Amerikanische Einwanderer bringen südostlippische Krebse in Bedrängnis

Südostlippe. Ludwig Bartmann isst gern Krebse. Aber keine exotischen, sondern die aus hiesigen Gewässern, die er selbst in Reusen fängt. Sorgen bereiten ihm amerikanische Zuwanderer, die mittlerweile die hiesigen Arten verdrängen und das Ökosystem in den Gewässern gefährden.

Der 74-Jährige war bis zu seiner Pensionierung Fischereidezernent bei der Bezirksregierung in Detmold. Als Pächter von Gewässern in Lippe beobachtet er die Tier- und Pflanzenwelt seit langem. Ein Dorn im Auge ist ihm dabei der dominante Signalkrebs, der - ehemals von Menschen hier ausgesetzt - aus Amerika stammt und sich unter anderem in Südostlippe zunehmend breit macht.

Funktion im Ökosystem Das Problem dabei: Der Signalkrebs verdängt die heimischen Edelkrebse, die eine wichtige Funktion im Ökosystem haben, beispielsweise als Aasfresser. Er frisst vor allem einheimischen Tieren die Nahrung weg - der Bestand sei in NRW vielerorts nicht mehr vorhanden oder dezimiert, wie Bartmann berichtet. Der Signalkrebs ist meist auch resistent gegen die Krebspest, die ausschließlich Flusskrebse befällt und für europäische Krebsarten fast immer tödlich verläuft. Er kann die Krankheit auch weiter verbreiten, die durch einen Ei- oder Scheinpilz ausgelöst wird.

Gravierend sei das Signalkrebs-Vorkommen in der unteren Werre und Bega im Raum Bad Salzuflen, berichtet Claus Gröger, Förster und Fischereiexperte beim Landesverband Lippe. Dort würden von den Angelvereinen vermehrt Reusen gesetzt, um die Zahl zu verringern. Die fremden Krebse und der von ihnen ausgeübte Fraßdruck bereiteten den Fischen Stress.

Stress für Tiere Zudem breite sich die gern Fischlaich fressende Schwarzmeergrundel, ein kleiner Fisch, zunehmend werre- und begaaufwärts aus. &bdquo;Die heimischen Fischarten sehen sich dort mit Signalkrebs und Grundel also zwei sehr erfolgreichen neuen Fressfeinden gegenüber“, resümiert Gröger zum Ökosystem Bach. Neue Stressoren für die heimischen Tiere seien Kormoran und Gewässererwärmung.

&bdquo;Wenn man sie sieht, ist es fast zu spät“, erklärt Ludwig Bartmann zu den Signalkrebsen. Im Mai und Juni kann man sie in vielen Bächen wie der Wiembecke zwischen Berlebeck und Holzhausen-Externsteine, im Silberbachtal in Leopoldstal oder in Nordlippe gut sehen, denn dann suchen sie Geschlechtspartner und treten in Massen auf.

Schon seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, leben Flusskrebse in den meisten Binnengewässern Mitteleuropas. Nach Angaben des Edelkrebsprojektes NRW in Bad Münstereifel wurden die ausgedehnten Bestände im Wesentlichen durch den Edelkrebs gebildet, auch Europäischer Flusskrebs genannt. &bdquo;Die Häufigkeit seines Vorkommens und sein wohlschmeckendes Fleisch machten ihn in den vergangenen Jahrhunderten zu einem begehrten Nahrungsmittel“, heißt es weiter. Fang und Handel seien in einem aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbaren Ausmaß ausgeübt worden. Das Edelkrebsprojekt NRW betreibt die Wiederansiedlung von heimischen Krebsarten.

Krebsfang sicherte Überleben Gröger geht davon aus, dass der Fang einigen Menschen früher das Überleben gesichert hat. Aus einer Akte aus dem Jahr 1826 ist beispielsweise zu entnehmen, dass in der Wiembecke Forellen, Weißfische und Krebse gefischt wurden. Das Ganze hat also auch einen wirtschaftlichen Aspekt: Nach Angaben Bartmanns sei der Ertrag früher bis zu 150 Kilogramm pro Hektar gewesen, heute liegt er bei höchstens 10 Kilogramm - wenn überhaupt.

Ursprüngliche Bestände des Edelkrebses findet man nur noch in sehr wenigen Gewässern NRWs. Ein großer Teil der bekannten Vorkommen geht auf Ansiedlungsprojekte zurück. Auch der Landesverband Lippe siedelt nach sorgfältiger Analyse der Standortbedingungen seit Jahren an verschiedenen Standorten immer mal wieder Edelkrebse an. Aufgrund der Bestandssituation und der zunehmenden Gefährdung durch nicht heimische Flusskrebsarten und die Krebspest gilt der Edelkrebs in NRW als vom Aussterben bedroht.

Um die Problematik nicht noch zu verschlimmern, verweist Claus Gröger auf das Landesfischereigesetz, das das Aussetzen von fremden Fischen verbietet. &bdquo;Das Risiko, dass man einen gesunden Bestand damit kaputt macht, ist groß“, warnt er. Doch manchmal wisse sich die Natur auch zu helfen, hat Ludwig Bartmann festgestellt. Waschbären hätten die Signalkrebse als Nahrungsquelle entdeckt - und dezimierten an einigen Stellen den Bestand.

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