Viele Fotos: Warum Ex-Landwirt Eike Stock aus Kalletal sein Herz an Wildrosen verloren hat

Kalletal-Westorf. Rosen bezaubern durch die Farbenpracht ihrer vielen Blütenblätter. Gezüchtete Rosen haben bis zu 100 davon. Für Eike Stock aus Westorf, ausgewiesener Rosen-Liebhaber und -Experte, gilt bei den Blütenblättern allerdings: Weniger ist mehr. Denn er hat sein Herz an Wildrosen und verwandte Arten verloren. &bdquo;Und die haben nur fünf Blütenblätter – wie die lippische Wappenrose“, sagt er. Diese Rosen sind damit etwas unscheinbarer, haben aber einen unschätzbaren Vorteil: Sie sind insektenfreundlicher. Das lässt sich auf den Naturschutzflächen von Eike Stock in Westorf erkennen, wo auch die schlichteren Rosenarten blühen, dass es eine Pracht ist.

&bdquo;Ich mag die einfachen Rosen. Nicht die Edelrosen, sondern die sogenannten botanischen Arten, die noch nahe an den Wildrosen sind“, sagt Stock. Da blüht die Rosa canina, auch Hundsrose genannt, mit der Rosa arvensis im Juni um die Wette. &bdquo;Das ist ein Angebot für Insekten, wie es besser kaum sein könnte“, sagt der 75-jährige ehemalige Landwirt.

Dort, wo er einst eine Blühwiese mit heimischen Arten angelegt hatte, hat sich nach seinen Worten eine &bdquo;Blumensteppe auf vier Hektar“ entwickelt. Rosen und allerhand andere Pflanzen blühen dort. Wo einst seine Kühe grasten, halten jetzt vier Rinder den Sommer über das Gras kurz. Damit haben Blühpflanzen eine Chance, wie Stock sagt. &bdquo;Ich simuliere hier die Wiederkäuerherden der Vorzeit, als Auerochsen grasten.“ Denn gedüngt oder mechanisch bearbeitet worden seien seine Flächen seit Jahrzehnten nicht mehr. Freie Bahn für die Natur also. Wie vielseitig die &bdquo;Blühgesellschaft“ ist, zeigt Stock beim Blick auf die Fläche: Da sind der Wiesen-Storchschnabel, die Dornige Hauhechel, der Natterkopf, das Echte Labkraut, die Königskerze oder eben die Rosa canina, auf der sich gerne der selten zu sehende Neuntöter niederlasse, der sich von großen Insekten ernähre.

Schmetterling, Eidechse & Co. Insekten fühlen sich hier wohl, Eike Stock beobachtet auch Blindschleichen, Eidechsen, Grasfrösche und Schmetterlinge. Dass sie sich hier tummeln, liegt auch an der Gestaltung der Fläche, die bewusst nicht so aussieht wie ein englischer Garten. Stock: &bdquo;Die Natur hat eine andere Ordnung als wir in unserem Kleiderschrank.“ Da müssten Naturschützer immer noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Altholz bleibt liegen, bietet Lebensraum für Insekten, Blindschleichen und Eidechsen freuen sich über Steine, und der aufgeschüttete Sand ist vor allem wichtig für Wildbienen.

Stock berichtet vom großen Gewimmel am Sandboden, das sich dort beobachten lasse. &bdquo;Es gibt fast 600 Wildbienenarten. Viele von ihnen brüten am Boden“, erklärt er. Sie gelten als stark gefährdet. Andere mögen die Bambus- oder Schilfröhren im Insektenhotel, das Stocks Mitstreiter Karl-Heinz Friedrichs gebaut hat. Das und die Wildrosensträucher hätten schon so viele Wildbienen angezogen.

Gerade die einfachen Rosenarten, die ihm so am Herzen liegen, böten den Insekten reiche Nahrung. Dass viele gezüchtete Rosenarten mit ihren vielen Blütenblättern nicht optimal für Insekten sind, liege daran, dass die Tiere nicht mehr an die Staubgefäße und den Stempel kommen, um Nektar und Pollen zu sammeln. &bdquo;Gefüllte Blüten sind in Gärten sehr gefragt, aber hier draußen ist das weniger gut.“

Pollen in Abteilen Die Blüten dürfen also nicht geschlossen, sondern müssen gut zugänglich sein – wie bei den Rosae caninae mit ihren nur fünf Blütenblättern. &bdquo;Die Wildbienen tragen die Pollen in ihre Brutröhren. Darin legen sie in acht bis neun Abteilen Eier und statten diese mit Pollen aus“ – als Nahrung für den Nachwuchs, wenn dieser schlüpft. Übrigens: &bdquo;Wildbienen stechen in der Regel nicht“, sagt Stock. Denn sie hätten keinen Honigvorrat zu verteidigen.

