Am Kalletaler Kiessee sollen schottische Rinder grasen

Kalletal-Varenholz. &bdquo;Ein herausragendes Gebiet." Das Urteil des Vlothoer Nabu-Fachmanns Dieter Marten ist eindeutig: Das Areal an Weser und Herrengraben inklusive dem bisherigen Varenholzer Kiesabbaugebiet ist ein Tummelplatz für Vögel. &bdquo;Mehr als 180 Vogelarten haben wir dort festgestellt. Das ist eine extrem hohe Anzahl." Nun soll das Biotop zum Naturschutzgebiet werden.

Der Kreis Lippe möchte das bestehende Naturschutzgebiet Aberg-Herrengraben, das zurzeit einen bewaldeten Streifen nördlich der Varenholzer Straße umfasst, um 87 Hektar Richtung Weser erweitern. Zumal es dort in den Weserauen nicht nur viele, sondern auch seltene Vogelarten gibt. Manfred Zimmermann von der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises nennt den Baumfalken, den Flussregenpfeifer, den Neuntöter oder den Schwarzmilan. Hinzu kommen neben Pflanzen auch Amphibien wie die Kreuzkröte oder die Gelbbauchunke – &bdquo;etwas ganz Besonderes. Sie kommt nur noch an wenigen Standorten in ganz Nordrhein-Westfalen vor", sagt Zimmermann.

Entstanden ist das Naturparadies zwischen Aberg, Herrengraben und Kiesteichen durch das Zusammenspiel von Wasser und Land – und durch den Eingriff des Menschen in Form des Kieswerks Eggersmann, das den Boden abgegraben hat. Nun sind die Sand- und Kiesvorkommen erschöpft, und die Firma erschließt derzeit ein neues Areal ein Stück weseraufwärts . Zwei der Kiesteiche am Beutebrink sollen zum Naturschutzgebiet gehören – der westliche und der südöstliche.

"Große Schnittmengen" mit Naturschutzvorhaben Tiere brüten auf den Inseln darin, etwa der Kiebitz. Der dritte Kiesteich im Nordosten, mit einem Damm abgetrennt, bleibt für das Kieswerk in Betrieb und wird auch gebraucht, damit Eggersmann das Material vom neuen Abbaugebiet per Schiff über die Weser zum Kieswerk transportieren kann. Auch der Fähranleger soll noch außerhalb des Naturschutzgebiets liegen. Damit kämen sich Naturschutz und Werksbetrieb nicht in die Quere, so Zimmermann.

Für das künftige Naturschutzgebiet gibt es einen Rekultivierungsplan, der laut Zimmermann &bdquo;große Schnittmengen" mit den Naturschutzvorhaben hat. Die Kosten dafür muss das Kiesunternehmen tragen. Zuerst aber sollen die formalen Voraussetzungen für die Vergrößerung des Naturschutzgebietes geschaffen werden. Dazu muss der Landschaftsplan geändert werden, wie Zimmermanns Kollegin Birgit Steffen-Waschek im Kalletaler Umweltausschuss sagte.

Das vergrößerte Naturschutzgebiet soll aber auch für Menschen zugänglich sein. Nach Zimmermanns Worten soll dort &bdquo;naturverträgliche Erholung" möglich sein. Steffen-Waschek sprach von einem &bdquo;Naturerlebnisraum" mit Wegen und einer barrierefreien Vogelbeobachtungsstation, so dass auch die Dörfer näher an die Weser rücken.

Bisher nur "So-da"-Brücke Auch der alternative Weser-Radweg kommt in den Planungen vor. Zentrales Element für die Wegeführung für Fußgänger soll die historische Bruchsteinbrücke mit ihren vier Bögen sein, die zurzeit eher einsam am Bächlein, dem Herrengraben, steht. Steffen-Waschek sprach von einer &bdquo;So-da"-Brücke – sie steht zurzeit einfach so da. Das denkmalgeschützte Bauwerk von 1753 ist stark überholungsbedürftig und nach Zimmermanns Recherchen ein Zeugnis der Situation von vor mehreren hundert Jahren: Eine vierbögige Brücke über einem Rinnsal – &bdquo;das passt nicht".

Dass die Brücke diese Dimensionen hat, erklärt sich beim Blick auf historische Karten aus dem 18. Jahrhundert: &bdquo;Dort findet sich der Begriff ,alte Weser’ an der Stelle des Herrengrabens", so Zimmermann. Damit wird die Brücke früher nicht nur über den schmalen Herrengraben, sondern über einen Weser-Seitenarm geführt und damit eine richtige Funktion gehabt haben. Die Brücke soll mit Fördermitteln wieder hergerichtet werden.

