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Kreis Lippe

Blähschlamm bedroht lippische Gewässer

Hochschule OWL analysiert Proben aus Kläranlagen – Probleme durch demografischen Wandel

Blick fürs unappetitliche Detail: Prof. Dr. Ute Austermann Haun (links) reicht ihrer Mitarbeiterin Dipl.-Ing. Heike Witte eine Probe Blähschlamm aus einer Kläranlage, um sie unter dem Mikroskop zu untersuchen. - © Preuss
Blick fürs unappetitliche Detail: Prof. Dr. Ute Austermann Haun (links) reicht ihrer Mitarbeiterin Dipl.-Ing. Heike Witte eine Probe Blähschlamm aus einer Kläranlage, um sie unter dem Mikroskop zu untersuchen. (© Preuss)

Kreis Lippe/Detmold. Ländliche Regionen stehen vor einem bisher kaum beachteten Problem. Nicht mehr voll ausgelastete Kläranlagen können zu einem erheblichen Umweltrisiko werden. Die Hochschule OWL arbeitet bereits an Gegenstrategien.

In dem aufgeräumten Labor von Prof. Dr. Ute Austermann-Haun riecht es häufig ziemlich streng. Ihre Mitarbeiter untersuchen an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold kaffeebraunen Schlamm aus Kläranlagen der Region. Das machen sie nicht nur aus purer Freude an der Wissenschaft, sondern weil sie ganz pragmatischen Alltagsphänomen auf der Spur sind.

„Wir stellen schon seit Jahren fest, dass es Probleme in Kläranlagen gibt, die nicht über-, sondern unterlastet sind“, sagt Prof. Austermann-Haun. „Das trifft hauptsächlich ländliche Regionen, weil die Leute von dort wegziehen oder Industrieunternehmen in die Insolvenz rutschen.“ Im Prinzip geht es hier also um eine Folge des demografischen Wandels.

So funktioniert eine Kläranlage: Von unseren Häusern gelangt das Abwasser über die Kanalisation in die unterschiedlichen Durchlaufstationen. Fließt nicht genug Wasser, weil zum Beispiel nicht mehr so viele Haushalte an eine bestimmte Kanalisation angeschlossen sind, gibt es Probleme im Nachklärbecken. Blähschlamm entwickelt sich und kann ins Gewässer gelangen. - © Schematische Darstellung: Hochschule OWL
So funktioniert eine Kläranlage: Von unseren Häusern gelangt das Abwasser über die Kanalisation in die unterschiedlichen Durchlaufstationen. Fließt nicht genug Wasser, weil zum Beispiel nicht mehr so viele Haushalte an eine bestimmte Kanalisation angeschlossen sind, gibt es Probleme im Nachklärbecken. Blähschlamm entwickelt sich und kann ins Gewässer gelangen. (© Schematische Darstellung: Hochschule OWL)

Die Rechnung, die die Wissenschaftler der Hochschule OWL aufmachen, ist so überraschend wie einleuchtend: Wenn es in einer bestimmten Region weniger Menschen gibt und die dann auch noch beispielsweise bei der Toilettenspülung ums Sparen bemüht sind, dann fließt logischerweise weniger Wasser durch die Kanäle. Wenn weniger Wasser fließt, verlängern sich auch die Fließzeiten.

Die Folge: Das Abwasser fault und es kommt zu stärkerem Geruch und erhöhter Betonkorrosion. Bei einer älter werdenden Gesellschaft nehmen außerdem die Medikamentenrückstände im Abwasser zu, was den Gewässern ebenfalls nicht zuträglich ist.

Prof. Austermann-Haun beobachtet ein weiteres Phänomen: „Der Schlamm entartet.“ Normalerweise entwickelt sich die Biomasse nach ihrer Darstellung zu Flocken, die sich im sogenannten Nachklärbecken (siehe schematische Darstellung) absetzen. Der Schlamm einer nicht voll ausgelasteten Kläranlage kann hingegen als Fäden wachsen (siehe rundes Foto). Sogenannter Blähschlamm entwickle sich, der bei Regen zum Schlammabtrieb und damit zu einer Gewässerbelastung führen kann.

Betroffene Kommunen haben zwei Möglichkeiten, mit dem Umweltrisiko umzugehen. Sie können das Kanalsystem und die Kläranlagen aufgeben – was zur Folge hätte, dass die Bürger dezentrale Kleinkläranlagen mit etwa 6000 Euro pro Haus finanzieren müssten. Oder aber, und dafür plädiert Austermann-Haun, die Kommunen legen nur Teile der zu großen Anlagen still. Doch auch das kostet natürlich Geld für Umbaumaßnahmen. Es soll aber letzten Endes das Ziel haben, Geld zu sparen, beispielsweise für Energie.

Es geht um finanzielle Mittel, auf die auch Austermann-Haun ein Auge geworfen hat. Sie möchte im Kreis Lippe mindestens zehn unterbelastete Kläranlagen untersuchen und die Betreiber dann beraten, welche Teile wann außer Betrieb genommen werden könnten. Dafür benötigt sie Forschungsgelder. Die Bezirksregierung verhandelt dieser Tage gerade mit dem Umweltministerium über die Zukunft von Lippes Kläranlagen.

Das Labor

Prof. Dr.-Ing. Ute Austermann-Haun leitet das Labor für Siedlungswasserwirtschaft an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold. Das Labor gehört zum Fachbereich Bauingenieurwesen. Am Fachbereich 3 (Bauingenieurwesen und Wirtschaftsingenieurwesen) sind mehr als 500 Studenten eingeschrieben. Um sie kümmern sich 14 Professoren und 15 wissenschaftliche Mitarbeiter.

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