Amazon bleibt in Belle ein kontroverses Thema

Horn-Bad Meinberg/Belle. An der möglichen Ansiedlung des Versand-Riesen Amazon im Industriepark Lippe in Belle scheiden sich weiterhin die Geister. Auf der einen Seite trommelt die Initiative &bdquo;Beller Feld" lautstark &bdquo;für den Erhalt der lippischen Landschaft", auf der anderen Seite bereitet die Stadt mit einem neuen Bebauungsplan den Weg für den Bau des Logistikzentrums.

Um Druck vom Kessel zu nehmen und aus Rücksicht auf die durch die Coronavirus-Pandemie erschwerten Bedingungen, hatte die Stadt sich bereit erklärt, bis Mitte Januar bei ihr eingehende Fragen zum Bebauungsplan Be10 &bdquo;Der Industriepark Lippe" zu beantworten. &bdquo;So konnten die Fragen auch von Personen eingereicht werden, die an einer Versammlung nicht hätten teilnehmen können oder wollen oder die dort öffentlich keine Frage gestellt hätten", schreibt Pressesprecher Sebastian Vogt. &bdquo;Aber auch die Antworten sind nachhaltig, jeder Zeit und relativ niederschwellig einsehbar." Nämlich auf www.horn-badmeinberg.de in der Rubrik &bdquo;Rat und Verwaltung", Unterrubrik &bdquo;Nachrichten". Alles freiwillig und vom Gesetz so nicht gefordert.

Die gesetzlich vorgeschriebene Offenlegung des Bebauungsplans endet am kommenden Montag, 15. Februar. Bis dahin können noch Stellungnahmen abgegeben werden, die dann in das reguläre Verfahren einfließen. Der Initiative &bdquo;Beller Feld" reicht das nicht. Sie hatte im Ausschuss für Stadtentwicklung am Mittwoch beantragt, die Offenlegung der Pläne bis zum 15. März zu verlängern. Die Materie sei komplex, die Offenlegungsfrist zu knapp bemessen, um alles zu prüfen. Coronavirus-bedingt sei ein Austausch unter den Betroffenen und mit den Planern mühsam bis unmöglich. Die Verwaltung rechnete vor: Der Offenlegungszeitraum sei bereits von 30 auf 40 Tage verlängert worden, die Pläne bereits zehn Tage vorher einsehbar gewesen. Man sei damit deutlich über die gesetzlichen Anforderungen hinausgegangen. Das sah der Ausschuss auch so und lehnte den Antrag mit großer Mehrheit ab.

Kurz vor dem großen Schnee wurden große Teile der bislang weiter als Ackerland verpachteten Erweiterungsfläche des Industrieparks umgepflügt. Außerdem sind Bambusstäbe in den Boden gesteckt worden, an denen später Flatterband befestigt werden soll, um Bodenbrüter wie die Feldlerche zu verscheuchen. Ob solche vorbereitenden Arbeiten denn erlaubt seien, wenn die Offenlegungsfrist des Bebauungsplans noch nicht abgelaufen sei, fragt Wolfram Fiedler von der Initiative &bdquo;Beller Feld". &bdquo;Grundsätzlich begrüßen wir das sogar", sagt Daniel Telaar, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreis Lippe, &bdquo;damit nicht hinterher Probleme entstehen."

"Dann wären sie Helden" Flatterbänder empfehle man bei bevorstehenden Baumaßnahmen, weil es ja in der Regel zu einer Genehmigung komme, ab Winter oder Frühjahr. &bdquo;Wobei das nicht heißen soll, dass der Bebauungsplan rechtskräftig wird. Aber auch andere Untersuchungen – beispielsweise des Baugrunds – finden ja schon im Vorfeld statt." Werde der Bebauungsplan rechtskräftig, dann trete in gewisser Weise der Artenschutz etwas zurück. Telaar: &bdquo;Der ist dann abgeprüft und man hat Vorsorge getroffen, indem man genau solche Flatterband-Maßnahmen gemacht hat."