Beweidungs-Projekt Damit das ganze Areal mit seiner reichhaltigen Flora und Fauna zum &bdquo;Hotspot für Biodiversität" (Steffen-Waschek) werden kann, sollte es nach Ansicht der Fachleute vom Kreis nicht zuwuchern. Der Lebensraum in den Auen lasse sich gut erhalten, indem dort ganzjährig Rinder weiden, etwa Galloway- oder Scottish-Highland-Rinder, und zwar in extensiver Form, also mit einer begrenzten Anzahl von Tieren. &bdquo;Dann wird nicht ruckzuck alles runtergefressen, sondern es bleibt immer etwas stehen", so Zimmermann. Im bisherigen Naturschutzgebiet gibt es bereits eine Beweidung mit Galloway-Rindern auf einer kreiseigenen Fläche.

Die Firma Eggersmann stellte darüber hinaus in der Landesverbandsversammlung ein Beweidungs-Projekt mit Galloway-Rindern und dem Namen &bdquo;Wilde Weiden Varenholz" vor. Demnach soll eine Herde von 15 Tieren auf der Fläche grasen, die dann eingezäunt werden müsste. Der Landesverband sitzt mit im Boot, weil ihm der größte Teil der Flächen gehört, die an die Firma Eggersmann verpachtet sind.

Dieter Marten, der den Kreis bei der Dokumentation der besonderen Schutzwürdigkeit des Gebiets unterstützte, zeigt sich überzeugt, dass die Weserauen in Sachen Natur einzigartig sind: Kaum ein Ort in Lippe könne sich damit messen.

Klage gegen Kiesabbau Dass die Firma Eggersmann Kies und Sand über zwölf Jahre auf einer neuen Fläche an der Weser auf Stemmer Gebiet abbauen darf, hat die Bezirksregierung im vergangenen Jahr per Planfeststellungsbeschluss geregelt. Doch dieser Beschluss wird vom benachbarten Weserfreizeitzentrum beklagt. Das bestätigte der LZ Richterin Teresa Grabitz, stellvertretende Pressesprecherin des Verwaltungsgerichts Minden. Der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung regelt neben der Rekultivierung der alten Fläche auch den Transport des Abbaumaterials vom neuen Gebiet zum bestehenden Kieswerk. In der Klage werden laut Gericht unter anderem die Umweltverträglichkeitsprüfung und der Lärmschutz thematisiert. Das Gericht überprüft nun, ob der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist. Einen Verhandlungstermin hat es noch nicht gegeben. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.

Infopunkt als Projekt der Regionale Kalletal-Varenholz. Wenn alles klappt, wird es unterhalb der Varenholzer Schlosskirche einen Infopunkt mit Wissenswertem zum Naturschutzgebiet Aberg-Herrengraben geben. Dies soll Teil des Regionale-Projekts &bdquo;Erlebnisraum Weserlandschaft" werden, wie die Kalletaler Grünen-Fraktion unter Berufung auf Bürgermeister Mario Hecker mitteilt. Die Regionale ist ein Strukturförderprogramm in NRW. Aktuell sei das Kalletaler Projekt bei der Regionale auf dem Sprung zum B-Status, der zur Förderung berechtige, heißt es. Am sogenannten Rast-Info-Punkt an der Alternativroute des Weserradweges soll es auch Sitz- und Abstellmöglichkeiten sowie Informationen über einen Erlebnispfad durch die neuen Teile des Naturschutzgebiets geben. Langfristig sehe das Projekt laut Hecker auch einen Baustein zur &bdquo;Konzeption eines naturverträglichen Bodenabbaus für eine zukunftsorientierte Auenentwicklung" vor. Die Grünen begrüßen die geplante Erweiterung des Naturschutzgebietes. Aus ihrer Sicht sollten touristische Aktivitäten auf Naturbildung und Naturbeobachtung beschränkt werden. &bdquo;Touristische Nutzungen in Form von Vergnügungs- und Campingplätzen sind schon in großer Anzahl im Bereich des Weserbogens vorhanden", heißt es in der Pressemitteilung. Im Naturschutzgebiet Aberg-Herrengraben gebe es die Möglichkeit, den Schwerpunkt auf Natur- und Artenschutz zu legen.

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