug und angemieteten Loks rausgefahren - nach Hamburg, Goslar oder Norderney. Unser Reisezug war auf dem großen Netz unterwegs. Das wäre heute nicht mehr wirtschaftlich, weil es viele neue Vorschriften für das DB-Netz gibt. Ein anderes Highlight war 2001 die Inbetriebnahme unserer kleinen Dampflok Emil Mayrisch. Dann gab es lange Jahre nach Fahrleitungsdiebstählen keinen Elektro-Betrieb. Ein Höhepunkt war die Wiederinbetriebnahme des letzten Stücks im Jahr 2022. Oder die Wiederinbetriebnahme der E-Lok selbst im Jahr 2013.

Das ist auch für die Fahrzeuge gut, denn sie müssen bewegt werden. Richtig?

Golo Kahlert: Sowieso. Gerne. Immer! Das ist wie beim Oldtimer: Stehen ist schlechter als fahren. Was zum Fahren gebaut ist, sollte auch bewegt werden. Wir hoffen zum Beispiel, dass die E22 noch möglichst lange durchhält.

In den Anfängen fuhren sie durchs Extertal bis Rinteln-Süd. Das geht heute nicht mehr.

Golo Kahlert: Stimmt, etwa im Jahr 2004 wird es die letzten Betriebsfahrten bis Rinteln-Süd gegeben haben. Das ist aber kein Problem. Wir fahren im übrig gebliebenen Teil mit Tempo 30 von Bösingfeld über Alverdissen bis Barntrup, das ist eine landschaftlich schöne Strecke, und die Länge reicht. Zumal es sinnvoll ist, bei den Gastro-Fahrten eine längere Pause in Alverdissen einzulegen. Da müssen die Fahrgäste im fahrenden Zug nicht mit vollen Tellern aneinander vorbei laufen. Die Strecke nach Rinteln-Süd ist heute nicht mehr für die Eisenbahn zugelassen. Aber es fahren die Draisinen.

Bis Dörentrup fährt die Landeseisenbahn heute ebenfalls nicht mehr.

Golo Kahlert: Das ist richtig. Mit dem Unterschied, dass wir bis Dörentrup noch fahren dürfen, wir haben nur kein geeignetes Fahrzeug mehr, um einen Reisezug auf die Strecke zu bringen. Vor zweieinhalb Jahren haben wir unsere blaue Diesellok an die Verkehrsfreunde Braunschweig zurückgegeben. Sie war eine Leihgabe. Unsere Kleinlok Köf und der Triebwagen TVT können dort fahren, aber keinen Zug ziehen. Das haben wir sogar getestet. Zum Glück kümmern sich die Verkehrsbetriebe Extertal, die ja Eigentümer der Strecke bis Lemgo sind, um die Gleise und erhalten sie betriebsfähig. Wir haben ausreichend zu tun mit der Bewirtschaftung im Extertal. Da müssen wir ja nicht nur die Gleise, sondern auch die Oberleitung instandhalten.

Auf dem Stück Richtung Rinteln werden heute die Monocabs getestet ...

Golo Kahlert: Genau. Da kommen wir uns nicht ins Gehege. Der Impuls für die Monocabs kam damals aus den Reihen des Vereins, über das Projekt Smart Railway und das heutige Kulturstellwerk. Heute ist das Projekt Monocabs komplett unabhängig von uns. Wenn es gelingt, eine Symbiose zwischen dem Museumsbahnbetrieb und den Monocabs auf der bestehenden Infrastruktur hinzubekommen, dann kann man das ins Auge fassen. Aber wir als Verein wollen klassischen Eisenbahnbetrieb machen - mit zwei Schienen.

Was haben Sie als Verein als Nächstes vor der Brust?

Golo Kahlert: Neben der Dampflok wollen wir in diesem Jahr die historischen Geräte sanieren, die den Gleichstrom in die Fahrleitung einspeisen. Das ist eine Technik, die es seit Jahrzehnten nicht mehr gibt. Dank externer Hilfe wollen wir eine Backup-Technik einbauen - für den Fall, dass die alte Technik mal kaputtgeht. Und am rollenden Material muss immer gearbeitet werden - Zerlegen von Drehgestellen, Zerlegen von Bremsanlagen, Wagenbau ... Außerdem haben wir noch einen ganz großen Wunsch für die Zukunft.

Welchen?

Golo Kahlert: Es gibt noch zwei der ursprünglichen straßenbahnförmigen Triebwagen der Extertalbahn, die nach Einstellung des Personenverkehrs Ende der 60er Jahre nach Österreich gegangen sind. Die sind da tatsächlich noch in Betrieb. Aber auch sie sollen ausgemustert werden. Wir würden gerne den letzten historischen Eisenbahn-Triebwagen zurückholen - auf die historische Strecke. Wann, darüber laufen gerade Gespräche. Auch die VBE sind wohlwollend miteingebunden. Die Älteren bei uns sind mit diesen Wagen noch selbst zur Schule oder zur Ausbildung gefahren.

Die Chronik 1985: Gründung der Landeseisenbahn Lippe, damals noch als &bdquo;Freundeskreis der Extertalbahn“.

1989: Erster Einsatz der Dampflok 93 in Extertal.

1990: Erste Museumsfahrten zwischen Barntrup und Rinteln-Süd.

1998: Dampflok 93 darf vorerst nicht mehr fahren.

2001: Inbetriebnahme der Dampflok Emil Mayrisch.

2004: Letzte Betriebsfahrten bis Rinteln-Süd.

2010-2013: Fernfahrten mit dem Reisezug auf dem großen Netz, etwa nach Hamburg, Goslar oder Norderney.

2013: Wiederinbetriebnahme der E-Lok.

2014: Verkauf Dampflok Emil Mayrisch nach Dänemark, Rückkehr der Dampflok 93 aus Augsburg.

2021: Golo Kahlert übernimmt den Vorsitz von Benedikt Vogelsteller.

2022: Wiederinbetriebnahme des letzten Stücks der elektrifizierten Strecke nach Oberleitungsdiebstählen.

2025: Die Landeseisenbahn restauriert weiter die Dampflok 93.

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