Die Änderung der Nutzungsart von Landwirtschaft zu Gewerbegebiet habe sich mit dem dem Bebauungsplan übergeordneten Flächennutzungsplan schon entschieden, der ja auch offengelegt worden sei. &bdquo;Das Gewerbegebiet wird später nicht mehr in Frage gestellt. Im Grunde hat die Stadt dann sogar den Auftrag, dort ein Gewerbegebiet zu entwickeln", sagt Telaar. &bdquo;Natürlich muss ein Bedarf da sein."

&bdquo;Es war von vornherein falsch, sowas anzulegen", ärgert sich Wolfram Fiedler. Auch damals habe es gegen die Entscheidung für einen Industriepark schon Protest gegeben. &bdquo;An Gewerbegebieten hat ja kein Mangel bestanden." Man habe den bisherigen kleinen Teil des Industrieparks ja schon nicht voll bekommen. &bdquo;Angesichts der Klimakrise müssen solche Böden erhalten bleiben. Und das hat ja nicht Gott entschieden, sondern der Stadtrat. Man kann es also wieder ändern." Jegliche Kritik an Amazon pralle an den Lokalpolitikern aber ab. &bdquo;Die wollen sich feiern lassen, den großartigen Internetriesen Amazon nach Belle geholt zu haben", ist Fiedler überzeugt. &bdquo;Dabei hat eine Kommune so eine Macht. Die könnten sagen: Diese Entwicklung möchten wir nicht mittragen. Dann wären sie Helden."

Tatsächlich steigt Amazons Bedarf an Logistikflächen immer weiter. &bdquo;Eine im letzten Jahr veröffentlichte Einschätzung der globalen Investmentbank RBC Capital Markets beziffert den Flächenzuwachs für 2020 auf das Dreifache von 2019", schreibt der Branchendienst &bdquo;Business Insider". Der Grund: Die von Amazon für &bdquo;Prime"-Kunden favorisierten Ein-Tages-Lieferungen. Sie erfordern ein nahe am Kunden gelegenes Lager.

Sabine Röntgen-Schmalenberg wohnt in Wöbbel. Dem Ort würde das Logistikzentrum viel näher auf den Pelz rücken, als Belle. Nur die Ostwestfalenstraße und ein kleines Stück Acker wären dazwischen. Sie sorgt sich vor allem um den Baulärm, der ab März losgehen könnte. Außerdem weist sie auf eine paar Ungereimtheiten hin. So war in ursprünglichen Plänen für den Industriepark von 2006 eine GI-Zone (Industriegebiet mit 24-Stunden-Betrieb) nur in der Mitte vorgesehen. Es sollte zu Wöbbel und Belle von einer GE-Zone (Gewerbegebiet) eingerahmt werden. Nun ist der komplette Bereich bis zur Ostwestfalenstraße GI-Zone, die Amazon für den 24-Stunden-Betrieb auch benötigt. Der Regionalplan, auf den sich die Stadt mit ihrem Flächennutzungs- und letztendlich auch mit dem Bebauungsplan bezieht, macht diese Unterscheidung aber nicht. Er kennt nur einen &bdquo;Gewerbe-und Industrieansiedlungsbereich (GIB)". Im Flächennutzungsplan heißt der Bereich nur &bdquo;Gewerbliche Baufläche (G)".

In einer älteren Version der Begründung zum Bebauungsplan vom 19. Mai 2020 wird der Begriff &bdquo;Warenverteilzentrum" für das Amazon-Gebäude verwendet. In der aktuellen Begründung vom 4. Dezember 2020 steht stattdessen &bdquo;Logistikzentrum". Während ein Warenverteilzentrum (mit kleinen Transportern) eher Endkunden in der Nähe bedient, beliefert ein Logistikzentrum (mit Lkw) eher andere Warenverteilzentren.

