Kreis Lippe. Die Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe läuft Sturm gegen die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld. Hintergrund ist ein seit Jahren schwelender Streit um die Zentralisierung der überbetrieblichen Ausbildung in Bielefeld, der jetzt noch einmal an Schärfe zunimmt.
„Die Handwerkskammer legt eine fast schon inquisitorische Grundhaltung mit Allzuständigkeitsfantasien an den Tag", schreibt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Michael H. Lutter, in einer morgen erscheinenden Sonderausgabe des „KH-Magazin". „Wir haben es hier mit einer zentralistischen Denke und einem Obrigkeitsgehabe zu tun, das jeglicher Basis entbehrt."
Was Lutter derart auf die Palme bringt, ist eine Einladung der Handwerkskammer an die lippischen Ausbildungsbetriebe des Kfz-Handwerks und den Vorstand der Kfz-Innung Lippe für den nächsten Mittwoch. Die Einladung liegt der Redaktion vor. Darin werben Präsidentin Lena Strothmann und Hauptgeschäftsführer Michael Heesing unverblümt für den Campus Handwerk als zentralen Ort der überbetrieblichen Ausbildung. „Mit den Innungen des Kfz-Handwerks in Bielefeld und Gütersloh sind wir im Gespräch, ein Neubauvorhaben am Standort Campus Handwerk zu realisieren, in das auch die von der Handwerkskammer bislang durchgeführte Ausbildung ihrer Lehrlinge einbezogen werden soll", heißt es in der Einladung.
Lutter fürchtet, dass die überbetriebliche Ausbildung komplett aus Lippe verschwindet. Im Handwerksbildungszentrum Lemgo wird in den Gewerken Bau, Tischler, Maler und Kfz ausgebildet. Die Gewerke Sanitär, Heizung, Klima, Metall und Elektro sind bereits im Herbst vergangenen Jahres auf den Campus Handwerk in Bielefeld gezogen.
Handwerk verbündet sich mit dem Kreis
Beim Campus Handwerk handelt es sich um einen 63,4 Millionen Euro teuren Neubau nahe des Bielefelder Hauptbahnhofs. Nach Angaben von Lutter gibt es Pläne, den Campus Handwerk mit einem weiteren Neubau zu erweitern. Kosten laut Lutter: 35 Millionen Euro. Die Handwerkskammer wollte sich gestern nicht zu den Plänen äußern.
Die Hauptsorge der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe gilt ohnehin nicht den vielen Millionen. „Das Berufswahlverhalten der Schüler wird natürlich auch durch Ortsnähe und Erreichbarkeit beeinflusst", schreibt Hauptgeschäftsführer Peter Gödde im neuen „KH-Magazin". Würde die überbetriebliche Ausbildung in Bielefeld zentralisiert, könnte dies die „weitere Erosion der Ausbildungsfähigkeit des Handwerks" befördern. Anders ausgedrückt: Potenzielle lippische Azubis könnten sich gegen das Handwerk entscheiden.
Das treibt naturgemäß auch den Kreis Lippe um. Am kommenden Donnerstag – einen Tag nach der Veranstaltung der Handwerkskammer in Bielefeld – wollen Kreis und Kreishandwerkerschaft nach LZ-Informationen einen Vertrag unterschreiben, der der überbetrieblichen Ausbildung in Lippe den Rücken stärkt. In dieser vom 1. August 2016 bis 31. Juli 2017 laufenden Vereinbarung ist laut „KH-Magazin" „unter anderem die Zusage des Kreises enthalten, der Kreishandwerkerschaft Werkstattkapazitäten zuzüglich der erforderlichen Funktionsräume und Verkehrsflächen für die Durchführung der ÜBA (überbetriebliche Ausbildung, die Red.) in den Bereichen Holz, Bau, Maler und Kfz zur Verfügung zu stellen."