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Wahl zwischen Gut und Böse

DAS INTERVIEW mit Lehrer Hubert Wortmann über Rechtsextremismus und Handlungsoptionen

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Hubert Wortmann
Hubert Wortmann
VON JANA BECKMANN

Schlangen. Das Varusjahr hat auch Schattenseiten: Der Bielefelder Staatsschutz rechnet mit mehr rechten Gruppen denn je am Hermannsdenkmal. Hubert Wortmann von der Friedrich-Copei-Schule in Schlangen bindet das Thema Rechtsextremismus seit Jahren in den Unterricht ein. Im Gespräch mit der LZ erklärt er, was Lehrer tun können.

Herr Wortmann, sollte Rechtsextremimus mehr als sonst im Fokus stehen?
Hubert Wortmann: Er sollte auf jeden Fall Thema sein. Um Rechtsradikalismus zu vermeiden, brauchen wir im Alltag Anerkennung. Die jungen Leute müssen eine Ausbildung und Perspektiven haben. Der erhobene Zeigefinger hilft da nicht. Das ist eine Illusion.

Engel oder Teufel: Manchmal kann die Situation, in der sich Menschen befinden, handlungsleitend sein. Dagegen arbeitet der Schlänger Pädagoge Hubert Wortmann bei seinen Schülern an. Fotomontage: Gerstendorf-Welle
Engel oder Teufel: Manchmal kann die Situation, in der sich Menschen befinden, handlungsleitend sein. Dagegen arbeitet der Schlänger Pädagoge Hubert Wortmann bei seinen Schülern an. Fotomontage: Gerstendorf-Welle

Wie gehen Sie mit dem Thema um?
Wortmann: Schule muss versuchen, eine Anerkennungskultur zu schaffen. Die Schüler müssen so sein dürfen, wie sie eben sind. Trotzdem muss man ihnen natürlich auch zeigen, was richtig und was falsch ist. Beim Holocaust ist es zum Beispiel wichtig, ihn in einen Zusammenhang einzuordnen. Antijudaismus, Antisemitismus – das kann man gut im Unterricht erarbeiten. In Geschichte oder Philosophie.

Heikle Dinge...
Wortmann: Für die Jugendlichen sind das keine heiklen Dinge. Für sie ist die Frage nach der persönlichen Schuld nicht gegeben. Die 3. oder 4. Generation ist nicht so nah dran. Und Migranten haben mit der deutschen Vergangenheit schon lange nichts am Hut.

Wie führen Sie Ihre Schüler an das Thema heran?
Wortmann: Meine Leitlinie ist der Kantische Imperativ, dass der Mensch "Zweck an sich" ist. Danach darf dem Menschen die Würde nicht genommen werden. Ich erarbeite mit den Schülern zunächst, was Würde ist und zeige auf, dass jeder die Handlungsoption zwischen Gut und Böse hat.

Unter Umständen kann also jeder böse werden...?
Wortmann: Die Situation kann handlungsleitend sein. Nehmen Sie das Stanford-Prison-Experiment, das der Psychologe Philip Zimbardo in den USA durchgefürt hat und das später unter dem Titel "Das Experiment" verfilmt worden ist. Darin wurden einige Versuchspersonen als Gefangene und einige als Wärter eingeteilt. Erst probierten beide Seiten ihre Rollen nur aus. Einige Wärter wurden jedoch ziemlich schnell zu den Bösen und malträtierten die Gefangenen, andere quälten dagegen nicht.

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