Lob und Tadel: Stimmen zum geplanten Logistikzentrum Wer die Fragen und Stellungnahmen zum Bebauungsplan Be10 für den Industriepark liest, könnte meinen, dass die gesamte Anrainerschaft aus Amazon-Gegnern besteht. Der Beller Roland Gratopp hat in seinem Umfeld hingegen wenig negative Stimmen gehört. Der Lkw-Verkehr durch Belle sei bis in die 90er Jahre hinein durch die Möbelindustrie wohl deutlich schlimmer gewesen, als das, was Amazon bringen werde, meint Gratopp. &bdquo;Natürlich möchte ich auch vernünftige Lösungen an Gefahrenpunkten. Beispielsweise Ampelanlagen an Freibad/Sportplatz und Schützenhaus. Aber das sind Punkte, die man lösen kann." Und der Zuzug von Amazon-Arbeitern werde sich positiv auf den Grundschulstandort auswirken, ist Gratopp überzeugt. Auch Jörn de le Roi erwartet positive Auswirkungen für seinen Wohnort Belle. "Die Bezahlung bei Amazon ist nicht so schlecht, wie immer erzählt wird. Und es braucht auch Arbeitsplätze für Menschen mit Sekundarschulabschluss." Die Amazon-Fahrer, mit denen er sich unterhalten habe, seien zufrieden.

In den Stellungnahmen, die die Stadt Horn-Bad Meinberg nach der ersten Einwohnerversammlung im Juni 2020 zum Bebauungsplan für den Industriepark erreichten, wird Amazons Profitgier und das fehlende Fairplay gegenüber Mitarbeitern beklagt. Anwohner sorgen sich um ihre Ruhe (Lkw-Verkehr) und um die Natur. Außerdem befürchten sie sinkende Immobilienpreise und die Verdrängung des regionalen Einzelhandels.

Die Stadt Steinheim merkt an, dass die Klärung der Abwässer zu prüfen wäre. Letztere reinigen Belle und der Industriepark nämlich im Steinheimer Klärwerk. Schieder-Schwalenberg legt sein Augenmerk auf ausreichend große Regenrückhaltemöglichkeiten und genügend sanitäre Einrichtungen für Lkw-Fahrer. Die Landwirtschaftskammer merkt an, dass nicht noch mehr landwirtschaftliche Nutzfläche für Ausgleichsflächen verwendet werden dürfe. Die Bezirksregierung wünscht sich eine Parkpalette für die Angestellten, um den Flächenverbrauch des ruhenden Verkehrs zu reduzieren. Der Kreis Lippe merkt an, dass der Bodenaushub mit Bauschutt vermischt werden dürfe, und die Kreispolizeibehörde erwartet Auffahr- und Abbiegeunfälle bei Schichtwechseln.

Die Kritiker kommen zu spät Ein Kommentar von Jost Wolf

Ja, es ist schade um das Beller Feld, das künftig nicht mehr wiederzuerkennen sein wird. Aber die Entscheidung dafür ist vor 15 Jahren gefallen, und ihre Kritiker haben sich schon damals nicht durchsetzen können.

Die Stadt hätte in der Vergangenheit allerdings offensiver erklären können, warum der Industriepark Lippe nur so langsam vollläuft. Nämlich, weil sich nur Industriebetriebe dort ansiedeln sollten und keine Gewerbebetriebe. Ja, das Amazon-Logistikzentrum wird ein großer Klotz. Aber Hornitex war zu seinen Glanzzeiten auch kein kleiner Betrieb. Und die Gewerbesteuer, die der Versandriese wenigstens teilweise in Horn-Bad Meinberg zahlen muss, kann die Kommune wahrlich gut gebrauchen. Gleiches gilt für die zu erwartenden Jobs. Sicher, sie zielen nicht auf Abiturienten, aber das taten die Stellen bei Hornitex auch nicht und auch solche Jobs braucht es.

Und ja, Amazon wird mit dem Bau seine Position bei Ein-Tages-Lieferungen hier in der Gegend verbessern und es dem Einzelhandel so noch schwerer machen. Allerdings ist das Teil eines Strukturwandels, den wir nicht werden aufhalten können. Händler in den Innenstädten werden sich Überlebensnischen suchen und mehr Service anbieten müssen – oder künftig ihr Ladengeschäft als Zubrot für einen Onlinehandel im Hinterzimmer verstehen.

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