Zigtausende Rosenarten gibt es heute. Eike Stock hat selbst Rosen gezüchtet, hat viele Samen ausgesät. Aber eben vor allem Arten, die nahe an den Wildrosen sind. Zu ihnen gehört auch die Rambler-Rose. Sie rankt an Bäumen bis zu zehn Meter hoch, wie auf Eike Stocks Naturschutzfläche. Andere wie die Rosa canina wachsen als Sträucher und brauchen Stützbäume.

So bilden die Rosen auf Stocks Flächen mit Weiß- oder Schwarzdorn und Holunder die für die Natur so wichtigen Hecken. &bdquo;Sie sollen dicht, dürfen aber nicht zu hoch sein“, erklärt der Fachmann. Denn die meisten Vögel bauten ihre Nester gerne zwischen den Blüten, aber nicht in zu großer Höhe.

&bdquo;Der Beruf, den ich eigentlich machen wollte“ Die Liebe zu den einfachen Rosen habe sich bei ihm während seiner Gärtnerlehre entwickelt, sagt Eike Stock. Stock absolvierte danach auch eine landwirtschaftliche Ausbildung und übernahm den mitten im Ort gelegenen väterlichen Hof. In den 90er Jahren gab Stock die Landwirtschaft auf und machte sich als Pflanzengärtner selbstständig – mit viel Erfolg, wie er sagt. &bdquo;Das war das, was ich eigentlich machen wollte.“ Er kümmerte sich um die Pflege von Privatgärten und hatte schnell einen großen Kundenstamm.

Sein Mentor sei sein Onkel gewesen. &bdquo;Er hat mich in der Jugend auch forstwirtschaftlich ausgebildet.“ Außerdem ist Stock seit Jahrzehnten Jäger und hat mit dem Hegering viele Naturschutzprojekte umgesetzt.

Heute ist Stock im Ruhestand, sofern man bei ihm davon sprechen kann. Er kümmert sich nur noch um den Naturschutz und den Erhalt der Artenvielfalt. In den 80er und 90er Jahren hatte das Westorfer Modell des von ihm mitgegründeten Arbeitskreises Natur- und Vogelschutz von sich reden gemacht, als sie auf 40 Hektar Blühpflanzen einsäten. &bdquo;Man muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Es wird noch lange dauern, bis die Gesellschaft begreift, dass wir den Artenreichtum nicht aufs Spiel setzen dürfen“, sagt Stock. Letzten Endes sei das auch im Eigeninteresse des Menschen.

Monokulturen bieten wenig Chancen Die meisten landwirtschaftlichen Felder seien heutzutage Monokulturen mit Weizen, Gerste, Raps und Mais. Es gebe kaum Hecken zwischen den Feldern. Schmetterlinge oder Eidechsen hätten kaum eine Chance. Wobei Stock betont, er kritisiere nicht seine Landwirte-Kollegen. Sie seien gezwungen, auf immer mehr Ertrag zu setzen, zu düngen und zu spritzen, um überhaupt zu bestehen und ihren Betrieb nicht zu verlieren.

Seine einst landwirtschaftlich genutzten Flächen hat Stock nicht verpachtet, sondern nutzt sie heute auf 20 Hektar an verschiedenen Stellen für den Naturschutz. Darunter sind auch zehn Hektar Wald. Dort baute er nach dem Orkan &bdquo;Kyrill“ 2007 Mischwald auf und ersetzte so Fichten-Monokulturen durch Eichen, Buchen und andere trockenheitsresistente Bäume. Ein Umbau des Walds, wie er heute angesichts des Klimawandels und des Fichtensterbens an vielen Stellen versucht wird. Doch Stock war seiner Zeit damals weit voraus, wie er selbst konstatiert. Zu den 60 verschiedenen Gehölzen in seinem Wald gehören Esskastanien, Walnussbäume, Douglasien, Robinien und amerikanische Küstentannen.

Bei all dem sind nicht nur Liebe für die Natur, Wissen, der richtige Riecher und ein glückliches Händchen gefragt, sondern auch Handarbeit. Auch wenn die Natur weitgehend sich selbst überlassen bleibt: Ein bisschen eingegriffen werden muss schon. Es gelte beispielsweise, für eher niedrigen Bewuchs zu sorgen. &bdquo;Ich bin jeden Tag draußen, es ist eine Menge Handarbeit.“ Und natürlich: Auch ein bisschen Leidensfähigkeit gehört dazu, wenn es an die Pflege der Rosen geht. Man sieht es an den zerkratzten Unterarmen. Denn wie alle Rosen haben auch die wilden Arten Dornen.

Im kommenden Frühjahr bietet Eike Stock wieder Führungen über seine Naturschutzflächen an. Er ist zu erreichen unter Tel. (0151) 54807353.

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