Horn-Bad Meinberg. Leicht haben sich Marianne Sieweke und Michael Kloß die Entscheidung nicht gemacht, gemeinsam in eine Wohnung zu ziehen. Beide sind an Multipler Sklerose erkrankt und entsprechend in ihrer Bewegung eingeschränkt. Dennoch wagte das Paar den Schritt und zog in die erste gemeinsame Wohnung am Bad Meinberger Müllerberg.
Heute, gut ein Jahr später, blicken die zwei mit überwiegend positiven Gefühlen zurück. Nach vielen Schwierigkeiten und zu bewältigenden Problemen im Alltag überwiegen für die beiden Bad Meinberger mittlerweile die guten Seiten der Entscheidung von damals.
Die „MS" abgekürzte Krankheit Multiple Sklerose wirkt auf das zentrale Nervensystem und stört den Informationsfluss zum übrigen Körper. In der Folge können verschiedene, nicht direkt vorhersagbare Behinderungen auftreten. Entsprechend unmöglich ist es, einen typischen Krankheitsverlauf zu beschreiben. Die Auswirkungen sind von Patient zu Patient verschieden. Die genaue Ursache für die Krankheit ist der Forschung bis heute nicht bekannt. Die meisten Diagnosen werden bei Patienten zwischen dem 20. und dem 50. Lebensjahr gestellt. Es erkranken statistisch dreimal mehr Frauen als Männer an MS.
„Wenn zwei Menschen zusammenziehen, die im Rollstuhl sitzen und so stark in der Bewegung eingeschränkt sind wie wir, dann ist das natürlich kein Leichtes und hält Probleme und Fallstricke an allen Ecken und Kanten bereit", berichtet Marianne Sieweke im LZ-Gespräch in der gemeinsamen Küche mit Michael. „Wir haben uns von vorn herein keinerlei Illusionen gemacht, ganz im Gegenteil. Vielleicht haben wir an der einen oder anderen Stelle sogar Probleme gesehen, die eigentlich gar nicht existieren."
Sorgen gab es beispielsweise hinsichtlich ganz praktisch-handfester Fragen, etwa ob der Platz reichen würde, um mit zwei großen Rollstühlen ausreichend Bewegungsfreiheit zu haben und wie das Ganze logistisch zu meistern sei. „Denn schließlich sind wir bei eigentlich jedem größeren oder manchmal kleinerem Handgriff auf Hilfe von anderen angewiesen", erklärt Marianne. „Mal eben" gehe deshalb bei den beiden gar nicht.
Entsprechend akribisch, beinahe schon generalstabsmäßig wurde der Umzug als solcher im Vorfeld geplant und strukturiert. Dazu Marianne Sieweke: „Wir haben zum Beispiel die Abmessungen einiger Möbel mit Schals oder anderen Gegenständen auf dem Boden simuliert, um zu gucken, ob ich mit dem Rollstuhl anschließend daran vorbei kommen würde."
So gut vorbereitet, sei der Umzug selbst dann wie ein Puzzle abgelaufen, bei dem ein Teil in das andere greift – Schritt für Schritt. Denn die beiden haben sich für das Zusammenziehen viel Zeit gegeben. „Marianne ist als erste hier eingezogen und ich dann einige Wochen später", erinnert sich Michael Kloß, der zuvor in Hannover gelebt hatte.
„Im Verlauf des vergangenen Jahres haben wir dann neben den speziellen Problemen durch unsere Krankheit natürlich auch die ganz normalen Herausforderungen des Alltags meistern müssen, die sich nun mal ergeben, wenn zwei Menschen gemeinsam in eine Wohnung ziehen", berichtet Marianne. „Das geht los beim Fernsehprogramm, auf das man sich einigen muss, bis zu Fragen, wer isst was oder welche Raumtemperatur wollen wir haben." Ab und an ein kleiner Streit oder eine Meinungsverschiedenheit waren für die zwei nicht überraschend.
Jetzt, nach einem Jahr, überwiegen für das Paar die Vorteile – Zweifel und Befürchtungen sind gewichen. „Besonders, weil wir uns gegenseitig viel Kraft geben können und schwierige Phasen sich gemeinsam einfach viel besser durchstehen lassen als allein", freut sich Marianne Sieweke. „Durch die Krankheit bedingt, gibt es immer mal wieder Tage, an denen es für einen von uns sehr schwer ist, sich überhaupt aufzuraffen. Da ist es schön, wenn jemand da ist."